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Die Besonderheit von Diego Maradonas WM 1986

Bei Messi gibt es Parallelen

Die Besonderheit von Maradonas WM 1986

Das Objekt der Begierde: Maradona (li.) wurde 1986 Weltmeister, Messi möchte 2022 nachziehen.

Das Objekt der Begierde: Maradona (li.) wurde 1986 Weltmeister, Messi möchte 2022 nachziehen. imago images (2)

Dass Diego Armando Maradona in Argentinien auch nach seinem Tod noch unglaubliche Beliebtheit genießt, hat zunächst einmal gar nichts mit Erfolg zu tun. Es geht eher um die Frage nach dem Wie.

Als der berühmte "El Grafico"-Journalist Borocoto 1928 die Identität der entstehenden Fußballnation Argentinien skizzieren sollte, beschrieb er "einen armen Jungen mit dreckigem Gesicht, funkelnden Augen und einem schelmischen Lachen. Auf dem Kopf trägt er eine Mähne, die gegen jeden Kamm rebelliert; seine Haltung charakteristisch, als würde er mit einem Ball aus Lumpen dribbeln" - und damit im Prinzip Maradona. Er verkörperte, was Argentinier leben und lieben.

Auch Maradona stand in der Kritik

Allein gewiefter Spielwitz reichte dann aber auch nicht aus - im Vorfeld der WM 1986 stand Maradona in der Kritik. Seine verheißungsvolle Premieren-WM hatte 1982 mit einer Tätlichkeit beim Zwischenrunden-Aus in der "Todesgruppe" mit Italien und Brasilien geendet, auch aufgrund von Verletzungen lief der Ausnahmespieler - in Neapel damals noch titellos - anschließend drei Jahre nicht mehr für Argentinien auf.

Überhaupt hätten nur die wenigsten Argentinier einen Pfifferling auf ihre mit Skepsis und Argwohn bedachte Albiceleste gesetzt, die nach dem offensiv denkenden Weltmeistertrainer von 1978, Cesar Luis Menotti, inzwischen vom zynischen Pragmatiker Carlos Bilardo betreut wurde. Zwar reiste sein Team nicht gerade als Underdog unter den Fußballmächten nach Mexiko, die Quoten auf bevorstehende Euphorie, die in der Heimat von Maradona und den Anderen (nicht) erwartet wurde, waren allerdings in den Keller gesunken.

Die WM alleine gewonnen?

Maradona und die Anderen - das war Bilardos große Idee. Weit weg von Menottis Idealen formte der einstige Mittelfeld-Haudegen ein ziemlich europäisch daherkommendes 3-5-1-1, das tatsächlich auch "Diego plus zehn" hätte lauten können. Denn die Aufteilung war klar: Auch wenn in einer Mannschaft von elf Mann kein Spieler irgendetwas alleine erreichen kann, traf diese bei Maradona '86 gerne gewählte Bezeichnung in einem Punkt doch irgendwie zu.

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Während die zahlreichen Abwehr- und Mittelfeldspieler für rigorose Defensive und das Behaupten und Halten des Balls zuständig waren, lastete der Auftrag für die Offensive fast ausschließlich auf Maradonas Schultern. Selbst der nominelle Mittelstürmer, Jorge Valdano von Real Madrid, ließ sich regelmäßig ins Mittelfeld oder auf den Flügel fallen - trotz vier Turniertoren (wie 2022 bis dato Julian Alvarez) vergab Valdano auch zahlreiche Großchancen (noch mehr als heuer Lautaro Martinez).

In der K.-o.-Phase zeigte Maradona ein vielleicht einmaliges Niveau

So stellten Bilardo und "die Anderen" 1986 ein nur schwer ins Wanken zu bringendes Kollektiv bereit - im Mittelfeld hervorzuheben war Lenker Jorge Burruchaga -, was aber noch keinen Titel und schon gar keine frenetischen Fans gewann. Dafür sorgte die Nummer 10, sorgte der im Turnierverlauf insgesamt 53-mal gefoulte Maradona (WM-Rekord), der Argentinien mit einem Tor (gegen Titelverteidiger Italien) und vier Vorlagen zum Gruppensieg führte. Ehe er sich in der K.-o.-Phase in einen Rausch dribbelte.

Diego Maradona bei der WM 1986

Alle gegen einen: Zwei Sekunden später schießt Maradona im Halbfinale gegen Belgien das 2:0. imago/AFLOSPORT

Unvergessen bleibt wohl auf ewig das Viertelfinale gegen England (2:1). Von außen schon aufgeladen wegen des zurückliegenden Falkland-Kriegs, auf dem Feld aufgeheizt durch Maradonas "Hand Gottes", als er das 1:0 mit seiner linken Faust erzielte. Vier Minuten später betrieb er mit seinem Solo zum "Tor des Jahrhunderts" Besänftigung höchster Güteklasse. Und seine Leistung im Halbfinale gegen Belgien (2:0, zweimal Maradona) war sogar noch besser - ein vielleicht einmaliges Niveau.

Auch Scaloni hält Messi den Rücken frei

Auch wenn Argentiniens Weg zum Titel 1986 womöglich mit schwierigeren Gegnern gepflastert war als 2022 und die Magie des damals 25-jährigen Maradona häufiger aufblitzte als die des inzwischen 35-jährigen und sehr effizient spielenden Messi: Rund um die Aufgabenverteilung in Lionel Scalonis Mannschaft gibt es einige Parallelen zum mittlerweile 36 Jahre zurückliegenden letzten WM-Titel der Argentinier.

Im Finale gegen (West-)Deutschland bereitete der von einer doppelten Manndeckung geplagte Maradona schließlich den 3:2-Siegtreffer vor, was seine direkten Torbeteiligungen auf fünf Tore (kein Elfmeter) und fünf Vorlagen schraubte. Messi steht vor dem Endspiel gegen Frankreich am Sonntag (16 Uhr, LIVE! bei kicker) bei fünf Toren (drei Elfmeter) und drei Vorlagen. Viel fehlt nicht mehr.

Niklas Baumgart

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