Nationalelf

WM-Quali 1954: Als Deutschland gegen das Saarland spielte

In der Qualifikation für die WM 1954

Harsche Kritik im kicker: Als Deutschland gegen das Saarland spielte

Deutschland gegen Saarland: Die Kapitäne Peter Momber und Fritz Walter (re.) führen ihre Mannschaften auf den Platz.

Deutschland gegen Saarland: Die Kapitäne Peter Momber und Fritz Walter (re.) führen ihre Mannschaften auf den Platz. imago/Ferdi Hartung

Wie groß die Außenseiterrolle der deutschen Nationalmannschaft im WM-Finale 1954 gegen Übermacht Ungarn wirklich war, mag im Nachhinein ein wenig verklärt worden sein. Im kicker schmückte man sich hinterher damit, einen derartigen Erfolg vorhergesagt zu haben. Deutschlands Favoritenrolle in Gruppe 1 der Qualifikation für das Weltturnier in der Schweiz hatte allerdings außer Frage gestanden.

Die Mannschaft von Bundestrainer Sepp Herberger, die erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu einer WM eingeladen worden war, traf zwischen August 1953 und März 1954 je zweimal auf zwei Mannschaften: Norwegen - und das Saarland.

In der Nachkriegszeit war das heutige deutsche Bundesland, zunächst Teil der französischen Besatzungszone, noch zehn Jahre lang autonom, Mitgliedsverband bei der FIFA und stellte daher auch eine eigene Nationalmannschaft, die zwischen 1952 und 1956 von keinem Geringeren als Helmut Schön trainiert wurde, der Deutschland 1972 zum ersten EM- und 1974 im eigenen Land zum zweiten WM-Titel führen sollte.

Zwei Weltmeister-Trainer im Duell

In der Retrospektive daher besonders spannend: Herberger gegen Schön. Zwei Weltmeister-Trainer im Duell, noch bevor einer von ihnen ein Weltmeister-Trainer war. Als wohlgesonnenes Kanonenfutter sollte sich das Saarland, das 1952 eigene Athleten zu den Olympischen Spielen nach Helsinki geschickt hatte, allerdings nicht entpuppen.

Die Schön-Auswahl war in Oslo in die Quali gestartet, mit einem frühen 0:2-Rückstand gegen die Norweger. Und obwohl das Saarland seit der 10. Minute in Unterzahl spielte - Theo Puff hatte in der 10. Minute einen Wadenbeinbruch erlitten, als Schön seine damals einzige erlaubte Auswechslung bereits verletzungsbedingt vorgenommen hatte -, bog es den Rückstand tatsächlich noch in einen 3:2-Sieg um. Deutschland, auf das ein solcher Spielverlauf in Bern noch warten würde, sollte in Oslo lediglich 1:1 spielen.

An der Ausgangslage für das direkte Aufeinandertreffen änderte das wenig. "Selbst ein hoher Sieg wöge nicht schwer", schätzte der kicker ein, dass die BRD am 11. Oktober 1953 im Stuttgarter Neckarstadion höchstens etwas zu verlieren hatte. Sie verlor nicht, sie gewann sogar 3:0 dank der Tore der Nürnberger Max Morlock (13., 51.) und Horst Schade (71.). Doch man hätte meinen können, das Spiel sei genau andersherum ausgegangen.

Werner Otto, Herbert Erhardt

Der Saarländer Werner Otto (li.) gegen Deutschlands Herbert Erhardt. imago/Ferdi Hartung

"Das 3:0 täuscht. Nur durch Sololeistungen kamen wir zu unseren Torerfolgen, nicht durch Mannschaftsarbeit", mahnte der kicker. Er warnte auch vor dem Wiedersehen am 28. März 1954 in Saarbrücken: "Die jüngsten Ergebnisse geben ein falsches Bild unserer Spielstärke ab."

Von der hohen Meinung von der DFB-Elf in Richtung Endturnier war in der Qualifikation für die WM noch nicht viel zu lesen. Herbergers Mannen bereiteten "mehr Sorge als Freude", würdige Nachfolger von früheren Top-Spielern wie Edmund Conen und Paul Janes wurden ganz nonchalant gefordert. Das "tapfere, prachtvolle" Saarland hingegen wurde für sein "flüssigeres Mannschaftsspiel" gelobt. Es würde doch nicht etwa das heutige Bundesland in die Schweiz fahren, während Deutschland zu Hause bleibt?

Deutschland gegen Saarland

Läufer Clemens wollte Herberger 1954 mitnehmen

Bei einem Sieg des Underdogs in Saarbrücken hätte es ein Entscheidungsspiel gegeben, es war also kein Selbstläufer für Fritz Walter und seine Kameraden. Der kommende Weltmeister sollte diese Schmach zwar abwenden und mit 3:1 erneut gewinnen - wieder traf Morlock doppelt, Kölns Hans Schäfer machte alles klar -, in den Augen des kicker war er "unter der seelischen Last des Favoriten" aber "beinahe zusammengebrochen". Das klang ja übel.

Waren die deutschen Auftritte wirklich so besorgniserregend gewesen oder die des Schön'schen Saarlands einfach so erfrischend? Angreifer Gerhard Siedl sollte, als das Saarland ab 1957 endgültig wieder zu Deutschland gehörte, unter Herberger noch sechs A-Länderspiele machen. Läufer Kurt Clemens ("Den müssen die Saarländer uns pumpen") hätte der Bundestrainer 1954 am liebsten mit zur WM genommen, was allerdings nicht möglich war. Auf Einladung des DFB saßen einige der Saar-Spieler zumindest auf der Tribüne des Wankdorf-Stadions, als Deutschland am 4. Juli den Titel holte.

Niklas Baumgart

Die DFB-Trikots von 1934 bis heute