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Wie Griechenland die Stadiongewalt bekämpft

Ab sofort Identifizierung der Fans

Aus der Not zum Fortschritt: Wie Griechenland die Stadiongewalt bekämpft

In Griechenland blieben die Stadien lange leer.

In Griechenland blieben die Stadien lange leer. IMAGO/One Inch Productions

Am vergangenen Wochenende erreichte der Vierkampf um den diesjährigen Meistertitel seinen vorläufig spannendsten Höhepunkt. Das Spitzenspiel zwischen Meister AEK und Tabellenführer PAOK endete 2:2, beide Teams liegen somit weiterhin nur einen Zähler auseinander (67 zu 66). Doch nach den Erfolgen von Panathinaikos (2:0 bei Aris) und Olympiakos (5:1 in Lamia) sind alle vier noch enger zusammengerückt. Zwischen den Plätzen eins und vier beträgt die Differenz nur vier Punkte. Bei noch sechs ausstehenden Spieltagen der Play-offs und sieben weiteren direkten Duellen zwischen den Vier wird die Entscheidung wohl erst am letzten Spieltag fallen.

Harte Maßnahmen nach Randalen im Dezember

Der am Sonntag absolvierte Spieltag war aber auch der letzte in seiner gewohnten Art und Weise. Denn ab heute wird in Griechenland das personalisierte Ticket für den Eintritt in den Stadien schrittweise eingeführt. Alles fing Anfang Dezember an. Mehrere Fanrandale erreichten ihren traurigen Tiefpunkt, als vor einer Volleyballhalle bei Ausschreitungen zwischen Hooligans und der Polizei ein Polizist so schwer von einer von dutzenden Leuchtkugeln getroffen wurde, dass er ein paar Tage später verstarb. Daraufhin schloss die Regierung alle Fußballarenen für Zuschauer aus und kündigte harte Maßnahmen an. Zwei Monate lang gab es in der Superleague die allen noch aus der Corona-Pandemie bekannten Geisterspiele.

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Diese Zeit nutzte man, um die ersten Schritte anzugehen. Eine Gesetzesänderung verschärfte die Strafen für Wurfgeschosse und das Abbrennen und Werfen von Pyro, Knallkörpern und Leuchtkugeln. Nun drohen von saftigen Geldstrafen bis zu mehrjährigen Haftstrafen zusätzlich zum verbindlichen Stadionausschluss. Der nächste Schritt war die Installierung von hochauflösenden Überwachungskameras in allen Stadien. Während neuere Arenen wie das "Georgios-Karaiskakis" in Piräus oder das neue AEK-Stadion über solche schon verfügten, mussten anderswo neue Systeme neu eingebaut werden. Die Überwachung der Kameras wird am Vortag einer Partie an die zuständigen Behörden übergeben. Erst danach wird die Spielgenehmigung erteilt.

Digitale Identifizierung der Ticketinhaber

Zwei Monate nach Wiedereröffnung der Stadien haben die Erstligateams diese Auflagen erfüllt. Man merkt an jedem Spieltag, dass es ziemlich ruhig zugeht und wenn überhaupt nur kleinere Vergehen registriert werden. Und seit heute läuft der eigentlich schwierigere Schritt: die Identifizierung der Fans. Doch da überrascht - wie schon zu Pandemiezeiten - die Regierung positiv und fortschrittlich.

In der Bürgerapp "gov.gr", mit der man über 2000 alltägliche Angelegenheiten mit dem Staat seitdem abwickelt sind viereinhalb Millionen registriert. Diese können nun simpel ihr gekauftes Ticket auf der "gov.gr"-App einscannen und so nur das Handy mit ins Stadion nehmen. Warteschlangen, Kontrollen und Personal dafür fallen weg. Genauso einfach können Eltern ihre Kinder registrieren, die sie ins Stadion begleiten. Seit der Ankündigung haben sich über 150.000 in der Plattform neu registriert. Bis Saisonende gibt es eine Übergangsphase mit dem alten und dem neuen System. So können sich zum Beispiel Rentner (über 67-Jährige) und Nicht-griechische-Staatsbürger auch weiterhin ihr Ticket "altmodisch" gegen Erfassung ihres Ausweises am Schalter kaufen.

Regierung und Liga im Gleichschritt

Dimitrios Papastergiou, Oberhaupt des Ministeriums für Digitalisierung erklärt dem kicker die Idee: "Die Stadien sollen wieder Stätten des Sports und der Unterhaltung werden. Deshalb bin ich der Ansicht, dass der Plan der Regierung von Kyriakos Mitsotakis neue und mutige Wege zu gehen, richtig ist. Gesetzesanpassung, Überwachungskameras und Identifizierung ist unser Sicherheitsfahrplan. Ab heute können die Fußballfans digital auf simple und benutzerfreundliche Art in die Stadien eintreten. Für die Identifizierung des Zuschauers reicht das Einscannen des Tickets im "gov.gr"-Wallet. Für Griechen im Ausland, also auch für die, die in Deutschland leben und die womöglich noch über keine Zugangsdaten für "gov.gr" verfügen, reicht das Einscannen ihres Reisepasses."

Dimitrios Papastergiou

Dimitrios Papastergiou, das Oberhaupt des Ministeriums für Digitalisierung. www.gov.gr

Die Übergangsphase bis Saisonende wird zur Eingewöhnung dienen, aber auch eventuelle Einzelfälle aufklären. So könnte theoretisch auch die Weitervergabe einer Dauerkarte über "gov.gr" erfasst werden, wenn es die Ligaklubs begrüßen.

Die Liga sieht das ganze Vorhaben positiv, wie es Ligachef Minas Lysandrou gegenüber dem kicker begrüßt: "Damit wir ein sicheres Umfeld in den Stadien schaffen, müssen wir alle zusammenarbeiten. Wir sind im dauerhaften Austausch mit den zuständigen Ministerien für Innere Sicherheit, Digitalisierung und Sport, denn unser aller Ziel ist identisch. Der Fußball muss auch die Technologie nutzen, um die Sicherheit der Stadien und den Komfort der Fans zu gewährleisten. Schritt für Schritt werden wir weiter vorankommen."

Die aktuelle Lage in den Stadien scheint beiden jetzt schon Recht zu geben. Beim Spitzenspiel in Athen waren mehr als 30.000, in Thessaloniki bei Aris-Panathinaikos über 10.000 und in Lamia ein paar tausend Fans, darunter erstmals auch 500 Olympiakos-Fans - allesamt friedlich und gänzlich ohne nennenswerte Vorfälle. In keinem der sieben Erstligastadien gab es auch nur ein einziges Wurfgeschoss. Nicht mal die früher eher harmlos üblichen Bierbecher, Wasserflaschen, nicht mal ein Feuerzeug. Schon jetzt ein enormer Gewinn.

Und der Sport selbst besorgt den Rest. Denn niemand will im spannendsten Titelrennen seit 1980 (damals kämpften fünf Teams bis zum letzten Spieltag um den Titel, der dann in einem Entscheidungsspiel zwischen Olympiakos und Aris endete) riskieren, das nächste Spiel oder gar die nahende Titelentscheidung zu verpassen. Eine Win-Win-Situation. Genauer genommen eine Win-Win-Win-Situation. Für Fußballfans, Liga und Regierung.

Georgios Vavritsas