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"Wahnsinn" und ein neuer "Vier-Punkte-Plan": So ist die Lage in Bayern

Verband geht auf aufbegehrende Basis zu

"Beendet diesen Wahnsinn" und ein neuer "Vier-Punkte-Plan": So ist die Lage in Bayern

Grüner Rasen statt grüner Tisch: BFV-Präsident Rainer Koch kämpft dafür, dass man der Saison "19/21" noch eine faire Chance gibt.

Grüner Rasen statt grüner Tisch: BFV-Präsident Rainer Koch kämpft dafür, dass man der Saison "19/21" noch eine faire Chance gibt. IMAGO / FAF

"Liebe BFV-Entscheidungsträger, bereitet diesem Wahnsinn bitte ein Ende." - Viel eindringlicher kann ein Appell nicht lauten. Doch 17 Fünft- und Sechstligisten aus dem ostbayerischen Raum - namentlich 1. FC Bad Kötzting, 1. FC Passau, ASV Burglengenfeld, ASV Cham, FC Sturm Hauzenberg, FC Tegernheim, SC Ettmannsdorf, SpVgg Hankofen-Hailing, SpVgg Lam, SpVgg Pfreimd, SV Donaustauf, SV Neukirchen b. Hl. Blut, TSV Bad Abbach, TSV Kareth-Lappersdorf, TSV Seebach, TV Aiglsbach sowie VfB Straubing - sehen nicht mehr länger ein, warum sie noch an ein sportliches Ende der in Bayern zur Saison "19/21" ausgedehnten Saison 2019/20 glauben sollen. Ein am Montag veröffentlichter offener Brief war das Resultat dieses Denkens.

Dabei geht es den Schreibern vor allem darum, dass man der Corona-Lage offen ins Auge blicken möge: "Wir befinden uns mitten in der sogenannten 'dritten Welle' mit neuen Virus-Mutationen, welche laut Experten noch ansteckender und zum Teil auch gefährlicher sein sollen. Die Politik denkt aktuell wieder über eine Verschärfung des Lockdowns nach, um diese Welle zu brechen. Fußball rückt also immer weiter in die Ferne." Und selbst wenn von Seiten der Politik in den nächsten Wochen das "Go" für Amateurfußball käme, so würde das auch nicht das dicke Fragezeichen ausradieren, ob im Mai oder Juni durch Infektionsfälle in einzelnen Mannschaften der Spielbetrieb nicht wieder zum Erliegen käme.

Spiele ohne Zuschauer könnten indes nicht die Lösung sein, denn ab Re-Start wären wieder Aufwandsentschädigungen für die Spieler fällig, während die notwendigen Zuschauereinnahmen bei Null blieben. Das liebe Geld stellt auch in einem anderen Zusammenhang eine hohe Hürde dar: "Wir können es uns nicht leisten, unsere Aktiven und Verantwortlichen viermal wöchentlich mit Schnelltests auszurüsten, um diesen den Trainings- und Spielbetrieb zu ermöglichen."

Einfach auf die Schnelle abbrechen und Absteiger per Quotientenregelung festzulegen, das ist für mich eben nur das letzte Mittel.

Rainer Koch, BFV-Präsident

Der im offenen Brief enthaltenen Forderung "Der Bayerische Fußball-Verband muss endlich Größe zeigen und nicht mit Biegen und Brechen etwas durchbringen wollen, das schlicht und einfach nicht machbar und sogar gesundheitsgefährdend ist", hält der Verband entgegen, dass es für einen Abbruch zu früh sei. BFV-Präsident Rainer Koch, der in Personalunion beim DFB als für den Amateurfußball zuständiger Vizepräsident fungiert, unterstreicht: "Einfach auf die Schnelle abbrechen und Absteiger per Quotientenregelung festzulegen, das ist für mich eben nur das letzte Mittel. So weit sind wir aber noch nicht, denn aktuell stehen im laufenden Spieljahr noch über drei Monate im Kalender zur Verfügung."

Bis Ende Juni - eine Saisonverlängerung ist ausgeschlossen - könne, so die Hoffnung des BFV, das ein oder andere Spiel noch stattfinden, noch dazu, weil die an Corona angepasste Spielordnung auch unter der Woche mehrere Partien möglich macht. Koch wird nicht müde den Kampf gegen einen aus seiner Sicht vorschnellen Abbruch zu führen. In den Kommentarspalten regionaler Amateurfußball-Portale schaltet sich der meinungsstarke Funktionär auch mal kurzerhand höchstpersönlich in die Diskussionen ein, als gelte es, eine glimmende Glut auszutreten, eh diese sich zu einem Flächenbrand der Meinungsbildung entwickele.

Und fürwahr, das Prinzip, dass die Saison "19/21" möglichst auf dem grünen Rasen statt am grünen Tisch entschieden wird, trifft grundsätzlich den Nerv eines Sportlers. "Das ist grundsätzlich auch unsere Vorstellung von Fairplay", schreiben die 17 ostbayerischen Klubs, wären da nicht ihre anderen, von ihnen wesentlich höher gewichteten Bedenken.

Bedenken hat mit Max Habermann auch ein Verbandsfunktionär von der Basis. Der Spielleiter des mittelfränkischen Kreises Erlangen/Pegnitzgrund kam dieser Tage zu der Erkenntnis: "Wir können die Saison im Fußballkreis nicht mehr zu Ende führen" und sagt in Richtung Münchner Verbandszentrale: "Die Vereine sind mit ihrer Geduld am Ende und wollen jetzt eine klare Entscheidung. Dann sind sie auch wieder zufrieden mit ihrem Verband." Koch entgegnet in diesem Fall: "Die Basis ist überall in Bayern anzutreffen und nicht nur in einem Fußballkreis, der die Besonderheit aufweist, dass in seinen Ligen im Vergleich zu nahezu allen anderen BFV-Kreisen noch extrem viele Spieltage offen sind. Es ist ein großer Unterschied, ob - wie in den von Max Habermann terminierten Ligen - noch bis zu 13 Spieltage offen sind oder wie fast überall sonst in Bayern nur noch deutlich weniger Spiele."

Vielleicht sind aber auch Ministerpräsident Markus Söder und seine bayerische Staatsregierung ein wenig dran schuld, dass beim BFV noch die Hoffnung Trumpf ist. Ab 13. April - dann sind in Bayern die Osterferien zu Ende - hat die Staatsregierung weitere Lockerungen in Aussicht gestellt, unter anderem für Kontaktsport an der frischen Luft. Jürgen Igelspacher, Geschäftsführer des Verbands, sagte unlängst: "Bis dahin ist Zeit, um die Hausaufgaben zu erledigen. Unsere Vereine und wir als Verband stehen mit erprobten Hygienekonzepten und unserer Bereitschaft, Kontaktverfolgung und weitere notwendige Auflagen zu gewährleisten, bereit. Wir bekommen den Trainings- und Spielbetrieb verantwortungsvoll geregelt." Generell fordert Igelspacher ein Umdenken: "Es wird Zeit, dass wir im Amateursport von einer Verbotskultur zu einer gemeinsam erarbeiteten Öffnung der Plätze kommen" und wiederholt den Standpunkt, dass Amateurfußball ein Teil der Lösung sei und nicht Teil des Problems.

BFV reagiert mit "Vier-Punkte-Plan"

Doch die Worte aus Ostbayern haben beim BFV vielleicht doch mehr Wirkung entfaltet, als von skeptischen Geistern angenommen. Am Dienstag veröffentlichte der BFV zumindest einen "Vier-Punkte-Plan" zum Umgang mit der weiteren Saison: Eine erste Deadline ist der 19. April. Wenn bis dahin kein flächendeckender Trainingsbetrieb mit Kontakt möglich sei, wird der als Zusatzwettbewerb ins Leben gerufene Ligapokal gestrichen. Für die Regionalliga Bayern gilt das nicht, hierfür sollen gesonderte Absprachen getroffen werden.

Um noch möglichst viele Ligaspiele durchführen zu können, setzt der BFV darauf, dass bis 3. Mai wieder uneingeschränkt trainiert werden kann. Falls nicht, will der Verband unter Einbeziehung der Vereine über einen Abbruch diskutieren. Denn immerhin - auch das gehört zur Wahrheit - hat der BFV schon vor längerer Zeit seine Spielordnung mit dem Passus erweitert, wie im Falle eines Abbruchs zu verfahren sei, nämlich dass die Quotientenregel greift, wenn in einer Staffel 75 Prozent der Mannschaften mindestens 50 Prozent der Verbandsspiele ausgetragen haben.

Gleichzeitig machte der BFV am Dienstag klar, dass er es für "nicht durchführbar" hält, dass für jedes Training und jedes Spiel jedes Mal ein tagesaktueller Corona-Test vorliegen muss. Am Toto-Pokal soll aktuell noch nicht gerüttelt werden. Ist absehbar, dass dieser Wettbewerb nicht sportlich zu Ende gebracht werden kann, würde sich der BFV in den Dialog mit den noch im Wettbewerb befindlichen Vereinen begeben, um die Ermittlung eines Teilnehmers an der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals zu erörtern.

Die Zeit drängt, die Ungewissheit bleibt, denn wie hoch sich die dritte Welle letztendlich noch auftürmt, das lässt sich nur schwer prognostizieren. Klar ist aber, dass die Diskussionen in der bayerischen Amateurfußballszene noch eine Zeit weitergehen werden, auch wenn mit dem "Vier-Punkte-Plan" nun etwas Dampf aus der Sache entweichen könnte. Und die Gräben sind nicht so tief, als dass man sie nicht wieder zuschütten könne. So schließen die 17 ostbayerischen Klubs ihren Brief mit einem Satz, dem wohl auch Rainer Koch und Kollegen vorbehaltlos zustimmen können: "Hoffen wir, dass die Saison 21/22 wieder unter einigermaßen normalen Umständen ausgetragen werden kann."

Stefan Wölfel

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