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Handball-EM: Gislason darf mutigere Entscheidungen treffen

Kommentar

Gislason darf ruhig noch mutigere Entscheidungen treffen

Blick nach oben - und nach vorne: Bundestrainer Alfred Gislason beendete die Heim-EM mit dem DHB-Team auf Rang vier.

Blick nach oben - und nach vorne: Bundestrainer Alfred Gislason beendete die Heim-EM mit dem DHB-Team auf Rang vier. Sascha Klahn

Die deutsche Nationalmannschaft ist zurück auf ihrem Weg in die Weltspitze, das war bei der ersten Handball-EM im eigenen Land unverkennbar. Das Team von Bundestrainer Alfred Gislason hat einen großen Schritt nach vorne gemacht, stieß spätestens am Finalwochenende aber an ihre Grenzen. Der Rückstand auf die Top-Nationen Frankreich, Dänemark und Schweden wurde verringert, verständlicherweise aber nicht in Rekordzeit aufgeholt.

Der Finaltag in Köln

Die große Baustelle im deutschen Spiel ist fraglos der Angriff, die teils eklatante Abschlussschwäche verhinderte beim Heim-Turnier ein noch besseres Abschneiden als Platz 4. Ein wesentlicher Nachteil im Vergleich mit den ganz Großen des Welthandballs ist aktuell noch die Eingespieltheit. Die Franzosen, die Dänen und auch die Schweden spielen in diesen Formationen über Jahre zusammen, haben längst Automatismen verinnerlicht und und warfen diese Trumpfkarte in den entscheidenden Momenten gegen das DHB-Team in die Waagschale.

Auch wenn der europäische Handball - wie bei diesem Turnier in vielen Spielen klar ersichtlich - insgesamt noch enger zusammengerückt ist, dürfen deutsche Ausrutscher wie gegen Österreich und Kroatien bei noch ambitionierten Zielen nicht passieren. Während der Heim-EM monierte Gislason immer wieder, dass ihm die nötige Breite im Kader fehle.

Mit Blick auf das Finalwochenende muss aber die Frage erlaubt sein: Hat er seine zweite Reihe, die der Bundestrainer auf den Pressekonferenzen teilweise verbal zerlegte, wirklich ausreichend genutzt? Das Beispiel Renars Uscins spricht nicht wirklich dafür. Gislason baute nur "notgedrungen" wegen des Ausfalls von Kai Häfner auf den Kapitän der U-21-Weltmeister. Und der machte gegen Dänemark und Schweden trotz seiner erst 21 Jahre zwei überragende Spiele und war die große Positiv-Erscheinung des Finalwochenendes.

Uscins belehrte Gislason eines Besseren

Gislason plädierte immer wieder für erfahrenere Spieler, musste sich aber im Fall Uscins eines Besseren belehren lassen. In Zukunft darf der Isländer, dessen auslaufenden Vertrag der DHB im Sinne des deutschen Handballs zwingend verlängern muss, ruhig noch mutigere Entscheidungen treffen.

Mit Nils Lichtlein, dem Ex-Bundestrainer Heiner Brand im Vorfeld eine mögliche Schlüsselrolle im Turnier prophezeit hatte, bekam beispielsweise der MVP der U-21-Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer keine wirkliche Chance auf der Spielmacherposition. Das Argument der Abwehrschwäche greift beim Lichtlein vorgezogenen Philipp Weber auch nicht.

Eine sinnvolle Variante wäre es zudem gewesen, den im Sommer zum THW Kiel wechselnden Lukas Zerbe (28) anstelle des 34-jährigen Patrick Groetzki für den endgültigen EM-Kader zu nominieren. Mit Blick auf die mittelfristige Zukunft hätte Zerbe die gesamte Turnier-Erfahrung sicher geholfen. Dennoch steht nach diesem Turnier fest: Der Weg für 2027, wenn die Heim-Weltmeisterschaft steigt, ist vorgezeichnet. Das Einspielen dafür darf mit mutigen Personalentscheidungen jetzt beginnen.

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