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Carro: "Ich wünsche mir Aki Watzke im Exko"

Bayer-Boss über UEFA, 50+1 und neue FFP-Regeln

Carro: "Ich wünsche mir Aki Watzke im Exko"

Bezieht klar Stellung: Fernando Carro.

Bezieht klar Stellung: Fernando Carro. picture alliance/dpa

Maximal 70 Prozent der Einnahmen dürfen im europäischen Wettbewerb vertretene Klubs künftig in ihre Kader stecken, Geldgeber pro drei Jahren aber bis zu 90 Millionen Euro an Defizit ausgleichen. Über diese neuen Regeln, die das UEFA-Exekutivkomitee verabschiedete und die schrittweise binnen der nächsten drei Jahre eingeführt werden, sprach der kicker mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Bayer 04 Leverkusen, Fernando Carro, der auch im Vorstand der Großklubvereinigung ECA sitzt.

Herr Carro, Oliver Kahn spricht von einem Meilenstein, bei DFL-Vertreter Dr. Marc Lenz hört es sich eher so an, als habe man das Schlimmste verhindert. Wie bewerten Sie die Nachfolgeregelung von Financial Fairplay?
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hat zurecht gesagt: "Warum sollen wir uns limitieren? Warum sollen wir dafür sorgen, dass kein Geld in den Fußball fließen soll?" Ich habe in diesem langen Prozess die deutsche Seite zu vertreten, die für Limitierung ist - aber mit einem Verständnis für die andere Seite. Als liberaler Mensch bin ich eigentlich der Meinung, wir sollten weniger Regeln haben. Dennoch brauchen wir sie in diesem Fall.

Warum?
Weil der Wettbewerb um Topspieler und die finanziellen Möglichkeiten einiger Klubs dazu geführt haben, dass die Mehreinnahmen fast vollständig in Spielergehälter und Beraterhonorare geflossen sind.

Warum ließ sich keine feste Obergrenze umsetzen?
Es gab keinen Konsens und es wäre rechtlich nur schwer durchsetzbar gewesen. Und selbst für den Fall einer Einigung: Wo hätte diese Grenze liegen sollen? 500 Millionen? 600 Millionen? Der FC Bayern ist bei rund 340 Millionen Euro Gehaltsetat im Jahr, Borussia Dortmund bei ca. 215, wir bei knapp 140 - eine Limitierung auf 500 Millionen Euro hätte in Deutschland nur den Bayern genutzt. Was die prozentuale Limitierung angeht: Im ECA-Vorstand wollten viele Klubs, auch aus den größeren Ligen, nicht 60 oder 65 Prozent, sondern eher 80 bis 85. 70 Prozent sind ein am Ende guter Kompromiss. Und auch der Zuschuss von 20 Mio. Euro pro Jahr plus weiteren 10 unter bestimmten Voraussetzungen ist akzeptabel.

In der Vergangenheit gab es Probleme mit Klubs, die ihre Einnahmen über Mond-Sponsorings künstlich nach oben geschraubt haben.
UEFA und ECA müssen mit mehr Aufwand kontrollieren, zudem werden wir nun schneller sanktionieren. Alle Vereine und die UEFA sind aufgerufen, zum Funktionieren beizutragen und der eigens auferlegten Verantwortung gerecht zu werden.

Neueste Football-Leaks-Enthüllungen legen nahe, dass Manchester Citys Ex-Trainer Roberto Mancini Teile seines Gehalts nicht vom Klub, sondern direkt aus Abu Dhabi bezog. Ist es nicht unmöglich, bei "Staatsklubs" solche Umgehungen überhaupt zu erkennen?
Alle haben ein Interesse daran, dass die Kosten unter Kontrolle gehalten werden. Dazu wurden Regeln geschaffen, die gilt es nun mit aller Konsequenz auch durchzusetzen.

Gab es einen Austausch mit Blick auf die neuen Nachhaltigkeitsregeln mit Juventus, Real Madrid und dem FC Barcelona, die ja formal noch an der Super League festhalten?
Nein. Das wird auch nicht von heute auf morgen besser werden. Dafür haben diese Vereine mit ihrem egoistischen, beinahe ignoranten Vorstoß damals zu viel Vertrauen zerstört. Zwischen UEFA und ECA auf der einen und diesen Klubs auf der anderen Seite ist es nach wie vor schwierig. Als erstes scheint mir der FC Barcelona zurückkommen zu können, was auch am Führungswechsel dort liegt und am CVC-Deal der spanischen Liga.

Wie schwierig war es, eine komplette Entlimitierung der Investorenzuschüsse, wie sie zu Beginn angedacht war, zu verhindern?
Eine Zeit lang dachten wir, wir erreichen gar nichts. Aber alle deutschen Vertreter haben in den Gremien oder über persönliche Beziehungen gekämpft. Die DFL, die einzelnen Vereine, deren Verantwortliche. Die UEFA hat in dem Prozess aus meiner Sicht einen guten Job gemacht. Ein Kompromiss zeichnet sich nun mal dadurch aus, dass am Ende keine Seite vollumfänglich zufrieden ist. So ist es auch in diesem Fall. Das ist angesichts der immens unterschiedlichen Interessenlagen völlig normal.

Hans-Joachim Watzke

Wird er Nachfolger von Dr-Rainer Koch im UEFA-Exekutivkomitee? Hans-Joachim Watzke. SVEN SIMON / Getty Images / Simon Hofmann

Die Italiener und Franzosen versuchten zuletzt noch, ihre vergleichsweise hohen Sozialversicherungsabgaben aus den Gehältern herausrechnen zu dürfen, um so faktisch mehr für Spieler ausgeben zu können. Glauben Sie, dass daran noch einmal gerüttelt werden könnte? 
Ich hoffe es zumindest nicht, denn es geht nicht zuvorderst um Wettbewerbsgleichheit, sondern um finanzielle Stabilität der Vereine. Auch wir haben schon Spieler an italienische Klubs verloren, weil sie dort deutlich weniger versteuern müssen.

Peter Peters ist als FIFA-Rat mittlerweile von höchster Stelle angezählt, Dr. Rainer Koch hat seinen Posten im UEFA-Exekutivkomitee angeboten. Wünschen Sie sich Hans-Joachim Watzke als Koch-Nachfolger? 
Ja, ich wünsche mir Aki Watzke im Exko und glaube, die Chancen für diese Konstellation stehen nicht schlecht. DFB-Präsident Bernd Neuendorf könnte zur FIFA, er wäre dann automatisch auch bei den UEFA-Exko-Sitzungen dabei. Das wäre eine gute Konstellation für den deutschen Fußball.

In Deutschland dürfte nun wieder 50+1 in den Fokus rücken. Zuletzt hat die DFL dem Kartellamt klargemacht, dass sie die drei Ausnahmen für Bayer, den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim für rechtskonform hält. Glauben Sie, dass sich das Kartellamt dieser Einschätzung nun plötzlich anschließt? 
Das Kartellamt hat damals eine vorläufige Stellungnahme abgegeben, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wir als Vereine kennen alle Details, die DFL ebenfalls. Die Fakten sprechen für die aktuell gültige Regelung, das ist unsere Überzeugung. Auf der bestehenden Grundlage kann man kaum zu einem anderen Schluss kommen.

Diskutiert wurde im UEFA-Exko auch über den Ausschluss des russischen Verbandes. Wären Sie für einen Ausschluss, solange Putin die Ukraine weiter attackiert? 
Ja, ich bin für die härteste Form von Sanktionen.

Interview: Benni Hofmann