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Die Tour de France als Belohnung: Greipels Rückkehr an die Spitze

Auch mit 38 Jahren noch voller Ambitionen nach überraschender Nominierung

Die Tour als Belohnung: Greipels Rückkehr an die Spitze

André Greipel feiert seinen zweiten Saisonsieg im Mai in Andalusien. Mit ihm freut sich Teamkollege Rick Zabel.

André Greipel feiert seinen zweiten Saisonsieg im Mai in Andalusien. Mit ihm freut sich Teamkollege Rick Zabel. picture alliance

Zwischen den Karrieresiegen 156 und 157 lag eine über zweijährige Durstrecke. Mehrfach fehlten nur Zentimeter. Keine einfache Zeit für einen erfolgsverwöhnten Profi wie Greipel, der auch im Spätherbst seiner Karriere bei jedem Massensprint nur ein Ziel hat: zu gewinnen. Umso größer war die Erleichterung, als Mitte Mai in Spanien der Bann gebrochen war. Schon war das Selbstvertrauen zurück. Nur fünf Tage darauf fuhr er bei der Andalusien-Rundfahrt erneut als erster über die Ziellinie - vor namhaften Konkurrenten wie dem Ex-Weltmeister Mads Pedersen und dem Norweger Alexander Kristoff.

Es folgte vor wenigen Tagen eine Belohnung, mit der wohl selbst der gebürtige Rostocker nicht mehr gerechnet hatte: Die Nominierung für die Tour de France. Der Rundfahrt, der er mehrfach seinen Stempel aufgedrückt hat, bei der er insgesamt elf Etappensiege gefeiert und gleich zweimal den prestigeträchtigen Sprint auf der Schlussetappe in Paris gewonnen hat. Und Greipel wäre nicht Greipel, würde er nicht insgeheim von einem dritten Erfolg auf der Schlussrunde um den Arc de Triomphe träumen. "Auf den Champs-Elysees zum Sieg zu sprinten, ist mit keinem anderen Sprint vergleichbar. Dieses Gefühl spornt mich am meisten an", berichtet Greipel.

Greipels Nominierung hat auch mit Froome zu tun

Dass er diese Chance wenige Tage vor seinem 39. Geburtstag noch einmal erhält, ist auch mit dem Schicksal seines Teamkollegen Chris Froome verknüpft. Der viermalige Tour-Sieger, der zu Beginn des Jahres vom Branchenprimus "Ineos" ins Team "Israel Start-up Nation" gewechselt ist, hätte den noch jungen Rennstall als Leader bei der Tour anführen sollen - und sein fünftes Gelbes Trikot holen. Das Tour-Aufgebot wäre in diesem Fall rein auf den Gesamtsieg ausgerichtet gewesen, für Sprinter war da kein Platz vorgesehen. Doch der 36-jährige Brite ist nach einem schweren Sturz im Juni 2019 noch immer weit entfernt von der Form früherer Tage, der Tour-Sieg liegt außer Reichweite. So kam Greipel zurück ins Rennen um die begehrten Plätze, dabei hatte er mit der Tour eigentlich schon abgeschlossen.

Kein Giro: Die Enttäuschung wurde zum Glücksfall

Doch ohne sein eigenes Zutun wäre er nicht mehr auf den Frankreich-Tross aufgesprungen. Geplant war für diese Saison ursprünglich sein Start im Mai beim Giro d'Italia. Die Enttäuschung war groß, nachdem er gemeinsam mit seinem Anfahrer Rick Zabel entgegen der Planung nicht für die Italien-Rundfahrt nominiert wurde. Doch es folgten seine zwei Siege in Spanien - und letztlich wird es ihm mehr als recht sein, denn traditionell und auch in diesem Jahr bietet die Tour deutlich größere Aussichten auf Massenankünfte im Sprint als der Giro. "Das ist nicht ganz so, wie vorher geplant, aber es wird nicht weniger Spaß machen. Ich bin bereit für eine elfte Tour", so Greipel.

Wiedersehen mit dem einstigen Rivalen Cavendish

André Greipel

Auf dem Höhepunkt: Greipel gewinnt die Schlussetappe der Tour de France 2016 picture alliance

Dass der "Gorilla", wie das Kraftpaket im Radsportpeloton genannt wird, bei seiner wohl letzten Runde durch Frankreich erstmals seit 2016 tatsächlich noch einmal oben auf dem Podium steht, ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Die reinen Leistungswerte im Sprint Royale sind immer noch imposant und nahezu auf demselben Niveau wie zu absoluten Hochzeiten, doch die teils deutlich jüngere Konkurrenz hat es in sich.

Ob der Australier Caleb Ewan, der Franzose Arnaud Demare, der mehrfache Weltmeister Peter Sagan, der belgische Ausnahmekönner Wout van Aert und viele andere - auf den letzten Metern vor der Ziellinie wird es bei den Ankünften hart zu Sache gehen. Und dann ist da ja noch Greipels einstiger Rivale Mark Cavendish, dessen überraschende Nominierung einige Parallelen aufweist. Doch wenn der Routinier gute Beine hat und in aussichtsreicher Position zum Antritt kommt, ist ihm noch immer alles zuzutrauen.

Moritz Kreilinger

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