Regionalliga

Appiah im Interview: "Mir ist vor Flensburg nicht bange"

Kann Oldenburg Weiche auf Distanz halten?

Appiah im Interview: "Mir ist vor Flensburg nicht bange"

Voller Fokus: Marcel Appiah will mit Oldenburg auch im Topspiel ungeschlagen bleiben.

Voller Fokus: Marcel Appiah will mit Oldenburg auch im Topspiel ungeschlagen bleiben. imago images/foto2press

Herr Appiah, vor dem Spitzenduell gegen Weiche Flensburg haben Sie am Montag beim 0:0 gegen den VfB Lübeck zwei Punkte liegengelassen. Wie sehr schmerzt das?

Direkt nach dem Abpfiff war es schwierig, weil wir nicht wussten, wie wir dieses Unentschieden einordnen sollen. In der ersten Halbzeit haben wir gezeigt, dass wir auch einen Gegner wie Lübeck dominieren können und nur wenig zugelassen. Damit können wir zufrieden sein. Unser Anspruch ist aber, dass wir in jedem Spiel auf Sieg gehen. Leider war am Montag nicht mehr drin.

In den letzten Minuten schien die Mannschaft auf dem Platz auch nicht zu wissen, ob sie den Punkt nun verteidigen will oder doch noch einmal alles nach vorne wirft.

Es wäre fatal gewesen, wenn wir am Ende komplett aufgemacht und somit riskiert hätten, das Spiel noch zu verlieren. Wir haben versucht, die Offensive nochmal in Aktionen zu bringen. Teilweise auch mit langen Bällen, um dann auf die zweiten Bälle zu gehen. Da sah es dann teilweise aus, als hätten wir nun zwei Mannschaftsteile.

Ihr Weg führte während der Partie auffallend häufig zu Cheftrainer Dario Fossi. Waren Sie so unzufrieden mit dem Auftritt oder lag es lediglich daran, dass Sie als Kapitän aufgelaufen sind?

Nein, mit der Kapitänsbinde hatte das nichts zu tun. Ich spiele hinten und kann die Situationen somit etwas besser überblicken als ein Mittelfeldspieler, der ständig in Zweikämpfe involviert ist. Zum anderen habe ich aufgrund meiner Erfahrung einen kurzen Weg zum Trainerteam. Da stimmen wir uns dann bei kleinen Details schnell einmal ab.

Am Sonntag steht nun das Topspiel gegen Weiche Flensburg an. Wären Sie bereits mit einem Punkt zufrieden, weil Sie dann weiterhin aus eigener Kraft Meister werden könnten und Flensburg nicht mehr?

Mir ist vor Flensburg nicht bange. In der Meisterrunde sind wir ungeschlagen, das wollen wir Sonntag beibehalten. Wir gehen mit vollem Elan in das Topspiel und sollten auch darüber hinaus weiterhin einfach nur auf uns schauen.

Ist Ihre Mannschaft im Vorteil, weil der größere Druck bei den Flensburgern liegt? Weiche muss schließlich gewinnen, um es selbst in der Hand zu haben.

Das können wir drehen und wenden, wie wir wollen. Dass wir gegen Lübeck nicht gewonnen haben, kann Flensburg auch pushen. Andererseits kann auch eben gesagt werden, dass der gesamte Druck bei den Flensburgern liegt, weil uns ja auch ein Punkt reicht.

Sie sind 34 Jahre alt, haben viel Erfahrung in der 2. Liga und in der 3. Liga gesammelt. Führen Sie vor diesem Spiel nochmal gesonderte Gespräche mit einigen Spielern?

Das große Plus unserer Mannschaft ist ihr Charakter. Wir sind eine Einheit und kommen somit auch durch schwierigere Zeiten. Enger Austausch besteht über die gesamte Zeit. Ganz egal, ob auf dem Trainingsplatz oder danach in der Freizeit. Natürlich gibt es den ein oder anderen, mit dem ich nochmal das Gespräch suche. Aber im Großen und Ganzen leben wir davon, dass sich jeder auf den anderen verlassen kann und die notwendige Leichtigkeit bei uns vorhanden ist.

Wenige Wochen vor dem Saisonende locken auch Offerten anderer Vereine und Berater bringen potenzielle neue Arbeitgeber ins Spiel, sodass Spieler vom Wesentlichen abgelenkt werden könnten. Sehen Sie darin in der kommenden Zeit eine Gefahr?

Das ist im Fußball die logische Konsequenz von ansprechenden Leistungen. Das Geschäft der Berater gehört zum Fußball, ist in gewissen Teilen jedoch schwierig. Natürlich werden auch Spieler von uns angesprochen. Ein Aufstieg würde für uns alle am Ende alle nur Vorteile bringen. Ganz egal, ob du viel oder wenig spielst. Ganz egal, ob du bleibst oder gehst. Wir müssen in dieser Phase alle bei uns bleiben und darauf konzentrieren, dass der Weg mit dem VfB noch nicht beendet ist. Alle anderen Dinge kommen dann von allein und die besten Dinge ohnehin erst zum Schluss. Dafür muss jeder bis zum Ende Vollgas geben.

Ich hege keine Wechselgedanken.

Marcel Appiah

Ihr Vertrag läuft bis 2023. Bleiben Sie definitiv über den Sommer hinaus?

Ich hege keine Wechselgedanken.

Dem VfB wurde vor der Saison attestiert, einen starken Kader zusammengestellt zu haben. Hat es Sie dennoch überrascht, wie gut es dann lief?

Die guten Gespräche vor der Saison haben mich davon überzeugt, meinen Vertrag beim VfR Aalen aufzulösen. Den Verlauf der Saison kannst du nicht vorhersagen aber ich habe schnell gemerkt, dass wir eine richtig gute Truppe haben. Charakterlich und spielerisch. Dass es dann so läuft, ist natürlich wie gemalt. Alles, worüber wir sprechen, kommt jedoch nicht vom Reden. Nur vom Reden spielst du nicht so eine Saison. Du wechselst nicht zu einem Verein aus einer höheren Liga, nur weil du darüber redest. Du wirst nicht Meister, nur weil du darüber redest und Dario Fossi ist auch nicht der Trainer des Tabellenführers, nur weil er darüber redet. Es steckt viel Arbeit dahinter.

In Osnabrück haben Sie unter Daniel Thioune trainiert. Sehen Sie bei ihrem jetzigen Coach Dario Fossi Parallelen zu ihm?

Gewisse Parallelen gibt es auf jeden Fall. Maßgeblich hängt das mit der Ansprache der Spieler zusammen. Beide versuchen, die Spieler abzuholen und mitzunehmen. Das ist eine andere Generation von Trainern, die auf die Kommunikation mit den Spielern setzt. Ältere Trainer sind meist eher von Autorität und Führung geprägt. Darios Weg ist hier noch nicht zu Ende. Auf ihn wird noch einiges warten.

Am Montag hat Pelle Boevink den Punkt gegen Lübeck gerettet. Wie wichtig ist er nicht nur als Torwart, sondern dank seiner fußballerischen Qualitäten auch als elfter Feldspieler für die Mannschaft?

Extrem wichtig. Auch von seinem Charakter und seiner Persönlichkeit bringt Pelle jede Menge Dinge mit, die in der Kabine wichtig sind. Auf dem Feld kommen seine spielerischen Qualitäten dazu. Er ist ein Torwart, der mit dem Fuß extrem stark und wirklich ein elfter Feldspieler für uns ist. Da haben wir unbegrenztes Vertrauen in ihn.

Sämtliche Stammspieler haben bereits mehrere Jahre Regionalliga-Erfahrung auf dem Buckel oder teilweise auch schon höher gespielt. Schützt das in den kommenden Wochen vor flatternden Nerven?

Ich würde das mal ganz unabhängig vom Druck betrachten. Lassen Sie mich dafür etwas ausholen.

Gerne.

Eine Mannschaft ist ein bisschen wie eine Familie.

Marcel Appiah

Junge Spieler sind natürlich wichtig, weil keiner ewig spielen kann. Nur mit jungen Spielern geht es aber auch nicht. Es gibt diesen Trend, dass Vereine sagen: "Wir wollen nur noch jung und entwicklungsfähig." Das kann ich unter dem wirtschaftlichen Aspekt nachvollziehen, weil gehofft wird, dass später satte Transfersummen eingestrichen werden können. Aber das ist meiner Auffassung nach zu kurz gedacht. Eine Mannschaft ist ein bisschen wie eine Familie. Da gibt es Eltern, Onkels, Tanten, Omas und Opas, die die Hierarchie prägen und in schwierigen Zeiten eine Stütze sein können. Das sage ich nicht, weil ich nun ein älterer Spieler bin. Als ich in Bielefeld zu meinen ersten Einsätzen kam, hatten wir Spieler wie Markus Schuler, Rüdiger Kauf oder Andre Mijatovic, die wesentlich abgeklärter und ruhiger waren und mir in Stresssituation zur Seite standen. Ich wäre kein Profi geworden und hätte mich nicht so lange oben gehalten, wenn ich in meiner Karriere nicht auch von älteren Spielern profitiert hätte.

Nehmen Sie diese Führungsrolle nun auch ganz bewusst an? Zum Beispiel, wenn Sie, wie am Montag, in der Innenverteidigung neben einem 21-jährigen Fabian Herbst spielen?

Es gibt Situationen auf dem Feld, in denen du einem Spieler anmerkst, dass du die ein oder andere Hilfestellung geben musst. Als 34-Jähriger geht es mir nicht darum, jüngeren Spielern eine Einweisung zu geben. Ich will ihnen helfen, damit sie sich entwickeln. Durch die Präsenz der älteren Spieler muss eine Mannschaft spüren, dass sie gewisse Säulen hat, auf die sie sich verlassen kann. Diese Säulen müssen dann auch vorangehen. Niemand hört auf einen Spieler, der keine Leistung bringt.

Sie könnten der Abwehrchef des Teams sein, das den VfB nach 25 Jahren zurück in den Profifußball führt. Wäre das etwas Besonderes für Sie?

Persönlich habe ich immer gerne Erfolg (lacht). Wenn wir das schaffen sollten, würde es mich neben den Leuten hier in Oldenburg vor allem für das Team um das Team bei uns freuen, denn dort wird, weitestgehend ehrenamtlich, jede Menge Energie und Leidenschaft reingesteckt.

Was glauben Sie, was bei einem Aufstieg in die 3. Liga in Oldenburg möglich wäre?

Die Basis hier ist gut. Ich habe ja in Bielefeld und in Osnabrück gespielt. Mit Blick auf die Substanz hat Oldenburg als Stadt es verdient, im Profifußball dabei zu sein. Der VfB muss sich nicht verstecken.

Interview: Karsten Lübben