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Bouldern: Wie Yannick Flohé ein Fußbruch in die Weltspitze brachte

Sportklettern: Ein Schocknachricht wendet sich ins Gegenteil

Flohé: Fußbruch als Grundlage für den Durchbruch Richtung Weltspitze

Erst Fußbruch, dann Schwächen beseitigen: DAV-Athlet Yannick Flohé.

Erst Fußbruch, dann Schwächen beseitigen: DAV-Athlet Yannick Flohé. IMAGO/Eibner Europa

Aus Innsbruck berichtet Bernd Staib

Die ersten drei Plätze im Boulder-Gesamtweltcup gingen komplett an Japan: Gold holte Yoshiyuki Ogata, Silber Tomoa Nasaraki und Bronze Kokoro Fujii. Deutlicher als dieses Bild eines rein japanischen Podiums kann man die asiatische Dominanz kaum ausdrücken. Die Relevanz solcher Erfolge geht damit einher, schließlich genießt ein Tomoa Nasaraki, todtrauriger Olympia-Vierter in Tokio, in seiner Heimat in etwa den Status eines Leon Goretzka, inklusive der entsprechenden Werbeverträge.

Nach Japan auf dem Podest kommt aber Yannick Flohé. Für den 22-Jährigen war der erste Weltcupsieg in Brixen ein Meilenstein, auch wenn der gebürtige Essener schon zuvor hervorragende Ergebnisse einhemste. "Ich bin ganz zufrieden mit meiner bisherigen Saison", sagt Flohé beim Gespräch in der Cafeteria des Zuschauerbereichs des Innsbrucker Kletterzentrums am Tag nach dem letzten Boulder-Weltcup. Das mit der gefühlten Zufriedenheit kann man gerne als leichte Untertreibung durchgehen lassen, denn angesichts der Erfolge begann das Jahr 2022 maximal schlecht.

Weil ich nach drei Wochen aber immer noch nicht in einen Schuh reinkam, bin ich nochmal zum Arzt und am Ende kam ein Fußbruch raus.

Yannick Flohé

Am 2. Januar verletzte er sich, beim Bouldern am Fels fiel ihm ein Stein auf den Fuß. Die erste Diagnose stellte eine vielleicht doch nicht so schlimme Bänderverletzung in Aussicht. "Weil ich nach drei Wochen aber immer noch nicht in einen Schuh reinkam, bin ich nochmal zum Arzt und am Ende kam ein Fußbruch raus", erzählt Flohé.

Klettern ohne Füße: "Ungestört die Schwächen" ausmerzen

Was sich in der Saisonvorbereitung wie eine Hiobsbotschaft anhörte, erwies sich in der Rückschau als Glücksfall. "So konntest du ungestört an deinen Schwächen arbeiten", wirft Flohés DAV-Kollege Alex Megos scherzhaft und gewollt provozierend ein.

Allerdings dürfte in dieser kleinen Frotzelei auch ein Fünkchen Wahrheit liegen, denn Flohé konnte in der Tat die Saison bis Ende April nach seinem Gusto angehen. Keine Leistungstests, keine internen Verbands-Wettkämpfe, einfach nur auf die Rückkehr hinarbeiten. "Ich habe mir einen Spezialschuh angezogen und bin in niedriger Höhe nur mit den Armen geklettert", beschreibt er seinen Wiedereinstieg ins echte Training - begonnen hatte dies zwei Tage nach der Fußbruch-Diagnose.

Tomao Nasaraki (li.), Yushiyuki Ogata und Kooro Fugii.

Nur aufgehende Sonne: Tomao Nasaraki (li.), Yushiyuki Ogata und Kooro Fugii. Photo: Dimitris Tosidis / IFSC

Blickt man auf das Halbfinale beim Boulder-Weltcup in Innsbruck, erschließt sich dank dieser Info plötzlich glasklar, warum Flohé so souverän ins Finale einzog, nachdem er zum Auftakt des Wettbewerbs noch seine "schlechteste Qualifikation" hingelegt hatte. Er brillierte mit dynamischen Zügen und toppte die ersten drei der insgesamt vier Halbfinal-Boulder, so dass sein drittes Finale in dieser Saison zu Buche stand.

Boulder-Gesamtweltcup: Erster hinter den japanischen "Superheroes"

Natürlich war er als Letzter der finalen Runde "ein bisschen frustriert" mit dem Ausgang, doch Platz vier in der Gesamtwertung hinter den japanischen "Superheroes", wie er das Trio Ogata, Nasaraki und Fujii selbst bezeichnete, wiegt das auf. Sein Fokus geht jetzt auf die Weltcup-Saison im Lead-Weltcup, der am heutigen Samstag ebenfalls in Innsbruck startet.

Olympia in Paris ist längst im Kopf

Mittelfristig kreisen die Gedanken aber um die Olympia-Qualifikation. "Ganz klar mein Ziel", sagt Flohé nachdem er sich für die olympische Premiere in Tokio auch wegen der Länderkontingent-Regel hauchdünn nicht qualifizierte. In Paris 2024 wird um die Goldmedaille in einer neuen Kombinationswertung geklettert - nämlich bestehend aus Bouldern und Lead.

Der amtierende Weltmeister in dieser Misch-Disziplin heißt: Yannick Flohé.