EM-Qualifikation

Über den Krampf zum Ziel

EM-Qualifikation: Deutschland - Türkei 0:0

Über den Krampf zum Ziel

Kicker

Eingewechselt: 46. Nerlinger 26/6 (Dortmund) für Hamann, 76. Bode 30/16 (Werder Bremen) für Ziege, 89. Dogan 23/2 (Fenerbahce) für Schneider - 69. Ergün 27/4 (Galatasaray) für Abdullah, 73. Arif 27/31 (Galatasaray) für Okan, 85. Oktay 23/13 (Siirtspor) für Tayfur - Reservebank: Lehmann (Tor), Kirsten, Jancker, Ricken - Engin (Tor), Mert, Ümit Davala, Ayhan Chancen: 6:6 Ecken: 6:2 Schiedsrichter: Pierluigi Collina (Italien - Assistenten Mazzei, Ivaldi), Note 3,5, hatte das Spiel gut im Griff, gravierender Fehler beim Abseitspfiff gegen den frei durchgebrochenen Hakan (57. Minute) Zuschauer: 63 000 in München Gelbe Karten: Scholl, Nerlinger - Abdullah, Okan, Sergen Spieler des Spiels: Sergen Spielnote: 2,5


Spieler des Spiels

Sergen Mittelfeld

1,5
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Spielnote

2,5
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Tore und Karten

Tore Fehlanzeige

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Deutschland
Deutschland

Kahn1,5 - Babbel4,5, Matthäus3, Linke5 - Hamann5,5 , Jeremies3, B. Schneider5 , Ziege4,5 - Neuville4,5, Bierhoff4, Scholl2,5

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Türkei
Türkei

Rüstü Recber3 - Alpay3,5, Ogün2,5, Fatih3,5, Ali Eren4 - Tayfun3, Tayfur3,5 , Okan Buruk3 , Abdullah2,5 - Sergen1,5 , Hakan Sükür4

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Schiedsrichter-Team

Pierluigi Collina Italien

3,5
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Spielinfo
Stadion Olympiastadion
Zuschauer 63.000 (ausverkauft)
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Wolfgang Tobien: Deutschland hatte zunächst große Probleme

Auch ohne Bode und Deisler schickte Teamchef Erich Ribbeck mit drei Sturmspitzen eine sehr offensive Mannschaft auf das Spielfeld. Sein Kollege Mustafa Denizli signalisierte mit dem Verzicht auf Arif, den dreifachen Torschützen beim 3:0 in Nordirland, und mit Hakan als einziger Spitze eine abwartende strategische Haltung.


Der Spielfilm: Glück beim Abseitspfiff Die Einzelkritik von Rainer Franzke Stimmen zum Spiel


Nach wenigen Minuten aber zeigte sich, dass das Spielgeschehen zunächst den taktischen Grundformationen total widersprach. Die Türken spielten auf Sieg und hätten mit drei Riesenchancen nach acht Minuten bereits deutlich in Führung liegen können. Der Grund für die "verkehrte Welt" im Olympia-Stadion, wo die Türken mit rund 45 000 Anhängern auch die Ränge beherrschten, lag im zentralen Mittelfeld. Ihre Vorteile hatten, ebenso wie die Probleme der Deutschen, einen Namen. Der überragende Sergen hier, der schwache Hamann da. Sergen, ein glänzender Techniker voller überraschender Ideen und ausgestattet mit dem "siebten Sinn" für die Spielentwicklung, agierte zwar als hängende Spitze hinter Hakan. Von dort ließ er sich aber immer wieder weit zurückfallen, entzog sich dadurch der Bewachung von Babbel oder Linke, sorgte für Überzahl im zentralen Mittelfeld und steuerte von dort über seine wechselweise in den Angriff vorrückenden Kollegen das gesamte Offensivspiel.

Hamann, der für den als Linksaußen von Scholl vertretenen Bode (Rückenprobleme) in die Anfangsformation gekommen war, wirkte im Zentralbereich überfordert. Nach langer Verletzungspause und gerade erst zwei Punktspieleinsätzen für Liverpool fehlte ihm die nötige Fitness und Wettkampfpraxis. Die Folge: Der Ex-Münchner stand immer wieder zu weit von seinem jeweiligen Gegenspieler entfernt und kam dadurch zu spät oder gar nicht in die Zweikämpfe, ganz zu schweigen von Impulsen für das Vorwärtsspiel. Dadurch gerieten neben dem eifrigen Jeremies eine Reihe dahinter auch die Verteidiger in Schwierigkeiten. Libero Matthäus und vor allem Torwart Kahn mussten etliche Stellungsfehler von Babbel und Linke ausbügeln.

Da auf den Außenbahnen Schneider die hochgespannten Erwartungen an den verletzten Deisler als dessen Vertreter nicht erfüllen konnte und auch Ziege weit von seiner Galaform gegen Nordirland entfernt war, lebte die Offensive allein von beherzten Einzelaktionen des quirligen Scholl. Als Team trat der Europameister erst nach der Pause in Erscheinung. Mit Nerlinger für Hamann kam weitaus mehr Dynamik, Frische, Lauf- und Zweikampfstärke ins deutsche Spiel. Die Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen funktionierte nun erheblich besser, auch wenn die Außenbahnen weiterhin Brachland blieben.

Die Türken, deren gesamte Defensive in der ersten Halbzeit dank der beiden "Flurbereiniger" hinter Sergen, Tayfun und Tayfur, so hervorragend verzahnt war, dass sie um den Ball immer mit einem Spieler mehr vertreten waren, wurden nun zusehends Opfer ihres enorm hohen Tempos. Vor allem aber griff Trainer Denizli Mitte der zweiten Halbzeit zu einer personellen Maßnahme, mit der er den Deutschen taktisch in die Karten spielte. Unter dem Druck des Gewinnenmüssens brachte er nun doch Arif als echte zweite Spitze neben Hakan zum Einsatz. Sergen agierte nunmehr ausschließlich aus dem Mittelfeld.

Von da an klappte die Zuordnung in der Abwehr mit Linke und Babbel gegen Hakan und Arif sowie Nerlinger oder Jeremies gegen Sergen erheblich besser. So konnte sich nach der Pause auch Matthäus wesentlich effektvoller in die Offensive einschalten. Das Ergebnis: Einer hochkarätigen türkischen Einschussmöglichkeit durch Arif standen fünf teilwesie gut herausgespielte Torchancen der Deutschen gegenüber. Dass sie damit ebenso fahrlässig umgingen wie die Gäste vor der Pause mit ihren Chancen, war ausgleichende Gerechtigkeit. Die Türkei hätte eine Niederlage nicht verdient gehabt. Fazit aus deutscher Sicht: Über den Krampf, zum Kampf, ins Spiel zum Ziel.