Champions League

Erling Haaland: Wie beeindruckend sind seine Torrekorde?

ManCity-Stürmer bricht etliche Torrekorde

Der Kuchen wird immer größer: Wie sind Haalands irre Zahlen einzuordnen?

Drei Prachtexemplare aus der Gattung der Torjäger: Erling Haaland, Zlatan Ibrahimovic und Marco van Basten (v. li.).

Drei Prachtexemplare aus der Gattung der Torjäger: Erling Haaland, Zlatan Ibrahimovic und Marco van Basten (v. li.). imago images (3)

Zu Zlatan Ibrahimovic hat der legendäre italienische Trainer Fabio Capello einmal gesagt, er solle sich Videos von Marco van Basten anschauen. Das Ergebnis hat man dann gesehen. Der Norweger Erling Haaland gibt wiederum den immer noch aktiven Schweden als größtes Vorbild an, hat bereits ähnlich spektakuläre Tore geschossen wie seine stürmenden Urahnen - und schon jetzt viele ihrer Rekorde pulverisiert.

Beinahe wöchentlich drängen sich gerade daher nicht nur neue Haaland-Bestmarken auf, sondern auch ganz grundsätzliche und zwangsläufig vergleichende Fragen wie: Ist der Star-Einkauf von Manchester City die nächste Stufe des Goalgetters? Wie beeindruckend sind seine Fabelzahlen wirklich? Diese in Bezug auf vorangegangene Generationen einzuordnen, ist tatsächlich gar nicht so leicht.

Was in der Gegenwart ohne Zweifel die Premier League ist, war vor grob 30 Jahren die Serie A: die beste Liga der Welt. 1990 wurde van Basten dort Torschützenkönig - mit 19 Toren. Haaland, der von Mohamed Salahs Premier-League-Rekord von 32 Saisontoren (bei 20 Mannschaften) nur noch zwei Erfolgserlebnisse entfernt ist, stand 2022/23 nach seinem 14. Liga-Einsatz schon bei 20 Treffern. Was sagt das aus? Ist der Torjäger Haaland etwa so viel besser als es der Torjäger - und dreimalige Ballon d'Or-Gewinner - van Basten war?

Milan wurde einst mit 36 Toren Meister

Wenn Vergleiche generationenübergreifend überhaupt funktionieren sollen, ist Kontext unabdingbar. Während in der laufenden Premier-League-Saison bisher 2,74 Tore pro Partie fallen, waren es in der Serie A in den Jahren 1986 bis 1990 durchschnittlich nur 2,09. Und noch deutlicher wird der Unterschied in der Spitze, die auch in den europäischen Topligen immer unausgewogener wird.

In van Bastens 19-Tore-Saison schoss sein Verein, die AC Mailand, insgesamt 56 Tore. Ein Jahr später waren es nur 46, 1994 wurde Milan sogar mit gerade einmal 36 Toren in 34 Spielen italienischer Meister (und Champions-League-Sieger). Manchester City erzielte in den vergangenen fünf Liga-Spielzeiten durchschnittlich 97 Treffer, auf diesem Kurs sind die Skyblues auch in der laufenden Saison. Gut für Haaland, der vom immer größeren Kuchen das größte Stück abbekommt - nicht ohne natürlich eifrig mitgebacken zu haben.

Die Zutaten wurden ihm dabei quasi in die offene Hand gelegt. Satte 6,89 Ballkontakte pro 90 Minuten häufte der Linksfuß laut "Fbref.com" in den vergangenen zwölf Monaten im gegnerischen Strafraum an - so oft berührte van Basten, im defensiv geprägten Serie-A-Fußball zu seiner Zeit, den Ball manchmal insgesamt nicht. Das Spiel war einfach ein anderes.

Seine Expected Goals übertrifft Haaland deutlich

Verglichen mit der damaligen Rolle eines Mittelstürmers - größtenteils vom Spiel abgeschnitten, vom Schiedsrichter weitaus weniger geschützt, einen beinharten Manndecker stets auf den Füßen - ist die Aufgabe des "Fuß-Hinhalters" in einem von Pep Guardiola trainierten Manchester City der Gegenwart doch das reinste Stürmer-Schlaraffenland. Könnte man meinen. So leicht ist das aber natürlich auch nicht. Vor allem wenn Haaland seinen Expected-Goals-Wert sogar deutlich übertrifft (40 Tore aus 27,9 xG in Liga und CL). Aber was für ein Expected-Goals-Wert!

In der gegenwärtig wohl außergewöhnlichsten Konstellation zwischen Spieler und Verein stellt Tormaschine Haaland das Nonplusultra dar. Müssen Mittelstürmer und Rekorde von vor 20, 30, 40 Jahren sich daran aber messen lassen? Die Professionalität des Fußballs - von taktischem Wissen und Trainingsmöglichkeiten über Spielfelder wie Teppiche und maßgeschneiderte Schuhe bis hin auch zur höheren Professionalität der Spieler - hat einen gewaltigen Wandel erlebt. Der sportliche Wettbewerb, vor allem durch die Einführung und das Wachstum der Champions League, aber auch. Nicht unbedingt zum Guten.

Robert Lewandowski

Fast 50 Jahre lang war Gerd Müllers Saison-Rekord in der Bundesliga - 40 Tore - unantastbar. 2021 brach ihn Modellathlet Robert Lewandowski in nur 29 Spielen. imago images

Sowohl in der Bundesliga als auch in England, Spanien, Italien oder eben der Königsklasse fielen seit Beginn der 2010er Jahre so viele Tore wie seit einigen Jahrzehnten nicht - während die breite Masse in all diesen Wettbewerben mehr denn je den Kontakt zu ihren wenigen Spitzenteams verliert. Nichts veranschaulicht das besser als Haalands Rekordjagd, bei der selbst ein Fünferpack gegen RB Leipzig irgendwie einfach aussieht. Kommt City gegen Bayern weiter, steht man zum dritten Mal in Folge mindestens im CL-Halbfinale. Nach außen hin mehr Selbstverständlichkeit als Sensation. Wer denn auch sonst?

In der Torschützenliste dieser Champions League, seit sie seit 1992/93 auch so heißt, ist Haaland mit 33 Toren aus 25 Spielen schon jetzt Teil der Top 20. Vor Wayne Rooney, Samuel Eto'o oder Luis Suarez, spätestens nächste Saison sind wohl auch Sergio Aguero, Alessandro del Piero oder Didier Drogba fällig. Mit einer Quote, die selbst Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi in den Schatten stellt, von der die Superstürmer aus der Generation seines Vaters Alf-Inge nur träumen konnten. Und Haaland ist erst 22 Jahre alt.

Ibrahimovic ist inzwischen 41 und bricht zwar auch noch Rekorde, aber eher seines Alters wegen. Seine stärksten Jahre hatte er wahrscheinlich bei Inter Mailand, wo er zwischen 2006 und 2009 in der Serie A 15, 17 und 25 Tore schoss. 2016, bereits in durchaus gehobenem Alter, waren es dann plötzlich 38 - beim alles dominierenden Paris Saint-Germain in der unausgewogenen Ligue 1. In den ersten Jahren eines Zeitalters, in dem Kantersiege der Spitzenteams so üblich geworden sind wie neue Torrekorde. Es gehört eben alles irgendwie zusammen. Demnächst dann vielleicht in einer Super League, deren Hintergedanke neben all dem Geld ja auch die Rückkehr zum spannenden Wettbewerb ist.

Geht es künftig in Richtung Pelé?

Die ersten Zahlen, die denen von Haaland und Co. wieder ähnlich sehen, tauchen beim Blick in den Rückspiegel erst in den 1960er Jahren auf. Als Pelé insgesamt über 1200 Tore schoss - weil das Spiel eben noch so offensiv und mitunter unausgeglichen war, dass Ferenc Puskas noch als gemütlicher Frührentner mit Bauchansatz in fast jedem Spiel für Real Madrid traf.

Bei diesen Zahlen hatten sich manche irgendwann heimlich dazu entschieden, sie ob der schwierigen Vergleichbarkeit einfach aus der Wertung zu nehmen.

Niklas Baumgart

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