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Dr. Michael Gerlinger vom FC Bayern im Interview über Super League

Über Bayern, ECA und die Super League

Dr. Gerlinger im Interview: "Es war bedrohlich, ja"

Seit Mittwoch Vize-Präsident der ECA: Dr. Michael Gerlinger.

Seit Mittwoch Vize-Präsident der ECA: Dr. Michael Gerlinger. imago images

Es waren anstrengende drei Tage. Der Stress begann für Dr. Michael Gerlinger, als ihn am Sonntag um 8 Uhr Aki Riihilahti aus Helsinki anrief. Der frühere Profi des 1. FC Kaiserslautern firmiert als Geschäftsführer beim finnischen Rekordmeister HJK und informierte den deutschen Partner über das Thema Super League. Dieses Problem ist mittlerweile entschärft.

An diesem Mittwoch wurde Gerlinger, der Direktor Recht des FC Bayern, zum ersten Vizepräsidenten der ECA berufen als Nachfolger des bisherigen Amtsinhabers Pedro Lopez Jimenez (78, Vizepräsident von Real Madrid). Die Position des ECA-Vorsitzenden hat nun nach dem Abschied des Vorgängers Andrea Agnelli (45/ Präsident von Juventus Turin) Nasser Al-Khelaifi (47), der Präsident von Paris Saint-Germain.

Herr Dr. Gerlinger, wie waren die vergangenen drei Tage?

Im höchsten Maße anstrengend, ich habe ganz wenig geschlafen. Diese Tage im April 2021 werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Ich bin müde, aber auch glücklich.

Sie sind an diesem Mittwoch zum First Vice Chairman, also zum ersten Vizepräsidenten der ECA, der europäischen Club-Vereinigung, gewählt worden. Wie lange gilt diese Amtsperiode?

Offiziell haben wir noch eine Periode bis 2023, die wir heute so übernommen haben. In den kommenden Tagen wird entschieden, ob noch eine Bestätigung der Mitgliederversammlung erfolgen wird. Wir wollten zunächst handlungsfähig bleiben.

Was ist Ihre erste Aufgabe in dieser neuen Position?

Es geht nun zuerst darum, einen Prozess zu entwickeln, welche Entscheidungen wann und mit wem getroffen werden.

Welche Entscheidungen sind die dringlichsten?

Am wichtigsten ist es, dass wir unser Board, unseren Vorstand, wieder komplett aufbauen. Sieben der 25 Mitglieder haben uns verlassen. Wir werden die Neuaufstellung des Boards in den nächsten zwei Wochen überdenken und parallel mit der UEFA reden. Mit dem europäischen Dachverband werden wir von der europäischen Klubvereinigung ganz eng zusammenarbeiten mit Blick auf alle anstehenden Themen. Wir hatten in der vergangenen Woche Entscheidungen getroffen, von denen wir dachten, alle Mitglieder würden dahinter stehen.

Ist die Einheit der verbliebenen Mitglieder stabil?

Ja, wir stehen weiter zu den Entscheidungen, die wir am vergangenen Freitag im Board getroffen haben.

Beziehen sich die Entscheidungen auf die Reform der Champions League ab 2024?

Unter anderem, ja. Dazu gab es noch interne Entscheidungen sowie - zusammen mit der UEFA - strukturelle über die Kooperation in unserer gemeinsamen Vermarktungsgesellschaft.

Ja, davon gehen wir aus.

Dr. Gerlinger auf die Frage, ob die Super League definitiv beendet ist

Nach den Ereignissen um die geplante Super League drängt sich der Eindruck auf, dass den europäischen Fußball nun ein tiefer Riss, wenn nicht Krater, durchzieht. Wie geht es da weiter?

Für die Mitglieder im ECA-Board war es ermutigend, den Zusammenhalt von allen zu spüren. Das Board wurde zusammengeschweißt und viel Energie freigesetzt. Anders als es manche anderen in den vergangenen Tagen und Wochen taten, werden wir ganz offen und transparent auf alle Personen und Vereine zugehen oder abwarten, ob sie auf uns zugehen.

Sie sprechen von den abtrünnigen Klubs?

Ja. Es ist nicht so, dass der Fußball in Europa aus einem Lager hier und einem Lager dort besteht.

Wie ist es denn?

Es haben sich am Sonntagabend zwölf Vereine aus der ECA verabschiedet mit Kündigungen. Wenn ich es richtig verstehe, verfolgen sie diesen Plan nicht weiter. Jetzt warten wir deren Position in den kommenden Wochen ab. Unsere Position - und das ist die von mehr als 240 Mitgliedern - hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten nicht verändert. Es gibt keinen Riss zwischen den ECA-Klubs, auch wenn wir zwölf prominente Mitglieder verloren haben. Allerdings gehe ich davon aus, dass einige von denen zurückkommen.

Bisher gab es kein Comeback oder die Ankündigung einer Rückkehr eines dieser zwölf Klubs?

Nein. Bisher sind wir nicht kontaktiert worden.

Werden die Pläne zur Super League komplett eingestampft? Oder ist mit irgendwelchen Novellierungen und neuen Versuchen zu rechnen?

Dazu fehlen mir die Informationen.

Gehen Sie und die ECA davon aus, dass diese Geschichte mit der Super League definitiv beendet ist?

Ja, davon gehen wir aus. Wir haben die Statements der Klubs gelesen, sie waren relativ deutlich, zuletzt das aus Turin. Spekulationen sind da überflüssig.

Das heißt, es geht wie geplant weiter mit der Champions League im jetzigen Format und der Reform ab 2024?

Die Klubs wurden über eine Art 'Investitionsprämie' gelockt.

Dr. Gerlinger

Ja.

Und das geht so einfach?

Es wäre beinahe etwas passiert, was ich nicht nachvollziehen kann und zum Glück vorbei ist.

Agnelli wurde Karl-Heinz Rummenigges Nachfolger an der ECA-Spitze. Was bedeutet dessen Schritt für die ECA als Institution und für die Mitglieder und Partner menschlich?

In Bezug auf Einzelpersonen sind Dinge passiert, die nicht positiv und auch nicht zu tolerieren sind.

Von den Gegenplänen hat der große Rest tatsächlich überhaupt nichts mitbekommen?

Nein. Im Gegenteil: Die Vorstellung, die uns vermittelt wurde, war, dass die Vereinbarung einer erfolgreichen Kooperation mit der UEFA der sichere Meilenstein sei, eine Super League zu verhindern.

Fiel es dem FC Bayern schwer, den Verlockungen dieser extremen Summen - allein 233 Millionen für den Einstieg in diese Liga - zu widerstehen?

Nein, keinesfalls. Viele der in diese Pläne involvierten Klubs haben ganz offensichtlich finanzielle Schwierigkeiten und wurden über eine Art 'Investitionsprämie' gelockt. Aber diese Vorab-Prämie ist doch ohnehin nicht die richtige Maßnahme zur Deckung der Verluste, sondern richtig ist allein die Kostendeckung.

Wie weit ist da der Fußball in seinem Bewusstsein und der praktischen Umsetzung?

Es ist völlig klar, dass Financial Fairplay zu den Themen gehört, die wir mit der ECA nachhaltig angehen müssen. Aber wann und in welcher Intensität wir darüber sprechen werden, steht noch nicht fest.

Wie sieht es mit einer ebenfalls diskutierten Gehaltsobergrenze sowie einer Limitierung der Agentenhonorare aus?

Da sind wir mit der FIFA in Diskussionen, weil wir nicht die ganz gleichen Vorstellungen haben derzeit. Da steht zudem die Drohung von Rechtsstreitigkeiten im Raum. Wann es da weitergeht bei der FIFA, ist schwer zu beurteilen.

Bleibt nun von dieser Aktion Super League ein riesiger Scherbenhaufen für den Fußball? Oder entsteht eine neue Solidarität?

Unser Board war sich heute einig, dass eine positive Energie freigesetzt wurde. Es war bedrohlich, ja, aber so viele Menschen und unterschiedlich denkende Organisationen haben am selben Strang gezogen. Unser Board-Meeting war lang, aber nicht langweilig, weil sich jeder einbringen wollte. Ob es die UEFA oder die Spielergewerkschaft Fifpro ist, ob es die Ligen und die Fans sind: Die Einigkeit war groß und klar. Und auch wenn wir wieder unterschiedliche Meinungen haben werden, ist die Basis aller dieselbe und wird nicht infrage gestellt.

Und diese Basis ist der Fußball als sportlicher Wettbewerb?

Ja, der Fußball muss ein offener Wettbewerb sein und darf nicht nur ein Industriezweig sein. Das sollte jetzt jedem klar sein.

Außerdem wurde die umstrittene Reform der Champions League von der Aufregung um die Super League verdrängt?

Es geht weiter um das Format, das die UEFA nach einer Anregung von Ajax Amsterdam entwickelt hat und die ECA grundsätzlich unterstützt.

Wird sich Ihr Leben als Vizepräsident ändern?

In die ECA war ich seit der Gründung schon immer stark involviert. Der Titel unter dem Namen ist da egal.

Was wird Karl-Heinz Rummenigge mit seiner Rückkehr in die UEFA-Exekutive einbringen?

Er wird ein ruhender Pol in hektischen Zeiten sein.

Interview: Karlheinz Wild