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Beleidigung und Volksverhetzung: Schiedsrichter verurteilt

Fall im Amateurfußball

Beleidigung und Volksverhetzung: Essener Schiedsrichter verurteilt

Das Eintreten gegen Rassismus - ein hehres Ziel von Verbänden.

Das Eintreten gegen Rassismus - ein hehres Ziel von Verbänden. imago images/Shutterstock

Der Fall datiert von Mitte Oktober 2021. Die kicker-Redaktion erreichte damals eine Mail, in der ein Spieler detaillierte Vorwürfe darüber erhob, dass sein Team während einer Partie in der Kreisliga C mehrfach fremdenfeindlich und rassistisch beleidigt worden sei. Adressiert waren die Vorwürfe an einen Beteiligten, der wie kein Zweiter auf dem Platz für Neutralität und Fairness stehen sollte: Den Schiedsrichter.

Von der ersten Minute an habe der in der Partie zwischen dem TuS Holsterhausen III und dem Bader SV II  "auffällig parteiisch gepfiffen", so der Vorwurf von Mohamed Oulhaji-Temsamani, Keeper beim Bader SV - Interpretationssache freilich, mit der sich Woche für Woche Akteure quer durch die Republik auseinandersetzen müssen. Auf entsprechende Forderungen, doch bitte fair zu pfeifen, habe der Unparteiische nach Angaben des Spielers dann allerdings mit einer fremdenfeindlichen Replik erwidert: So sei etwa der Satz "geht doch in euer Land zurück, wenn es euch nicht passt" gefallen, sinngemäß nicht nur einmal.

Man habe das mehrfach runtergeschluckt, um eine Eskalation zu vermeiden, sagt Oulhaji-Temsamani, selbst Deutscher mit ausländischen Wurzeln. Das "Sahnehäubchen" sei gewesen, so schreibt der Betroffene ironisch, "dass der Schiedsrichter nach Abpfiff an mir vorbei lief und mir gegenüber Affengeräusche machte." Weil er das nicht tolerieren wollte, habe er den Vorfall beim Spielkreis und dem Oberbürgermeister der Stadt Essen gemeldet. Auch Anzeige bei der Polizei habe er erstattet.

Schiri kommt Sportgericht zuvor

Der Fall sorgte kurz in lokalen Medien für Aufsehen, das Präsidium des Fußballverbandes Niederrhein erkannte offenbar eine gewisse Brisanz im Vorwurf gegen den Unparteiischen. So landete der Fall nach Verbandsangaben direkt in der Zuständigkeit des höchsten Sportgerichts. Das aber ließ sich Zeit. Auf Nachfrage hieß es, die Sache verzögere sich aufgrund der Corona-Pandemie.

Als es dann Ende April, ein halbes Jahr später, dann doch noch zur Ansetzung der Sportgerichtsverhandlung kommt, ist diese schnell auch wieder abgesagt. Der Grund: Der Schiedsrichter kommt dem Verfahren zuvor, hat seinen Dienst an der Pfeife quittiert, kann folglich auch sportgerichtlich nicht mehr belangt werden. Auf kicker-Nachfrage äußert sich der Unparteiische übrigens weder zu den Gründen seines Rückzugs noch zu den Vorwürfen im Allgemeinen.

Der Verein immerhin erhält von ihm schriftlich ein Gesprächsangebot, in dem er die Spieler allerdings bezichtigt, die Unwahrheit zu sagen - und im gleichen Atemzug um die Rücknahme der Anzeige bittet. Die Kosten dafür will er selbst tragen. Das Team überlegt zunächst, auf ein Gespräch einzugehen, verzichtet dann aber doch darauf. Als zu patzig werden die Formulierungen befunden.

Das Strafrecht greift

Mitte September 2022 dann wird der Fall vor dem Essener Amtsgericht verhandelt. Auch hier streitet der Unparteiische die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ab, verstrickt sich aber in Widersprüche. Auch Zeugen des damaligen Gegners stützen die Version der Spieler des Bader SV. Für den Richter ist die Sache eindeutig: Der Schiedsrichter wird wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu 100 Tagessätzen á 20 Euro verurteilt, ein Urteil, das unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft bleibt. Zu einer Entschuldigung oder einer Aussprache kommt es am Rande der Verhandlung nicht.

"Ich weiß, dass es ein großes Problem ist, wie mit Schiedsrichtern teilweise umgegangen wird", sagt Oulhaji-Temsamani, "aber leider gibt es eben auch Fälle, bei denen es andersherum ist." Auch vor denen, so findet er, solle man nicht die Augen verschließen. 

Jan Mauer

Deutschlands Großstädte ohne Profifußball