Südwest

Die Stuttgarter Kickers verpassen die Krönung

Rückblick zur Fabelsaison der Blau-Weißen

Eine fast perfekte Saison: Die Stuttgarter Kickers verpassen die Krönung

Kevin Dicklhuber und die Stuttgarter Kickers müssen in der kommenden Saison einen neuen Versuch im Aufstiegsrennen der Regionalliga Südwest hinlegen.

Kevin Dicklhuber und die Stuttgarter Kickers müssen in der kommenden Saison einen neuen Versuch im Aufstiegsrennen der Regionalliga Südwest hinlegen. IMAGO/Fussball-News Saarland

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Eigentlich war alles angerichtet. Mit einem zarten Vorsprung an der Tabellenspitze hätten die Stuttgarter Kickers am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen den FC 08 Homburg ihre fabelhafte Saison krönen und aus eigener Kraft den Aufstieg in die 3. Liga realisieren können. Statt Aufstiegsekstase unter den Fangesängen "der SVK ist wieder da" hallte nach der 0:3-Pleite gegen Homburg aber nur ein enttäuschtes Raunen von den Rängen, auf denen tausende Blau-Weiße die Profi-Rückkehr nach acht Jahren Abstinenz herbeigesehnt hatten. Dass ausgerechnet der Lokalrivale VfB Stuttgart II im Parallelspiel die Meisterschaft perfekt machte, streute zusätzliches Salz in die klaffende Wunde der Kickers. Nun heißt es also, einen neuen Versuch zu wagen, das Trauma zu überwinden und gestärkt aus dieser Saison hervorzukommen. Ein Rückblick zu einer fast perfekten Spielzeit des Aufsteigers.

Unter dem besagten Fangesang begann die Saison mit einem dicken Ausrufezeichen, als die Kickers durch ein Tor von Kapitän Kevin Dicklhuber in der letzten Minute mit einem Auswärtssieg gegen Kickers Offenbach auf dem Bieberer Berg in die Saison gestartet waren.

"Ich denke, wir sind in der Liga angekommen", sagte SVK-Trainer Mustafa Ünal nach den ersten drei Punkten selbstbewusst. Im Rückblick lässt sich sagen: Angekommen und weiterzuziehen. Denn der Trend für die Spielzeit war direkt mit dem Eröffnungsspiel gesetzt. Während der für viele als Top-Favorit geltende OFC, genauso wie der TSV Steinbach Haiger, den der SVK am fünften Spieltag nach 0:1-Rückstand mit 3:1 schlug, nie so richtig in der Spitzengruppe ankamen, nisteten sich die Stuttgarter von Beginn an dort ein.

Eingeschworenes Kaderkonstrukt

"Die Jungs wissen jetzt, dass sie gegen jeden Gegner bestehen können und werden noch länger davon zehren", hatte SVK-Sportdirektor Marc Stein nach dem Auftaktsieg in Offenbach prognostiziert. Dass es die Mannschaft tatsächlich bis zum Ende durchziehen konnte, lag vor allem an der gelungenen Kaderzusammenstellung. Der Aufstiegskader um Routiniers wie Kapitän Dicklhuber, David Braig, Nico Blank oder Lukas Kiefer wurde zusammengehalten. Der Großteil dieser Spieler machte, wie das Innenverteidiger-Duo Paul Polauke und Niklas Kolbe, nach dem Aufstieg noch einmal einen Entwicklungsschritt.

Dieses eingeschworene Kaderkonstrukt wurde clever ergänzt durch Neuzugänge, die bereits über höherklassige Erfahrung verfügten. Christian Mauersberger (43 Drittliga-Spiele) und Sinan Tekerci (1 Bundesliga-Einsatz, 103 Drittliga-Spiele) bereicherten die ohnehin schon torgefährliche Offensive um Dicklhuber und Braig mit Tempo und Kreativität. Rechtsverteidiger Marcel Schmidts (über 120 Regionalliga-Spiele) und vor allem Torwart Felix Dornebusch (24 Zweitliga-Spiele) stabilisierten die Defensive. "Wir wollten auch Persönlichkeiten dazu holen, die Führung übernehmen und als Spieler auf und neben dem Platz vorangehen", unterstrich Stein die Bedeutung der Neuzugänge.

Dazu kam die Lust auf die Regionalliga nach einem halben Jahrzehnt Fünftklassigkeit und Gegnern wie Oberachern, Holzhausen oder Rielasingen sowie dem viermaligen knapp und teilweise hochdramatisch verpassten Aufstieg. "Das sind Ereignisse, die bleiben hängen und daraus ziehen wir immer noch unsere Kräfte", erklärte Polauke während der Saison. Das gilt auch für die Fans. Die Aufstiegseuphorie wurde uneingeschränkt mitgenommen. Über 5.000 Zuschauer kamen im Schnitt auf die Waldau.

Bereits im ersten Heimspiel übernahmen die Kickers mit einem 7:0 gegen den Mitaufsteiger TuS Koblenz erstmals die Spitzenposition, die sie nach 23 der 34 Spieltage inne hatten. Die Aufstiegsträume der Fans wurden speziell von September bis März mit einer Serie von 16 ungeschlagenen Spielen in Folge weiter befeuert. Nach dem 23. Spieltag hatte der Aufsteiger sieben Punkte Vorsprung auf Platz zwei und die Rufe von außen nach dem Durchmarsch wurden immer lauter. Von Vereinsseite aus hielt man sich bedeckt. "Wir wollen fokussiert bleiben und schauen nur auf uns", versuchte Stein stets die Erwartungen auf dem Boden zu halten. "Wir müssen in jedem Spiel an unser Leistungslimit, um zu punkten", so die Devise des Sportdirektors.

Leistungsdelle bleibt unbestraft

Das bekam das Team ab Frühjahr zu spüren. Erste Verschleißerscheinungen machten sich breit. Krankheits- und verletzungsbedingte Ausfälle von Leistungsträgern zwangen Ünal immer wieder zu Wechseln. Eingespieltheit und Leichtigkeit kamen dem Team etwas abhanden. Auf einmal hatte der Aufsteiger doch etwas zu verlieren. Sowohl Ende März als auch Ende April gab es jeweils eine Serie, in der man nur einen Punkt aus drei Spielen holte. Speziell die 0:5-Klatsche im Spitzenspiel in Hoffenheim traf die Blauen. Nach einigen Patzern in der Saisonendphase wurde Torwart Dornebusch, obwohl er in fast der Hälfte aller Saisonspiele ohne Gegentor blieb und den Kickers zahlreiche Punkte sicherte, zum Buhmann für einige SVK-Fans.

Die Kehrseite eines Traditionsvereins traf diesen mit voller Wucht. Viele schienen schnell vergessen zu haben, woher man kam. Zwar schmolz der Vorsprung in der Tabelle auf einen Zähler zusammen, doch die Kickers behielten die Aufstiegschance ab dem 14. Spieltag durchgehend in der eigenen Hand. Das 2:2 nach 0:2-Rückstand im Stadtderby gegen den VfB Stuttgart II entwickelte sich zwischenzeitlich zu einem goldenen Punktgewinn in einer schwierigen Phase. "Wir haben viel miteinander geredet, weil die Wochen davor nicht so liefen, wie wir es uns vorgestellt haben. Heute hat man wieder das Gesicht dieser Mannschaft gesehen", sagte David Braig nach der Energieleistung zum 1:0-Heimsieg gegen den SGV Freiberg am vorletzten Spieltag. Dieser ermöglichte, dass die Kickers zwar mit breiter Brust ins Saisonfinale marschieren konnten, reichen sollte es am Ende aber dennoch nicht für die Drittliga-Rückkehr.

Acht Jahre nach dem Abstieg aus der 3. Liga ist der SVK, der immer noch auf Rang 8 der Ewigen Zweitliga-Tabelle steht und 1988/89 sowie 1991/92 sogar Erstligist war, zwar nicht zurück im Profifußball, aber dennoch bestens vorbereitet: Stadion und Rahmenbedingungen sind bereits Drittliga-tauglich, Trainer Mustafa Ünal soll bei der Bewerbung zum Pro-Lizenz-Lehrgang unterstützt werden und die Kaderplanung läuft auf Hochtouren. Mit Kapitän Dicklhuber, Braig, Blank, David Kammerbauer, Loris Maier und Flamur Berisha haben wichtige Spieler in den vergangenen Wochen ligaunabhängig verlängert. Weitere Leistungsträger wie Mauersberger, Tekerci und Dornebusch haben ohnehin noch länger gültige Verträge. Außerdem wird Stein die ein oder andere Drittliga-erfahrene Verstärkung hinzuholen. Und die Kickers-Fans werden in der nächsten Saison, zwar nicht in Dresden, Mannheim oder Bielefeld, aber dennoch mit voller Überzeugung ihre Farben nach vorne peitschen. Vielleicht heißt es dann in einem Jahr endlich: "Der SVK ist wieder da!"

Daniel Haug

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