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FC Kilia Kiel startet ins Abenteuer Regionalliga

"Klassenerhalt wäre höher einzuschätzen als Oberliga-Meisterschaft"

Kometenhafte Entwicklung: FC Kilia Kiel startet ins Abenteuer Regionalliga

Gut vernetzt und ein akribischer Arbeiter: Kilia-Coach Nicola Soranno

Gut vernetzt und ein akribischer Arbeiter: Kilia-Coach Nicola Soranno IMAGO/KBS-Picture

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Der Jubel kannte keine Grenzen, als der FC Kilia Kiel am 31. Mai mit einem 3:2-Last-Minute-Sieg vor 3.500 Zuschauern gegen den OSC Bremerhaven das Ticket für die Regionalliga Nord löste. Der Aufstieg in die 4. Liga war das i-Tüpfelchen einer kometenhaften Entwicklung des Kieler Traditionsvereins mit drei Aufstiegen in den vergangenen vier Jahren.

"Sportlich sind wir unseren Plänen mindestens ein Jahr voraus. Wirtschaftlich müssen wir langsam nachziehen", sagt Kilia-Boss Volker Roese. Zumal die Zielvorstellung bei seinem Amtsantritt als 1. Vorsitzender des reinen Fußballvereins im November 2018 die Regionalliga-Qualifikation überhaupt nicht vorsah. Vielmehr sollte der FC Kilia Kiel gemäß eines Zehn-Jahres-Plan zurück zu altem Glanz geführt werden, als ein Verein, der auf höchstem Landesniveau um Punkte kämpft, Chancen auf den Landespokalsieg hat und wieder eine florierende Jugendarbeit vorweisen kann.

Erst im Endspurt der Saison 2018/19 entgingen die Kilianer dem Abstieg aus der Verbandsliga und somit dem Sturz ins Fußballniemandsland. Alles kam auf den Prüfstand. Mit geschickten Transfers gelang im Folgejahr die Rückkehr in die Landesliga, ehe die Corona-Pandemie samt des Saisonabbruchs 2020/21 die Erfolgsgeschichte der Kieler kurzfristig stoppte.

Er ist in Gedanken immer schon ein paar Schritte weiter als alle anderen. Er ist wie ein Stachel im gemütlichen Pelz.

Kilia-Boss Volker Roese über Trainer Nicola Soranno

Doch hinter den Kulissen wurden richtungsweisende Entscheidungen gefällt: Im Juli 2021 verpflichtete der FC Kilia mit Coach Nicola Soranno das entscheidende Mosaiksteinchen für die heutigen Erfolge. Mit Soranno hielt die Professionalisierung Einzug. Der 34-jährige B-Lizenzinhaber, einst Co-Trainer von Werder-Coach Ole Werner bei der U 23 von Holstein Kiel, gilt als akribischer, detailversessener Arbeiter, der nie ganz zufrieden zu stellen ist. "Er ist in Gedanken immer schon ein paar Schritte weiter als alle anderen. Er ist wie ein Stachel im gemütlichen Pelz", sagt Roese über den Meistercoach.

Lübecker Rekord geknackt

Soranno implementierte dem FC Kilia das Spielsystem von Holstein Kiel, lotste trotz überschaubarer finanzieller Mittel viele Talente, die der U 23 von Holstein Kiel altersmäßig entwuchsen, an den Hasseldieksdammer Weg: Julius Alt, Tom Baller und Florian Foit bilden heute die Zentralachse des FCK. Kaum ein Spieler des aktuellen Kaders hat keine Holstein-Vergangenheit. "Wenn sie zu uns kommen, können sie schnell umsetzen, was wir von ihnen taktisch und spielerisch erwarten", umreißt Soranno die Erfolgsformel.

Binnen zwei Jahren führte Soranno die Kilianer von der Landesliga in die Regionalliga: "Dass es so schnell geht, haben wir nicht erwartet, zeigt aber auch das Potenzial, das im Team schlummert." Der Durchmarsch in die Regionalliga wurde mit einem neuen Torrekord für die Oberliga Schleswig-Holstein gekrönt: Mit 125 Saisontreffern pulverisierten die Kilianer die alte Bestmarke des VfB Lübeck aus der Spielzeit 2013/14 (116 Tore). "In der Regionalliga werden wir ganz anders gefordert werden. Nachdem wir in den vergangenen zwei Jahren nur vier Punktspiele verloren haben, müssen wir lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Das wird ein ganz neues Gefühl für den einen oder anderen", prognostiziert Soranno.

Gezielte Verstärkungen aus der Region

Mit der Regionalliga betritt der FC Kilia Neuland. Doch die Philosophie bleibt gleich. "Wir setzen auf Spieler aus dem Großraum Kiel. Zu uns kommt keiner, um mit Fußball Geld zu verdienen. Wir werden vermutlich bundesweit der Regionalligist mit dem geringsten Etat sein. Verspüren aber viel Rückenwind aus der Stadt Kiel, auch wenn wir zwischen Holstein Kiel und dem THW Kiel nur die runterfallenden Krümel aufsammeln", sagt Roese mit Blick auf geringen Etat, der sich auf etwa 200.000 Euro beläuft.

Und dennoch konnte sich der Aufsteiger auf dem Transfermarkt gezielt verstärken: Mit Christopher Kramer und Kevin Schulz wurden zwei erfahrene Regionalliga-Spieler vom SC Weiche Flensburg 08, die stets aus Kiel nach Flensburg pendelten, verpflichtet. Zudem holte Soranno seinen ehemaligen Schützling aus Holstein-Zeiten, Felix Niebergall, von der SV Drochtersen/Assel zurück an seinen Studienort.

"Für uns zählt diese Saison nur der Klassenerhalt. Dafür müssen wir in jedem Spiel ans Limit. Der Klassenerhalt wäre höher einzuschätzen als die Oberliga-Meisterschaft", klärt Soranno über Kilias Saisonziele auf.

Jan-Phillip Wottge

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