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Erzgebirge Aue | Ex-Trainer Aleksey Shpilevski im Interview

Ex-Auer Trainer Aleksey Shpilevski im Interview

"Diesen Wechsel als Fehler zu bezeichnen, wäre despektierlich"

Seine Zeit in Aue war von kurzer Dauer: Aleksey Shpilevski.

Seine Zeit in Aue war von kurzer Dauer: Aleksey Shpilevski. imago images/Jan Huebner

Herr Shpilevski, Ihr Rechtsstreit mit Aue ist mittlerweile beendet und Sie bei Aris Limassol unter Vertrag. Zeit, Frieden mit Erzgebirge zu schließen?
Wir haben eine einvernehmliche Lösung gefunden und damit möchte ich es auch belassen.

Die Wunde, die Ihr glückloses Engagement hinterlassen hat, scheint sehr tief zu sein.
Dabei will ich mich aber auch nicht von der Verantwortung entziehen, denn die sportlichen Ergebnisse bis zum 7. Spieltag von 34 Spielen habe ich zu verantworten. Die öffentliche Berichterstattung war aber nach meinem Empfinden zu Teilen unberechtigt und sehr einseitig.

War es ein Fehler, in die 2. Liga zu wechseln?
Nein. Die 2. Liga ist eine der stärksten zweiten Ligen der Welt. Diesen Wechsel als Fehler zu bezeichnen, wäre despektierlich. Er war ein Gewinn für meine Trainerlaufbahn. Ich danke daher dem Präsidenten Helge Leonhardt und dem Klub für das entgegengebrachte Vertrauen. Wir hatten bei Aue ein langfristiges Projekt vor, die Mannschaft nachhaltig und sukzessive zu sportlichen Erfolgen zu führen. Dass solch ein großer Umbruch nicht von heute auf morgen geht, ist denke ich auch klar. Mit etwas mehr Zeit hätte sich das langfristig ausgelegte Projekt auch ausgezahlt. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.

Können Sie das präzisieren?
Als das Angebot kam, bei Aue Trainer zu werden, war ich Feuer und Flamme. Ich habe es als Riesenchance gesehen, als nächsten Schritt in meiner Trainerkarriere in Deutschland bei Aue zu arbeiten. In einer Liga, die absolut großartig ist. Leider lief die Vorbereitung nicht optimal.

In welcher Form?
Wie öffentlich bekannt ist, war der Kader selbst nach fünf Spieltagen noch immer nicht vollzählig. Spieler mussten gehen und andere sind gekommen. Der adäquate Ersatz konnte aus vielerlei Gründen nicht verpflichtet werden. Bestimmte Spieler hatten bzw. mussten ohne Saisonvorbereitung ihre Punktspiele bestreiten. Ich muss keinem erzählen, dass es Zeit braucht, bis sich eine zum Teilen neue Mannschaft unter einem neuen Trainer erst finden und einspielen muss und es Zeit benötigt eine veränderte Spielphilosophie, zu vermitteln.

Was haben Sie sich selbst vorzuwerfen?
Ich hätte mehr bei mir bleiben und meine Vorstellung von Fußball vielleicht etwas moderater an den mir zur Verfügung gestellten Kader vermitteln müssen und auch mein gesamtes sportliches Trainerteam danach auswählen.

Wen meinen Sie?
Dazu werde ich nichts sagen. Es gab und gibt sicher noch Leute, die Ihr Besitzstandsdenken über das Wohl der Mannschaft und des Vereins stellen und die Veränderungen im Weg stehen, die möglicherweise zulasten der eigenen Karriere gehen würden.

Kritiker sehen Sie als Auslöser dieser Entwicklung und werfen Ihnen vor, mit Ihren Vorstellungen die Aufgabe unter- und die Mannschaft überschätzt zu haben.
Kritik ist berechtigt, wenn Sie sachlich ist. Klubchef Helge Leonhardt hatte schließlich bei der Entlassung von Dirk Schuster öffentlich gesagt, man wolle neue sportliche Impulse setzen. Der Klub erhoffte sich von mir genau den Trainer, der ich bin, der für schnellen, dynamischen und progressiven Fußball steht. Dass man die dazu nötigen Veränderungen und Ideen nachhaltig mitträgt, daran habe ich geglaubt und ich denke, dass das auch der Präsident getan hat. Mir tut es aber vor allem für die Fans und das Umfeld von Aue leid. Ich hätte Ihnen gerne den sportlichen Erfolg gebracht.

Sie hätten sich zu allem Überfluss bei Ihrer Amtseinführung despektierlich über ihren Vorgänger geäußert.
Das entspricht nicht der Wahrheit. Ich begegne jedem Trainerkollegen mit Respekt. Sofern das anders rübergekommen ist, entschuldige ich mich aufrichtig gegenüber Dirk Schuster.

Was sagen Sie zum Vorwurf, Ihre Kaderplanung wäre völlig danebengegangen?
Die Kritik ist nicht logisch und richtet sich an den falschen Adressaten. Ich bin als Trainer eingestellt worden und damit weder als Sportdirektor noch als Sportvorstand. Ich darf, wie auch sonst kein Trainer es darf, keinen einzigen Transfer eigenmächtig umsetzen. Dennoch brauchte der Kader eine Umstrukturierung in Sachen Qualität, um den geforderten Fußball auf den Platz zu bringen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Trotzdem haben Sie Torjäger Pascal Testroet an den direkten Konkurrenten Sandhausen abgegeben.
Ich betone noch einmal, dass ich nicht dazu befähigt war, eigenmächtig Spieler zu veräußern oder zu kaufen. Ich habe aber natürlich auch meine sportliche Sicht zu dem Spieler mitgeteilt, nachdem ich mit vielen Personen aus dem Klub zur damaligen Kadersituation unterhalten habe, wurde mir immer wieder suggeriert, dass Pascal kein gutes Standing bei der Mannschaft habe.

Obwohl Testroet ein ausgewiesener Torjäger war.
Ich muss offen zugeben: Unterm Strich war das von meiner Seite eine sportliche Fehlentscheidung, ohne Pascal die Saison zu spielen, auch vor dem Hintergrund, Pascal zu einem direkten Konkurrenten wechseln zu lassen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Leider habe ich mich in der Meinungsbildung zu sehr beeinflussen lassen und war voreingenommen. Daraus habe ich gelernt.

Was zum Beispiel?
Dass ich künftig bei mir bleibe und mehr auf mein eigenes Empfinden, welches mich in der Vergangenheit häufig nicht getäuscht hat, und mir vertraute Personen höre.

Trotz aller Widrigkeiten ging es in der Liga mit drei Remis gegen Nürnberg, St. Pauli und Schalke nicht schlecht los. Dann folgten allerdings vier Partien ohne Sieg. Was ist plötzlich passiert?
Das Auftaktprogramm hatte es mit dem derzeitigen Tabellenführer Schalke, dem Drittplatzierten St. Pauli und dem Aufstiegskandidaten Nürnberg in sich. Wir haben nicht nur unentschieden gespielt, sondern auch taktisch und kämpferisch überzeugt. Die Spiele hätten auch mit Siegen enden können, dann wäre die Saison sicherlich ganz anders gelaufen, wovon ich fest überzeugt bin.

Gab es einen Moment, den Sie als Knackpunkt benennen würden?
Die Saison war an Spieltag 7 von 34 noch jung. Es waren noch 81 Punkte zu vergeben. Einen Knackpunkt gab es daher nicht.

Drei Spiele später gegen Paderborn knallte es. Erst in der Kabine und später in der Klubführung, die sie freistellte.
Das war eine unrühmliche Geschichte, über die ich eigentlich nicht mehr groß reden möchte. Die Presse hatte reichlich dazu berichtet.

Wie sind die Lehren aus der Geschichte?
Ich weiß, was ich zu leisten im Stande bin. Mit Qairat Almaty, wo die Bedingungen überragend waren, habe ich die Basis dafür geschaffen, dass wir den Seriensieger FC Astana als Meister abgelöst haben, was sich nun auch in meiner neuen Tätigkeit bei Aris Limassol nun in der Meisterrunde zeigt.

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Jetzt sind Sie auf Zypern tätig. Ein Auf- oder ein Abstieg?
Nach meiner Zeit in Aue wollte ich die zu mir passende Aufgabe übernehmen. Und das Gefühl hatte ich dann bei Aris tatsächlich gespürt. Ich kann bisher nur Positives berichten. Land und Leute sind sehr warmherzig. Die Arbeit mit der Mannschaft macht sehr viel Spaß. Alle sind offen und lernwillig. Ich bekomme alle nötige Unterstützung von Klubseite. Die Mannschaft befand sich noch vor ein paar Wochen vor meiner Übernahme in einer sportlich sehr schwierigen Situation, hatte gefühlte Ewigkeiten nicht gewonnen. Jetzt sind wir in der Meisterrunde gut dabei und spielen um die internationalen Plätze.

Wird es vielleicht noch zum Titel reichen, den Alexander Zorniger mit Lokalrivale Apollon Limassol anstrebt?
Wir werden nichts unversucht lassen und bleiben bis zum Schluss dran. Aber das wird sehr schwer, zumal wir mit Ausfällen zu kämpfen haben. Unser Torjäger Mariusz Stepinski hat sich die Achillessehne gerissen, Kevin Monnet-Paquet fällt mit einem Kreuzbandriss aus, Warren Babicka Shavy, einen unserer talentiertesten Spieler, plagen Adduktorenprobleme. Das sind Ausfälle, die wir schwer kompensieren können, ich werde aber mit meinem tollen und kompetenten Trainerteam alles daran setzen, um unsere Ziele trotz dieser Widerstände zu erreichen.

Was ist für Sie und Aris nächste Saison drin?
Ich bin voller Ehrgeiz und Tatendrang und will natürlich immer das Maximum erreichen. Wir wollen auf jeden Fall um die Meisterschaft spielen. Ich bin sehr optimistisch, fühle mich ein bisschen wie bei Qairat Almaty. Die Bedingungen sind ähnlich optimal, wenn auch etwas kleiner angelegt.

Wo siedeln Sie den zypriotischen Fußball an?
Technisch sehr gut und sehr emotional. Ein paar Klubs wie Apollon, Apoel, AEK und unsere Wenigkeit könnten meines Erachtens in der 2. Bundesliga sportlich jedenfalls oben mitspielen. Generell ist die Liga aber sehr ausgeglichen, wo jeder jeden schlagen kann.

Sie scheinen Ihr Glück gefunden zu haben. Ist mit Aue auch Deutschland für Sie jetzt abgehakt?
Ich bin momentan sehr glücklich und nur auf Aris fokussiert. Was in der Zukunft ist, kann niemand sagen. Deutschland wird aber immer ein Ziel bleiben.

Interview: George Moissidis