Er zuckte nur die Schultern. Bryan Zaragoza empfand die Szene, die am Sonntag Fußball-Spanien in ungläubiges Staunen versetzte, offenbar als nicht besonders außergewöhnlich. "Ich spiele um zu dribbeln", sagte der 22-Jährige bei DAZN. "Ich spiele nicht, um dem Ball hinterherzulaufen."
Hinterherlaufen, das Gefühl kennen eher seine Gegenspieler. Wenn der 1,64 Meter kleine Flügelstürmer mal den Zündschlüssel umgedreht hat, ist Alarmstimmung angesagt in La Ligas Abwehrreihen. Das musste auch Jules Koundé in der 29. Minute leidvoll erfahren, als ihm das "Geschoss" (Marca) nach einem Steilpass enteilt war. Zaragoza hätte mit links auch schon abziehen können, doch der Flügelstürmer ist nicht nur schnell, sondern gilt in Spanien eben auch derzeit als bester Dribbler überhaupt. So schob er Koundé das Leder nochmal zwischen den Beinen durch, täuschte einen Schuss an, setzte stattdessen noch einen Haken und beförderte den Ball dann mit dem Außenrist ins kurze Eck. Auch Torhüter Marc-André ter Stegen hatte beim Zaragoza-Zick-Zack irgendwann die Orientierung verloren.
Spielbericht
Es war sicherlich das schönste seiner fünf Saisontore, das vierte hatte er gegen Barcelona schon nach 17 Sekunden erzielt. Wieder kam ihm seine Schnelligkeit nach einem Steilpass zugute, und auch ein wenig das Glück - bei seinem Schuss ins lange Eck sah ter Stegen nicht allzu gut aus. Die Katalanen glichen dank dem jüngsten La-Liga-Torschützen Lamine Yamal und Sergi Roberto auf 2:2 aus, hatten aber in der 88. Minute nochmal mächtig Glück. Zaragoza traf nach einem Konter nur den Pfosten, ter Stegen wäre chancenlos gewesen.
Dabei hatte ihn Ronald Araujo da schon äußerst eindringlich gebeten, den Katalanen doch endlich nicht mehr auf die Nerven zu gehen. "Während dem Spiel sagte er mir: 'Hör auf zu rennen'", verriet Zaragoza. Der Aufforderung folgte übrigens noch ein etwas deftigeres Schimpfwort.
Geniestreich beendet: Bryan Zaragoza trifft zum 2:0. Getty Images
Zaragoza, der als Vorbilder die Dribbelkünstler Lionel Messi ("Er war immer der Beste"), Neymar und Vinicius Junior ("Auf ihn schaue ich viel") nennt, lässt das offenbar ziemlich kalt. Er wirkt unbekümmert, unbeeindruckt, unbelastet. "Ich habe mein ganzes Leben lang in der Nachbarschaft gespielt, und letztendlich ist es das, wofür ich spiele", sagte er und zuckte mal wieder mit den Schultern.
Von Spaniens 2. Liga in die Seleccion
Dabei hatte ihn vor der Saison kaum einer auf der Rechnung. 2019 wechselte er in die Jugend von Granada, spielte dann zunächst in der B-Mannschaft und ein Jahr auf Leihbasis bei El Ejido, ehe er sich in der vergangenen Zweitligasaison bei den Profis etablierte und beim Aufstieg in La Liga gehörig mithalf. Sein Höhenflug sorgt dafür, dass er auch in der Länderspielpause nicht die Beine hochlegen kann. Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente hat Zaragoza für die anstehenden Länderspiele gegen Schottland und Norwegen nominiert.
Dass der Name Zaragoza so langsam im Mainstream angekommen ist, merkte er bei einem Blick aufs Handy. "Ich habe Instagram geöffnet und hatte etwa 5.000 Follower mehr. Es ist verrückt", sagte er nach dem Doppelpack. Bleibt die Frage, ob der Tabellenvorletzte Granada ihn auf lange Sicht halten kann. Sein Vertrag läuft immerhin noch bis 2027. Zaragoza selbst sagt, er sei "zu hundert Prozent an Granada gebunden. Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden."
Zum Leidwesen Araujos allerdings nur im sprichwörtlichen Sinne ...