3. Liga

3. Liga: HFC-Stütze Niklas Kreuzer kehrt nach Krebs zurück

Comeback nach Schockdiagnose

Angst und Antrieb: HFC-Stütze Kreuzer kehrt nach Krebs auf den Platz zurück

Gilt als genesen und ist im Mannschaftstraining dabei: Niklas Kreuzer vom Halleschen FC.

Gilt als genesen und ist im Mannschaftstraining dabei: Niklas Kreuzer vom Halleschen FC. IMAGO/Köhn

Durch Niklas Kreuzers Gedankengänge dribbelt seit Monaten eine ganz bestimmte Vorstellung: Sie bildet eine Szene im Hallenser Leuna-Chemie-Stadion ab, an einem Tag Ende Januar oder Anfang Februar, so entscheidend ist das Datum gar nicht. Viel wichtiger ist der Moment, an dem der vierte Offizielle an der Seitenlinie endlich diese verdammte Tafel mit der Nummer acht darauf in die Höhe reckt. Kreuzer steht daneben, bereit, eingewechselt zu werden. Das Publikum erhebt sich von den Plätzen, es schreit seinen Namen - und Kreuzer rennt einfach los. "Diese Vorstellung hat mir Kraft gegeben", sagt der Rechtsverteidiger des Halleschen FC, der in den vergangenen Monaten gegen den Hodenkrebs gekämpft und erst einmal gewonnen hat.

Re-Start in der 3. Liga

Ein Tag im August und seine Folgen

Seit wenigen Wochen gilt der 30-Jährige als gesund, er ist schon wieder voll ins Training eingestiegen und hat auch das Trainingslager im türkischen Belek absolviert. An welchem Spieltag er in den Kader des abstiegsgefährdeten HFC zurückkehren wird, ist noch unklar. Kreuzer aber sagt: "Es ist ein schönes Gefühl, wieder Normalität zu spüren." Denn der Weg bis dahin hat viel Kraft gekostet.

Ein Tag im August vergangenen Jahres. Kreuzer ertastete selbst einen Knoten am Hoden, stellte sich deshalb bei einem Urologen vor. "Meine Gedanken waren damals ganz weit weg von dem, was es am Ende war", erzählt er heute. Doch bereits nach der ersten Ultraschall-Untersuchung bestand der Verdacht auf einen Tumor, nach weiterführenden Untersuchungen wurde daraus eine niederschmetternde Gewissheit. "An diesem Tag war das für mich wie eine Art Todesurteil", sagt der Familienvater, der mit Partnerin Melanie eine dreijährige Tochter hat. "Ich habe damals gar nicht so sehr daran gedacht, was jetzt mit mir passiert, sondern an meine Familie, an die Kleine. Was soll sie ohne Papa machen?"

"Da passiert etwas, was unvorstellbar ist"

Die behandelnden Ärzte nahmen dem HFC-Verteidiger zwar schnell die größte Angst, bezifferten die Heilungschancen auf 90 Prozent. Kreuzer stand dennoch unter Schock: "Ich wusste, dass ich schon wieder gesund werde. Aber der Gedanke an den Weg dahin hat mich verrückt gemacht. Es war klar, da passiert etwas, was unvorstellbar ist."

Während das Fußballgeschäft weiterlief, nahm Kreuzer den Kampf gegen die Krankheit auf. Wenige Tage nach der Diagnose wurde der Tumor entfernt und als bösartig identifiziert. Halles Vizekapitän musste in der Folge vier Chemotherapien absolvieren, verlor seine Haare, viel Gewicht, seine körperliche Fitness - und phasenweise auch seinen Kampfgeist. Denn Kreuzer musste monatelang getrennt von Freundin Melanie und Tochter Emily leben - paradoxerweise um sich zu schützen. Die behandelnden Ärzte hatten ihm geraten, so wenig Zeit wie möglich mit mehreren Menschen in geschlossenen Räumen zu verbringen. Also zog der gebürtige Münchner allein in eine Einraumwohnung. "Meine Kleine geht in den Kindergarten, die Gefahr für Infekte wäre groß gewesen", sagt er.

Haare und Bart wachsen wieder

Die kleine Familie traf sich zwar täglich für mehrere Stunden im Freien, die ständige Einsamkeit abseits der gelegentlichen Treffen hatte aber Folgen für Kreuzer. "Es gab Momente, in denen es mir zu viel wurde. Momente, als ich daran dachte, die Chemo abzubrechen und es auf mich zukommen zu lassen", sagt Kreuzer. Doch als er schwach wurde, blieb seine Melanie stark. Das Paar ist seit viereinhalb Jahren zusammen, hat vieles gemeinsam durchgemacht. Sie war der Rückhalt für den Führungsspieler des HFC. Seine Augen werden glasig, als er davon spricht: "Dafür wäre jedes Danke zu wenig."

Während sein Verein, der Hallesche FC, ohne Kreuzer in die Abstiegszone der 3. Liga rutschte, brachte der die Chemobehandlungen hinter sich, startete schon im Dezember mit leichtem individuellen Training und zog wieder zu Hause bei seiner Familie ein. Haare und Bart begannen neu zu wachsen, körperlich machte Kreuzer von Tag zu Tag Fortschritte. Er muss zukünftig zwar alle drei Monate zur Kontrolle, was "immer mit einem mulmigen Gefühl verbunden sein wird", wie er selbst sagt. Erst einmal aber gilt er als genesen.

Trainingsauftakt emotionales Highlight

Beim Jahresauftakt des HFC am 3. Januar kehrte Kreuzer dann auf den Trainingsplatz zurück. Für Sreto Ristic war das emotional "ein Highlight" und auch sportlich eine große Erleichterung: "Man merkt seinen Einfluss. Er tut den Jungs gut", sagt Halles Trainer. Der Tabellen-17. könnte seinen Anführer in der zweiten Saisonhälfte im Kampf um den Klassenerhalt gut gebrauchen, Ristic sagt aber auch: "Er bekommt von uns die Zeit, die er braucht."

Wie lange das konkret ist, lässt sich natürlich nicht seriös sagen. Klar ist aber schon jetzt: In nicht allzu ferner Zukunft wird das Szenario, das Kreuzer schon so lange im Kopf hat, jedoch Realität werden: Seitenlinie, vierter Offizieller, Tafel - und Kreuzer rennt einfach los.

Tobias Grosse

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