WM

Schiedsrichter der WM 2022: Frauenpower und Sieberts Debüt

Brych als Warnung

Die Referees in Katar: Frauenpower und Sieberts WM-Debüt

Stephanie Frappart ist eine von drei Schiedsrichterinnen in Katar.

Stephanie Frappart ist eine von drei Schiedsrichterinnen in Katar. IMAGO/ANP

Eine Art Mogelpackung war es noch im vergangenen Jahr. Die erste Frau bei einem großen Turnier, die die kickenden Männer in die Schranken des Regelwerks verweist? Ja! Aber bitte erst mal nur neben dem Spielfeld. Die UEFA betrat bei der EM 2021 symbolträchtiges Neuland, als sie erstmals eine Frau in das Team der Unparteiischen berief. Für einen echten Schritt fehlten dem Verband offenbar aber noch Mut und Zutrauen, denn die Französin Stephanie Frappart (38) durfte nur Vierte Offizielle und Ersatz-Assistentin sein.

Nun ist mehr als ein Jahr vergangen, und ausgerechnet die zu Recht vielfach kritisierte FIFA traut sich. Der Weltverband vollzieht den echten Schritt und lässt bei der WM in Katar drei Frauen pfeifen. Nicht nur Frappart ist wieder nominiert, sondern auch Salima Mukansanga (34) aus Ruanda und Yoshimi Yamashita (36) aus Japan zählen zu den 36 Referees. Hinzu kommen die drei Assistentinnen Neuza Back (Brasilien), Karen Diaz Medina (Mexiko) und Kathryn Nesbitt (USA).

Ansetzungen noch fraglich

Während Mukansanga, die im Januar ein Afrika-Cup-Spiel pfiff, und Yamashita wie ihre männlichen Kollegen aus den anderen Kontinentalverbänden aus europäischer Sicht eher unbekannt sind, feierte Frappart Anfang November eine Premiere: Sie pfiff im berühmten Bernabeu und verhängte beim 5:1-Sieg von Real Madrid gegen Celtic Glasgow drei Strafstöße, zwei nach Handspielen. Nur eine Hand-Entscheidung traf sie nach einem On-Field-Review. Es war Frapparts zweite Champions-League-Partie, sie leitete über 50 Ligue-1-Partien sowie 2019 den UEFA-Supercup zwischen Liverpool und Chelsea.

WM 2022

Man darf nun sehr gespannt sein, welche und wie viele WM-Partien FIFA-Schiedsrichter-Chef Pierluigi Collina den drei Frauen anvertrauen wird. Bei 36 Referees aus 32 Nationen - nur Frankreich, England, Argentinien und Brasilien sind doppelt vertreten - und nur 64 Spielen ist das Gedränge groß. Interessant sind die Ansetzungen auch aus deutscher Sicht. Wann und wie oft kommt Daniel Siebert zum Einsatz nach seiner erfolgreichen Überraschungspremiere bei der EM 2021?

Neben der guten Leitung der Gruppenspiele Schottland gegen Tschechien und Schweden gegen Slowakei durfte der inzwischen 38-Jährige als Neuling gleich in der K.-o.-Runde ran und machte auch beim dänischen Achtelfinalsieg gegen Wales eine solide Figur. Trotzdem wurde Siebert von Felix Brych überstrahlt, der mit fünf EM-Einsätzen einen Rekord aufstellte.

Daniel Siebert

Die deutsche Nummer 1 in Katar: Daniel Siebert. IMAGO/Uwe Kraft

Siebert ist international die deutsche Nummer 1

Nach seinem vierten großen Turnier beendete der Münchner zum Jahresende 2021 allerdings seine internationale Karriere. Nun ist Siebert, der bis zur EM in Teilzeit Sport und Geografie unterrichtete, die deutsche Nummer 1 auf internationaler Ebene.

Eine erstaunliche Entwicklung, war der Berliner doch im Frühjahr 2021 noch die 5. Die UEFA-Verantwortlichen waren allerdings so überzeugt von ihm, dass sie ihn die drei anderen deutschen Elite-Referees Deniz Aytekin, Felix Zwayer und Tobias Stieler rechts überholen ließen.

Die EM-Nominierung kam für Siebert, seit 2014 FIFA-Schiri und nun bei über 140 Bundesliga-Partien, aus dem Nichts. Kurz vor dem Turnier nahm er noch Abiturprüfungen ab, während der EM hatte er Glück, zwischen zwei Einsätzen die Geburt seines ersten Kindes in Berlin nicht zu verpassen. Seitdem lässt er den Lehrerjob ruhen, um sich auf die Schiri-Aufgaben zu konzentrieren und viel Zeit für die Familie zu haben. Ein Geschwisterchen der kleinen Tochter ist unterwegs, Geburtstermin ist aber diesmal weit nach Ende des Turniers.

Negativbeispiel Brych - Siebert ist gewarnt

Dass eine WM wiederum schnell im Frust enden kann, erfuhr Brych 2018. Obwohl er mit doppelter Turniererfahrung und als Weltschiedsrichter 2017 nach Russland reiste, musste er nach einer umstrittenen Entscheidung im Spiel Serbien gegen die Schweiz (1:2), der eine mediale serbische Hetzjagd folgte, direkt wieder heim, obwohl auch die deutsche Mannschaft ausgeschieden war.

Die acht Stadien der WM 2022 - und wo die DFB-Elf spielen wird

Siebert dürfte gewarnt sein, zumal er noch im Begriff ist, sich auf dem allerhöchsten Niveau zu etablieren. Binnen zwei Jahren wurden ihm eine Menge wichtige Spiele anvertraut: das Nations-League-Halbfinale Belgien gegen Frankreich, Königklassen-Hits wie Inter gegen Real, Atletico gegen Liverpool oder das WM-Play-off-Match zwischen Portugal und der Türkei.

Mental sei er "für die ganz großen Sachen" noch nicht vorbereitet gewesen, räumte er in der Schiedsrichterzeitung des DFB ein, "ich musste erst lernen, mit dem großen Leistungsdruck auf europäischem Top-Niveau umzugehen". National muss er sich eine große Lobby erst noch erarbeiten, da steht er im Schatten des beliebten Aytekin, der auf FIFA-Ebene auch aufgehört hat, sowie von Brych.

Fritz und Dankert komplettieren deutsche Delegation

In Katar gehört nun Siebert die Bühne. Gute Erfahrungen hat der auch wegen seiner Spieler-Erfahrung (Junioren-Berlinliga und Verbandsliga) mit gutem Gespür ausgestattete Ex-Stürmer im Emirat bereits gesammelt. Beim FIFA Arab Cup, der WM-Generalprobe vor einem Jahr, durfte er das Finale Tunesien gegen Algerien leiten.

Damals wie bei der WM an seiner Seite: seine langjährigen Assistenten Rafael Foltyn und Jan Seidel. Komplettiert wird die DFB-Delegation durch die VAR Marco Fritz und Bastian Dankert, die erstmals bei einem großen Turnier die halbautomatische Abseitstechnologie nutzen. Sie alle sind auf bestmögliche Leistungen fokussiert, werden sicher aber auch die Auftritte der neuen Kolleginnen verfolgen.

Carsten Schröter-Lorenz