DFB-Pokal

Frankfurts Pokalheld Uli Stein im kicker-Interview

Ex-Nationalkeeper über das Halbfinale 1988

Frankfurts Pokalheld Stein: "Jahre später erhielt ich das größte Kompliment"

Uli Stein gewann mit Eintracht Frankfurt 1988 den DFB-Pokal.

Uli Stein gewann mit Eintracht Frankfurt 1988 den DFB-Pokal. imago images

Der kicker spart in der Ausgabe vom 14. April 1988 nicht mit Lob. Durch ein Tor von Frank Schulz gewinnt Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal-Halbfinale bei Werder Bremen 1:0. Im Licht der Scheinwerfer steht aber ein anderer: "Uli Stein lenkt mit einem Superreflex den Ball über die Latte" - "Überragend: Keeper Uli Stein" - "In der 85. Minute wieder der tolle Stein" - "Weltklasseleistung von Uli Stein". Kein Wunder, dass sich der Ex-Nationaltorhüter heute noch ganz genau an den Abend an der Weser erinnert.

Welche Erinnerungen haben Sie an das Halbfinale in Bremen, Herr Stein?

Dieses Spiel vergesse ich nie. Werder rannte 90 Minuten auf unser Tor zu, wir waren nur einmal vorne und erzielten das 1:0. Für mich war das ein Sahnetag, an dem ich machen konnte, was ich wollte, ich habe alles gehalten. Leistungen in solchen K.-o.-Spielen besitzen einen ganz anderen Stellenwert. In der Meisterschaft ist ein solches Spiel schnell wieder vergessen. Doch im Pokal ist das anders, weil du Fehler nicht wiedergutmachen kannst. Das größte Kompliment erhielt ich aber erst Jahre später.

Dieses Spiel war der Grund, weshalb Wolfgang Steubing bei der Eintracht eingetreten ist und Mitglied wurde.

Uli Stein

Erzählen Sie bitte …

Dieses Spiel war der Grund, weshalb Wolfgang Steubing (früherer Aufsichtsratsvorsitzender, Anm. d. Red.) bei der Eintracht eingetreten ist und Mitglied wurde. Wolfgang saß damals im Stadion und fieberte als einziger Frankfurter nicht dem Abpfiff entgegen. Stattdessen meinte er: "Der Schiedsrichter soll noch 15 Minuten länger spielen lassen, ich will den Torwart noch länger sehen." So berichtete er es mir jedenfalls Jahre später. Ein schöneres Kompliment gibt es nicht. All das, was die Eintracht heute darstellt, hat Wolfgang aufgebaut. Er ist der Vater des Erfolges, der Drahtzieher im Hintergrund. Ich hoffe, dass die Eintracht jetzt nicht wieder in alte Zeiten verfällt und sich durch interne Querelen alles kaputtmacht. Nach oben brauchst du lange, nach unten geht es ganz schnell. Es ist ein schmaler Grat.

Wie empfanden Sie Flutlichtspiele?

Das war ein Traum. Wenn das Flutlicht anging, herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Ich war immer heiß darauf, abends unter Flutlicht zu spielen, das sorgte schon vor dem Anpfiff für Gänsehaut.

DFB-Pokal, Halbfinale

Wenn Sie an Ihre stärksten Spiele zurückdenken: Wo würden Sie die Leistung in Bremen einordnen?

An zweiter Stelle. Auf Platz 1 steht das Finale im Europapokal der Landesmeister 1983 mit dem HSV …

... als Sie mit dem HSV unter Trainer Ernst Happel in Athen 1:0 gegen Juventus Turin gewannen.

Genau. Da gab es nicht so einen Dauerbeschuss wie in Bremen. Italienische Mannschaften spielen sich normalerweise nicht viele Chancen heraus, die wenigen sind aber hochkarätig. Ich musste vielleicht halb so viele Bälle wie in Bremen halten, aber dafür waren die Aktionen umso wichtiger. Wir wussten: Wenn Juve in Führung geht, sind wir weg. Dann hätten sie uns mit ihrem Catenaccio ausgekontert, und wir hätten zwei, drei oder vier Gegentore bekommen - womit vorher jeder gerechnet hatte. Dieser Titel genießt noch mal einen anderen Stellenwert als der DFB-Pokal. Damals bist du noch der Champion der Champions gewesen. Heute ist die Champions League total verwässert. Was hat es mit Champions zu tun, wenn der Vierte mitspielt?

Das DFB-Pokal-Finale 1988 gewann Frankfurt gegen Bochum 1:0 durch ein wunderschönes Freistoßtor von Lajos Detari. Hat er das im Training bei Ihnen auch so gemacht?

Ja, wenn die anderen nach dem Training zum Duschen gegangen sind, hat er sich noch die Bälle hingelegt und eine halbe Stunde geübt. Schade, dass er nur eine Saison bei uns blieb. Aber für so einen Star war man damals noch nicht bereit. Ich erinnere mich noch an das Theater, weil er Fußballschuhe in den ungarischen Nationalfarben trug. Heute würde man darüber lachen, damals echauffierte man sich. Er war seiner Zeit voraus.

Welchen Stellenwert besaß der Pokalsieg 1988 für die Eintracht?

Einen riesengroßen, da uns keiner etwas zutraute. Als ich im November 1987 vom HSV zur Eintracht wechselte, war sie die graue Maus in der Bundesliga. Wir hatten keinen überragenden Kader. Am Ende wurden wir trotzdem Neunter und holten den Pokal, das war ein Riesenerfolg.

1987 gewannen Sie bereits mit dem HSV den DFB-Pokal. Was gaben Sie Ihren Teamkollegen mit auf den Weg?

In Berlin sagte ich ihnen, dass sie sich gar nicht darüber im Klaren sind, was es bedeutet, wenn du am Ende mit dem Pokal dastehst. Von so einem Titel zehrst du dein ganzes Leben.

Von ter Stegen habe ich noch nie so viel gehalten.

Uli Stein

Hätten Sie damals gedacht, dass es drei Dekaden dauern würde, bis die Frankfurter Eintracht wieder einen Titel holt?

Nein. Zumal wir uns in den folgenden Jahren systematisch verbesserten. In den 90er Jahren hatten wir eine tolle Mannschaft mit Bein, Yeboah, Möller, Okocha, Gaudino und hinten Binz. Mit dieser Qualität hätten wir Deutscher Meister werden müssen.

Nach der schweren Verletzung von Manuel Neuer legte sich Bundestrainer Hansi Flick auf Marc-André ter Stegen als neue Nummer 1 fest. Kevin Trapp ist die Nummer 2. Wer ist in Ihren Augen der Beste?

Trapp, weil er in den vergangenen eineinhalb Jahren die besten und konstantesten Leistungen gebracht hat. Nur das zählt. Ter Stegen kann ich aus der Entfernung zwar nicht ganz so gut beurteilen, aber ich habe von ihm noch nie so viel gehalten. Er war sicher immer einer der vier, fünf besten Torhüter in Deutschland, aus meiner Sicht aber nie auf dem Sprung zur Nummer 1.

Rechnen Sie damit, dass Neuer noch einmal zu alter Stärke zurückfindet?

Das kann ich mir nicht vorstellen. In der Nationalmannschaft habe ich seine Leistungen schon lange nicht mehr so gut gesehen. Bei der letzten WM war er an vier der fünf Gegentore beteiligt. Im Verein kommt er vielleicht noch mal zurück, aber seine Zeit in der Nationalmannschaft ist vorbei.

Dieses Interview erschien erstmals in der Ausgabe vom 13. April - hier können Sie sich den kicker als eMagazine im Flex-Abo sichern.

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