Das Spiel, das keiner wollte
Beide Mannschaftslager hatten sich im Vorfeld des "kleinen Finals" mit Äußerungen übertroffen, warum dieses Spiel nicht geschätzt wird. Im brasilianischen hatte zum Beispiel Dani Alves gesagt: "Ich habe immer um erste Plätze gekämpft. Und wenn ich das nicht kann, ziehe ich es vor, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen." Im niederländischen hatte sich unter anderem Robben zu Wort gemeldet: "Nur der Titel zählt. Der dritte Platz kann mir gestohlen bleiben."
Doch gespielt werden musste ja, für Seleçao-Coach Luiz Felipe Scolari gar ein glücklicher Umstand - eben wegen der 1:7-Schmach gegen die DFB-Elf : "Es geht darum, den Menschen in Brasilien ein Stück Freude zurückzugeben." Dafür veränderte der 65-Jährige seine Startelf auf sechs Positionen: Thiago Silva (zurück nach Gelb-Sperre), Maxwell, Paulinho, Ramires, Willian und Jo starteten für Dante, Marcelo, Fernandinho, Bernard, Hulk und Fred. Sein Gegenüber tauschte zweimal: De Guzman und Clasie begannen für de Jong und den kurzfristig verletzten Sneijder.
Niederlande wie Deutschland
Spiele um Platz 3 haben schon öfters gezeigt, dass sie torreich werden können. 2006 hatte Deutschland Portugal mit 3:1 geschlagen, 2010 hatte es ein 3:2 der DFB-Elf gegen Uruguay gegeben. Und auch dieses Mal knallte das Leder früh im Netz - und zwar unter den kuriosesten Umständen: Nach einer Kopfballverlängerung von van Persie startete Robben im Vollsprint durch und zog durch die Abwehrreihe frei auf Torwart Julio Cesar zu. Vor dem Erreichen des Strafraums packte dann jedoch Kapitän Thiago Silva leicht zu, Robben fiel. Dann schritt Schiedsrichter Djamel Haimoudi aus Algerien heran und "verkündete" seine Entscheidung: Gelb anstatt Rot wegen Notbremse für Thiago Silva, Elfmeter anstatt Freistoß für die Elftal (2.). Kapitän van Persie kam und verwandelte souverän ins rechte obere Eck (3.).
Die Szene des Spiels: Thiago Silva hält Robben klar vor dem Strafraum. Anstatt Freistoß und Rot, gab es Elfmeter und Gelb. Getty Images
Vom Spiel her zeigten sich klare Parallelen zum 1:7 gegen die DFB-Auswahl. Brasilien rannte oftmals wild an, doch die solide Abwehr der Elftal erstickte alles im Keim. Bei Angriffen von Oranje allerdings entblößte sich ein nahezu leeres Mittelfeld, durch das de Guzman und Co. fast spazieren konnten. Lediglich die drei Defensivakteure Thiago Silva, David Luiz und Luiz Gustavo verhinderten Schlimmeres.
Blind hat Zeit
Dieses "Konzept" der Seleçao funktionierte bis zur 16. Minute: De Guzman wurde am rechten Flügel und in hauchzart abseitsverdächtiger Position mit einem Steilpass von Robben an die Grundlinie geschickt. Unbedrängt folgte die Flanke, nach der David Luiz zu klären versuchte, dabei jedoch das Spielgerät mit dem Kopf genau zum Elfmeterpunkt brachte. Dort wartete Blind, der wahrlich komplett blank stand, das Leder technisch fein stoppte und letztlich rechts oben ins Netz drosch.
Freistehend und erfolgreich: Daley Blind (links). Getty Images
Das Spiel bot in der Folge wenige Chancen, vor allem aber ein planloses Brasilien. Ein Bild mit Symbolcharakter: David Luiz schlug in der Defensive einen weiten Ball nach vorne, der nicht einmal in die Nähe eines Mitspielers flog (31.). Einige Minuten davor schickte Oscar mal einen Gruß an die Erfassung der Spielstatistik: Sein Flachschuss landete in den Armen vom rechtzeitig nach unten gegangenen Cillessen (22.).
Brasilien kommt etwas auf
Weil die Elftal nach dem 2:0 arg den Offensivdrang herausnahm, bekam die Seleçao etwas mehr Aktionen - oftmals fiel den Kickern um Willian allerdings nicht viel ein. Ein harmloser Oscar-Freistoß und ein unmotivierter Distanzschuss von David Luiz hier (34. und 37.), ein anderer Oscar-Freistoß und ein Fernschuss von Maxwell dort (45.). Dem Tor am nächsten war der Gastgeber in der 38. Minute: Dort flog eine Flanke von Oscar durch den Fünfmeterraum, wo Jo und David Luiz haarscharf verpassten. Doch das alles reichte wahrlich nicht, um das Publikum mild zu stimmen. Nach dem Pfiff zur Halbzeit gab es lautstarke Pfiffe, die neben Trainer Scolari auch sämtliche Feldspieler trafen.
Neue Halbzeit, altes Spiel
Die zweite Halbzeit begann mit einem brasilianischen Wechsel: Fernandinho kam für Luiz Gustavo, der sich oftmals fallen ließ und kreative Ansätze suchte, das Spiel aufzubauen. Doch somit blieben zwei Mittel, die beide nicht für großen Ertrag standen: Lange Bälle von David Luiz, Einzelaktionen vom durchaus bemühten Oscar. Der Dribbelkünstler sah sich jedoch meistens alleine mit mehreren Gegenspielern konfrontiert - klar, dass der Erfolg meistens ausblieb. Zudem gesellten sich bei Oscar noch persönliche Kunststückversuche dazu, die von vornherein keinen Gewinn abwarfen - wie zum Beispiel ein Beinschuss gegen Wijnaldum (51.).
In der 60. Minute gab es immerhin mal einen Torschuss zu verzeichnen, wobei mit Verlaub gesagt werden darf, dass hier wohl einige Seleçao-Anhänger auf den Rängen nicht mehr so recht hinblickten: Ramires, der sich bis zur Strafraumgrenze durchtankte und dann aus zentraler Position knapp am linken Pfosten vorbei feuerte. Ein scharfer wie zentraler Freistoß von David Luiz aus knapp 25 Metern prüfte dann mal wieder die Aufmerksamkeit von Torwart Cillessen, der sicher parierte (63.). Ansonsten bot sich Überschaubares, weil auch die Elftal-Offensive nicht mehr viel wagte. Wohl auch deswegen, weil einige ruppige Einsteigen der Brasilianer Robben, van Persie und Co. etwas Besorgnis über etwaige Verletzungen eintrichterte.
Wenig los
Musste viel einstecken und regte sich nach einigen Situationen, die trotz eines vorhandenen Foulspiels nicht geahndet wurden, heftig auf: Arjen Robben. Getty Images
Die Partie plätscherte dann vollkommen vor sich hin: Die Seleçao produzierte auch mit den zwei weiteren Einwechselspielern Hernanes und Hulk nicht viel Offensivgeist, Oranje wollte zwar irgendwie schon, doch hemmte die Angst vor harten Zweikämpfen sichtlich den Spielwitz. Außerdem verweigerte der algerische Schiedsrichter Robben einen möglichen Elfmeter nach einem Stoß von Fernandinho (82.) und entschied bei einem normalen Zweikampf von van Persie auf Stürmerfoul - ansonsten hätte es mit dem Kapitän und Robben einen aussichtsreichen Konter gegeben (83.).
Wijnaldum macht den Deckel drauf
Zwei Schlusspunkte gab es jedoch noch. Nummer eins: Robben legte nach rechts ab für den durchstartenden Janmaat, der mit Auge nach innen spielte. Wijnaldum stand dort frei und netzte humorlos ein (90.+1). Nummer zwei: Trainer van Gaal wechselte in der Nachspielzeit noch Ersatztorwart Vorm für Cillessen ein. Dann war Schluss und der fünfmalige Weltmeister Brasilien wurde nach dem zweiten Tiefschlag binnen kurzer Zeit mit heftigen Pfiffen beladen - die aktuelle Generation der Seleçao liegt wahrlich in Trümmern. Die Niederlande hingegen wurde erstmals WM-Dritter, absolvierte ein vollends ungeschlagenes Turnier.