Europa League

Hintereggers großer Abend sorgt für maximale Emotionen

Frankfurts Verteidiger avanciert zum umjubelten Matchwinner

Hintereggers großer Abend sorgt für maximale Emotionen

Frankfurts Martin Hinteregger war der Mann des Abends im Waldstadion.

Frankfurts Martin Hinteregger war der Mann des Abends im Waldstadion. IMAGO/Revierfoto

Die Partie gegen Betis ist ein Paradebeispiel dafür, wie eng im Fußball Freud und Leid an manchen Tagen beieinanderliegen. Da ließ die leidenschaftlich kämpfende Eintracht 90 Minuten lang kaum etwas zu und verteidigte hochkonzentriert, kassierte dann aber doch noch ein billiges Gegentor. Ansgar Knauff, Jesper Lindström und Tuta schafften es auf der rechten Seite nicht, Aitor Ruibal und Nabil Fekir zu stoppen. Insbesondere Lindström sah ziemlich alt aus, als er sich von Aitor Ruibal im Laufduell wegdrängen ließ. Mit einem schnöden Foul hätte das Unheil wohl verhindert werden können. Doch stattdessen brachte Fekir den Ball in die Mitte, wo sich Joker Borja Iglesias im Zweikampf gegen Evan Ndicka behauptete und das späte 1:0 erzielte. Lange Gesichter auf den Rängen, das Zittern ging in die Verlängerung.

Eine halbe Stunde später lag das Elfmeterschießen bereits in der Luft, als sich Filip Kostic den Ball im linken Halbfeld ein letztes Mal für einen Freistoß zurechtlegte. Sekunden zuvor war er von Guido Rodriguez per Grätsche ungestüm gefoult worden. Diese Unsportlichkeit sollte der argentinische Nationalspieler noch bitter bereuen. Betis postierte die Verteidigungslinie etwa 22, 23 Meter vor dem eigenen Kasten, was einen Torerfolg in dieser Situation nicht sehr wahrscheinlich erscheinen ließ. Wie bei Standards üblich, war auch Hinteregger mitten im Geschehen, als Kostic auf den Elfmeterpunkt flankte. Was dann im Bruchteil einer Sekunde geschah, war selbst mit Zeitlupe nur schwer zu erkennen. Betis-Keeper Rui Silva stürmte ohne Not aus dem Tor und stieß mit Hinteregger und Rodriguez gleichzeitig zusammen. Den Ball kümmerte das nicht, er prallte von den Kontrahenten ins verwaiste Tor.

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Dafür wird Hinteregger von den Anhängern geliebt

Während die UEFA Rodriguez als Eigentorschütze auswies, feierten die 25.000 Fans im ausverkauften Waldstadion ihren "Hinti" - und das völlig zurecht. Ohne den Österreicher, der sich mit purer Willenskraft und ohne Rücksicht auf eigene Verluste ins Gemenge stürzte, wäre dieses Tor nie und nimmer gefallen. Hinteregger geht dahin, wo es wehtut, dafür lieben ihn die Anhänger. Trainer Oliver Glasner sagt voller Anerkennung: "Das Tor hat er erzwungen, mit allem, was er hat. Dabei riskierte er sogar eine Verletzung. Es freut mich für ihn persönlich, dass er auch mal so im Mittelpunkt steht. Er hatte ja doch ein paar schwierigere Monate." Gerade so rechtzeitig zur entscheidenden Saisonphase ist Hinteregger jedoch offenbar wieder ganz der Alte.

Einmal hatte Hinteregger mächtig Glück

Gegen Betis gewann der österreichische Nationalspieler laut Datenanbieter "Opta" 86 Prozent seiner Zweikämpfe - ein überragender Wert. Einmal hatte er dennoch mächtig Glück. Als sich in der 109. Minute der eingewechselte Diego Lainez gegen Ndicka durchsetzte und auf den zweiten Pfosten flankte, verlor Hinteregger seinen Gegenspieler Iglesias völlig aus den Augen. Der Betis-Stürmer brachte das Kunststück fertig, den Ball freistehend aus kürzester Distanz an die Latte zu köpfen. Von einem 0:2 hätte sich die Eintracht wohl nicht mehr erholt.

Momente zwischen Angstschweiß, Adrenalin und purer Freude

Unterm Strich war das 1:1 jedoch leistungsgerecht. Während Sevilla im vorderen Drittel lange kaum etwas einfiel, hätten Knauff (14., Latte), Kostic (62.) und Ndicka (63., Pfosten) Frankfurt auf die Siegerstraße bringen können. Mit etwas mehr Fortune beim Abschluss wäre der SGE das ganz große Zittern erspart geblieben. Andererseits hätte es dann auch nicht die maximalen Emotionen in der 120. Minute gegeben. Auf den ersten großen Gefühlsausbruch auf dem Rasen und den Rängen folgte das bange Warten (Glasner: "eine gefühlte Ewigkeit"), bis der VAR das Tor gecheckt hatte, und dann der abermalige Jubel. Diese Momente zwischen Angstschweiß, Adrenalin und purer Freude werden jene Fans, die als Augenzeugen dabei waren, so schnell nicht vergessen. Und auch Hinteregger dürfte daraus die Kraft ziehen, um in den kommenden Wochen seine Top-Leistung zu bestätigen.

Julian Franzke