Basketball

NBA - LaMelo Ball im Check: "Das größte Mysterium des Basketballs":

Der potenzielle Nummer-1-Pick im NBA-Draft

"Das größte Mysterium des Basketballs": Wie gut ist LaMelo Ball?

Volltreffer oder Reinfall? Angesichts des Hypes um LaMelo Ball scheint es nur diese beiden Optionen zu geben.

Volltreffer oder Reinfall? Angesichts des Hypes um LaMelo Ball scheint es nur diese beiden Optionen zu geben. Getty Images (3)

Auf seiner langen Reise in die NBA ist LaMelo Ball erst zugestiegen. Schon lange vor der Geburt des heute 19-Jährigen hatte Vater LaVar die Basketball-Karrieren seiner Söhne nämlich akribisch durchgeplant - und war dabei sogar so weit gegangen, dass LaVar (1,98 Meter) seine Partnerin Tina (1,85) auch wegen ihrer Größe als Mutter seiner Kinder auswählte.

LaVars Plan, den es "seit dem Tag ihrer Geburt gibt", schien aufzugehen, als die Brüder Lonzo, LiAngelo und Nesthäkchen LaMelo mit ihrem High School-Team aus Chino Hills (Kalifornien) in den USA landesweit für Furore sorgten. Lonzos Weg verlief anschließend über die renommierte College-Institution UCLA und den zweiten Pick im Draft von 2017 zu den Los Angeles Lakers - und inzwischen zu den New Orleans Pelicans.

Als High-School-Spieler: Eigener Schuh, Facebook-Soap - und ab nach Litauen

So geradlinig war es bei "Melo", der spätestens seit einer 92-Punkte-Gala als 15-Jähriger zur amerikanischen Sportprominenz zählt, nicht im Ansatz. Vater LaVar avancierte als medienwirksames Großmaul selbst zu einer Art Berühmtheit, die mit ihrem Label "Big Baller Brand" Adidas und Nike Konkurrenz machen wollte, LaMelo einen eigenen Schuh kreierte, und ihren jüngsten Sohn von der High School nahm, um ihn in Litauen zum Profi zu formen.

Ein Projekt, das - obwohl LaVar das wohl nicht zugeben würde - ziemlich krachend scheiterte. Auch wenn LaMelo wesentlich früher als Gleichaltrige Profi-Luft schnuppern konnte, noch einmal professioneller durch seine Erfahrungen in Australiens Profiliga NBL, wo er - weil er für die US-College-Liga NCAA als Profi nicht mehr zugelassen wurde - zuletzt für die Illawarra Hawks spielte. Ein Team, das der Teenager übrigens nebenbei kaufen wollte (aber dann doch nicht tat).

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Den Draft kennt er bereits: LaMelo (l.) 2017 mit Vater LaVar und seinen Brüdern Lonzo und LiAngelo (v.l.). Getty Images

Auf einer Stufe mit Butler und Davis

Ball wird also alles andere als ein gewöhnlicher Rookie sein, vielmehr ist er schon jetzt ein globaler Basketball-Star. Durch weltweite Promo-Reisen für die Familienmarke, einer eigenen Facebook-Soap mit mehreren Staffeln und die generell unweigerliche Präsenz der sozialen Medien beläuft sich LaMelos Gefolgschaft auf Instagram - heutzutage eine durchaus aussagekräftige Maßeinheit - auf 5,6 Millionen Follower.

Damit ordnet er sich nicht bei den anderen Top-Talenten seines Jahrgangs ein wie Anthony Edwards (252.000) oder James Wiseman (254.000) - sondern eher bei Jimmy Butler (5,9 Mio.) und Anthony Davis (6,7 Mio.), Stars der zurückliegenden NBA-Finals.

Allein durch Instagram-Fans landet man allerdings nicht ganz oben auf den "Mock Drafts" (Prognosen, d. Red) zahlreicher Experten, die in Ball den vielleicht besten Spieler der diesjährigen Lotterie sehen. Was zeichnet den Spielmacher denn eigentlich aus, dessen vermeintliche Ausnahmequalitäten sich laut seinen Skeptikern in der besten Basketballliga der Welt einfach in Luft auflösen könnten?

Groß, ballfertig, überragender Passgeber

Ball ist ein Point Guard, der sich im modernen NBA-Basketball zurechtfinden müsste. Mit etwa 2,01 Metern Körpergröße überragt er die meisten seiner Positionskollegen, was seine ohnehin als außergewöhnlich bezeichnete Spielübersicht nur noch besser zur Geltung bringt.

Außerdem gilt Ball, der im Vergleich zur Bruder Lonzo ein wesentlich besseres Ballhandling mitbringt, als mit Abstand bester Passer dieses Drafts. Der schlaksige Kreativspieler weiß, in welchen Momenten er welche Pässe spielen kann und ist zudem in der Lage, jede Art von Pass an den Mitspieler zu bringen.

LaMelo Ball

Seine herausragende Qualität: Ball ist ein exzellenter Passgeber. Getty Images

In den vergangenen ein, zwei Jahren entwickelte sich der 19-Jährige weg vom dominanten Scorer hin zum klassischen Spielmacher, dennoch gibt es weiterhin Phasen, in denen er sich gerne - recht willkürlich - etliche Würfe nimmt. Hier fällt das erste große Fragezeichen hinter dem laut ESPN "größten Mysterium des Basketballs" ins Gewicht: sein Wurf.

Ein unorthodoxer Release, eine waghalsige Wurfauswahl - beides ergibt eine oft wilde Streuung. 17 Punkte, 7,4 Rebounds und 6,8 Assists in knapp 32 Minuten gegen erwachsene Profis legte LaMelo für die Illawarra Hawks auf - bei lediglich 37,7 Prozent versenkter Würfe aus dem Feld und nur 25 Prozent jenseits der inzwischen essenziellen Dreipunktelinie.

Nach nur zwölf Spielen "Rookie of the Year" - obwohl er nicht verteidigen kann?

Balls Stichprobe in "Down Under" beläuft sich verletzungsbedingt allerdings auf gerade einmal zwölf Spiele - die immerhin ausreichten, um den jüngsten US-Amerikaner, der jemals Basketball-Profi wurde, zum "Rookie of the Year" auszuzeichnen. Die zwölf Einsätze genügten auch, um Ball in der Rückwärtsbewegung als Schwachstelle für jede Mannschaft zu erkennen.

"Melo" bleibt vorerst ein schlechter Verteidiger, der sich trotz seiner Spielintelligenz mal faul, mal ungeschickt anstellt und höchstens durch clevere Steals positiv auffällt - auf deren Jagd er seine Kollegen in Unterzahl zurücklässt. Hier könnte er sich an Lonzo orientieren, der mit seinem Wurf in der NBA zunächst ebenfalls Probleme hatte, sich aber - auch weil er körperlich zulegte - als sehr brauchbarer Verteidiger einen Namen machte.

Der Jüngste ist der Beste.

Vater LaVar über LaMelo Ball

Für den jüngsten Ball, den Vater LaVar als "besten meiner Söhne" anpreist und "The Athletic" im Bestfall als größeren Rajon Rondo ankündigt, spricht seine "Upside", das Potenzial seiner Stärken. Erwischt LaMelo ein gutes Spiel, sieht er aus wie ein unvermeidlicher Star. Dann können laut vielen Expertenmeinungen auch Edwards und Wiseman nicht mithalten.

"Er kann das Spiel auf vielen Ebenen beeinflussen und macht seine Mitspieler besser", schwärmt NBL-Coach Matt Flinn, der den Teenager zum Anführer seines Teams gemacht hatte und diese Entscheidung nicht bereute.

Ein zweiter Fall Doncic?

Nun liegt es an den Franchises, die auf der einen Seite versuchen werden, sich nicht erneut in den Allerwertesten beißen zu müssen, nachdem viele etwa bei Luka Doncic zu skeptisch waren - weil der Slowene nicht in den USA ausgebildet wurde. Auf der anderen Seite dürften sie aber auch mitbekommen haben, dass Ball als Charakter bei Treffen mit den "Lottery Teams" aus Minnesota (First Pick), Golden State und Co. laut Rick Bonell vom "Charlotte Observer" keine gute Figur abgab.

"Zu wenig Selbstvertrauen hatte ich noch nie", grinste "Melo" schon in etliche Kameras. In der NBA, deren diesjähriger Draft in der Nacht auf Donnerstag (MESZ) virtuell über die Bühne geht, muss das Mysterium sich als der vermeintliche Star, der er auf seinen bisherigen Stationen war, aber erst einmal beweisen - wie alle anderen auch.

Niklas Baumgart

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