3. Liga

Unterhachings Sascha Bigalke beendet mit 31 Jahren seine Karriere

31-Jähriger bei der SpVgg Unterhaching ohne Pflichtspiel in dieser Saison

Bigalke beendet Karriere: "Ich wollte nicht auf der Trage vom Platz gebracht werden"

Zuletzt ein seltenes Bild: Sascha Bigalke kam in dieser Saison zu keinem Einsatz bei Unterhaching.

Zuletzt ein seltenes Bild: Sascha Bigalke kam in dieser Saison zu keinem Einsatz bei Unterhaching. imago images

Anfang August 2020 hatte die SpVgg Unterhaching ihren langjährigen Leistungsträgern Bigalke und Jim-Patrick Müller (beide 31) mitgeteilt, dass der Drittligist nicht mehr auf sie setzt und sie den Verein verlassen können. Während Müller inzwischen zum Bayernligisten DJK Vilzing gewechselt ist, hat Bigalke sich keinem neuen Verein angeschlossen. Nun hat sich der gebürtige Berliner entschieden: Er hängt die Fußballschuhe an den Nagel. Endgültig. Nach einem Bundesligaspiel (Hertha), 17 in der 2. Liga (Köln) und 144 in der 3. Liga (Unterhaching).

Herr Bigalke, Sie beenden Ihre Profikarriere, mit gerade Mal 31 Jahren. Warum?

2014, mit 24, habe ich mir zwei Kreuzbandrisse zugezogen und drei Mittelfußbrüche erlitten. Damals sagte ich mir: Okay, Fußball ist zwar meine ganz, ganz große Leidenschaft, aber irgendwie scheint mein Körper etwas dagegen zu haben. Sollte noch mal was sein mit dem Knie, dann würde ich gerne von mir aus sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Ich bin wirklich sehr froh, dass ich noch fünf Jahre spielen konnte ohne die ganz großen Probleme, und es hat riesig Spaß gemacht.

Spielersteckbrief Bigalke
Bigalke

Bigalke Sascha

Ich hatte plötzlich Zeit die Dinge neu zu bewerten. Nochmal loszulegen ist gesundheitlich unvernünftig, das sagen auch meine Ärzte.

Sascha Bigalke

Warum sind Sie denn nicht zu einem anderen Klub gegangen? Sie hatten doch sicherlich Anfragen.

Ja, und ich hatte mich auch fit gehalten bis Oktober. Aber bei den Anfragen, die eintrafen, war nichts dabei, was sportlich reizvoll für mich gewesen wäre. Sehen Sie: Mit 18 hatte ich mir vorgestellt, ich könnte als Fußballer vielleicht ein bisschen mehr erreichen. Ich war Jugend-Nationalspieler, ich hatte einen Profivertrag bei Hertha BSC bekommen... Es kam anders, vermutlich auch wegen meiner schweren Verletzungen in jungen Jahren.

Wären Sie denn nicht jedem Drittligisten in dieser Saison sportlich eine Hilfe gewesen?

Aus meinem Selbstverständnis heraus auf jeden Fall und es lagen auch mehrere Anfragen aus der 3. Liga vor. Ob aber am Ende nun 144 Drittligaspiele in meiner Vita stehen oder 164, das ist für mich wirklich nicht von Bedeutung.

Gehört zur Wahrheit auch, dass Sie in der Saison 19/20 nicht mehr so herausragend gespielt haben wie in den beiden Jahren zuvor, als Sie im Grunde überqualifiziert waren für die 3. Liga? Hatten Sie Ihren Zenit überschritten?

Ich hatte ganz klar das Ziel mit Unterhaching in die 2. Liga aufzusteigen. Und es wurmt mich, dass wir es zweimal nach erfolgreichen Hinrunden nicht gepackt haben. Ich glaube, dass die Anzahl meiner Scorerpunkte dann sank, lag auch daran, dass mein kongenialer Partner Stephan Hain sich so schwer verletzt hat und plötzlich nicht mehr da war.

Ich bin ein bisschen überrascht. Ihr Ehrgeiz und Ihr Spaß am Fußball war immer bis unters Tribünendach zu spüren - sogar in der 3. Liga.

Mein Ehrgeiz ist ungebrochen und ich freue mich auf die Zukunft. Durch die erzwungene Zäsur im Sommer ist für mich allerdings eine neue Situation entstanden. Ich hatte plötzlich Zeit die Dinge neu zu bewerten. Nochmal loszulegen ist gesundheitlich unvernünftig, das sagen auch meine Ärzte. Ich habe ja in einem Knie gar kein Kreuzband mehr. Es war mir sehr wichtig, die Entscheidung selbst zu treffen. Ich wollte nicht auf der Trage vom Platz gebracht werden.

Also war ein Punkt erreicht.

Ja, spätestens Anfang Februar, als das Winter-Transferfenster schloss. Das wars! Aus gesundheitlichen und auch aus privaten Gründen. Meine Tochter ist jetzt knapp zwei Jahre alt, und ich will die Zeit mit ihr genießen können und später auch noch Sport machen können.

Was ist denn eigentlich passiert, dass Unterhaching nach sechs erfolgreichen Jahren plötzlich nicht mehr auf Sie setzte?

Man hat Jimi und mir mitgeteilt, dass es nicht mehr passt, kurz und knapp und wir ab sofort keine Rolle mehr spielen würden. Das wars.

Hatte es disziplinarische Gründe? Haben Jim-Patrick Müller und Sie sich etwas zuschulden kommen lassen?

Dieser Eindruck entsteht natürlich. Aber das kann ich ganz klar verneinen. Jimi und ich waren von dieser Maßnahme völlig überrascht.

Sie haben die Entscheidung geräuschlos hingenommen.

Ich habe intern gegenüber den Verantwortlichen klar Stellung bezogen. Eine öffentliche Diskussion hätte keinem - vor allem meiner Mannschaft - etwas gebracht.

Haben Sie mal mit van Lent gesprochen?

Nein, noch nie.

Sie sagten vorhin, sie wollen im Fußball bleiben. Haben Sie einen Karriereplan?

Ein Karriereplan ist schwer in dieser Branche. Aber ich habe nach wie vor große Lust, mit Menschen zu arbeiten, und das ich weiter im Fußball arbeiten will, habe ich mir schon früh überlegt.

Was qualifiziert Sie für den Trainerjob?

Ich habe 2018 die A-Lizenz gemacht, mit der man ja bis zur Regionalliga als Chefcoach arbeiten darf, und habe auch schon ein Jahr als Cheftrainer die Hachinger U14 trainiert. Ich habe von klein auf viel erlebt und mit vielen tollen Trainern zusammengearbeitet, aber auch die Schattenseiten des Profifußballs kennengelernt. Ich bilde mich aktuell am Internationalen Fußball Institut in einer sogenannten Masterclass fort; das ist ein spezielles Ausbildungsangebot für Profispieler am Karriereende. Dort geht es z.B. um Themen wie "Leadership" oder "Spielanalyse". Ab Juli würde ich sehr gerne in eine neue Aufgabe einsteigen, ob als Co-Trainer, Nachwuchstrainer oder auch zum Beispiel als Assistent der Geschäftsführung in einem Club. Hauptsache, ich kann Erfahrungen sammeln und lernen. Und dann will ich demnächst auch den Fußball-Lehrer machen.

Fußball ist Entertainment, das hat ja schon der große Johan Cruyff so gesehen.

Sascha Bigalke

Würde Ihre Mannschaft so spielen wie Sie als Spieler waren: spielerisch fein, offensiv, angriffslustig?

Gute Frage... Ich bin sicher, ich würde etwas weniger offensiv spielen lassen, defensiv disziplinierter. Fußball ist ja nicht nur reines Offensivspektakel. Aber im letzten Angriffsdrittel würde ich alle Freiheiten lassen, da sollen sich die Individualisten, so wie ich einer war, sich , austoben dürfen, da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Mir ist sicherlich ein 3:2 lieber als ein 1:0, aber man kann auch attraktiv gegen den Ball agieren. Was ich möchte ist, dass die Zuschauer das Gefühl haben, da ist eine Mannschaft, die ihnen etwas bieten will. Fußball ist Entertainment, das hat ja schon der große Johan Cruyff so gesehen.

Wäre der Trainer Bigalke mit dem Spieler Bigalke, dem Typen, glücklich?

Spieler und Typ liegen sehr nah beieinander. Das ist nicht zu trennen. Und das ist gut so. Mit allen Stärken, Ecken und Kanten. Klar habe ich auch Fehler gemacht. Genauso habe ich mich aber auch erfolgreich mit meiner Art eingebracht. Auf und neben dem Platz. Ich denke, bei mir im Team würde ich schon in der Startelf stehen.

Haben Sie Vorbilder? Hat Sie jemand besonders beeindruckt?

Man darf nicht den Fehler machen, andere kopieren zu wollen. Aber: Heiko Herrlich hatte ich schon in der Jugend-Nationalmannschaft und später nochmal bei Unterhaching, er hat mich sicher geprägt. Holger Stanislawski, mein Trainer in Köln, war ein echter Menschenfänger, einer, über den kein Mensch etwas Schlechtes sagt, weil er einfach ein Super-Typ ist.

Zum Schluss nochmal nach Unterhaching: Haben Sie eine Idee, warum es dort in dieser Saison so schlecht läuft? Fehlt ein Bigalke?

Ob und wem ich fehle kann ich nicht beurteilen. Ich war seit Monaten bei keinem Training und sehe kein Spiel live im Stadion.

Kann sich die Mannschaft noch vor dem Abstieg in die Regionalliga retten?

Ich denke, Haching braucht aus den restlichen elf Spielen sechs Siege. Dann kommen sie auf mindestens 42 Punkte, und das sollte in dieser Saison schon reichen. Ich bin gespannt und drücke der Mannschaft die Daumen.

Interview: Peter Nickel

Die Trainer der 3. Liga für die Saison 2021/22