Nordost

Carl Zeiss Jena: Die Gründe für den Trainer-Verschleiß

Nach der Entlassung von Klingbeil

Alte Muster statt Zukunftsorientierung: Die Gründe für Jenas Trainer-Verschleiß

Einer von vielen: Auch René Klingbeil durfte keine Ära in Jena prägen

Einer von vielen: Auch René Klingbeil durfte keine Ära in Jena prägen imago images/Jan Huebner

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Business as usual! Der FC Carl Zeiss Jena dümpelt zwar seit vielen Jahren, mit kurzer Drittliga-Unterbrechung, in der Regionalliga
Nordost herum, liefert aber in einer Beziehung rekordverdächtige Meldungen - bei der Besetzung des Trainerstuhls. Auf René Klingbeil und seine beiden Assistenten folgt nach einem Jahr nun der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, der ehemalige Bundesliga-Profi Henning
Bürger
, der auch schon Interimsvorgänger seines damaligen Assistenten Klingbeil war, als Andreas Patz nach rund 12 Monaten beurlaubt wurde.

Dem ganz schwachen Saisonstart folgte eine Siegesserie von fünf Partien, allerdings kurz vor Weihnachten ebenso zwei Heimniederlagen, als man gerade ansetzen wollte vielleicht doch noch einmal oben anzugreifen. Mit Abpfiff der zweiten Pleite gegen die
abstiegsbedrohten Zwickauer
, die bis dahin noch keinen Auswärtssieg errungen hatten und mit einem sehr jungen Team gar 5:2 im Jenaer
Stadion gewannen, war klar, dass es nun doch wieder eine Trainerdiskussion geben würde.

Neue Maxime bei ersten Gegenwind über Bord geworfen

Die kann der Verein eigentlich gar nicht gebrauchen, wollte mit einem Zukunftskonzept nach personellen Änderungen im Sommer in Aufsichtsrat, Präsidium, und Geschäftsführung nun endlich Kontinuität zustandebringen, sich selbst disziplinieren. Alle Gremien hatten bei der Vertragsverlängerung mit René Klingbeil bis 2025 in diese Richtung getönt, als er den Aufwärtstrend nach Henning Bürger fortgeführt hatte. Die neue Maxime lautete nicht nur wegen der permanent leeren Kassen mit einem derzeit jährlich hohen sechsstelligen bis siebenstelligen Fehlbetrag, den früher immer der belgische Investor Roland Duchatelet ausgeglichen hatte, verstärkt auf den Nachwuchs zu setzen, siehe Zwickau. Dessen Übungsleiter Rico Schmitt hatte 2019/20 ebenfalls auf der Jenaer Bank gesessen. Zwei, drei junge Spieler kamen im Verlauf der bisherigen Saison zum Einsatz, drängten sich aber bis auf Benjamin Zank auch nicht auf.

Stefan Böger, zwei Monate als Sportdirektor im Amt, präsentierte den neuen Coach als "Fußballlehrer, der auch als Cheftrainer die Brücke zum eigenen Nachwuchs schlägt, was in der Umsetzung des Nachwuchskonzepts eine maßgebliche Komponente darstellt." So etwas ist natürlich nicht in kurzer Zeit zu schaffen, hätte nach der kritischen Saisonanalyse kurz vor Weihnachten mit dem alten Trainer aber zu weiteren Gesprächen führen müssen, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Zumal Böger, Bürger und Klingbeil eine Vergangenheit als Spieler bei diesem Klub haben. Dazu kam es nicht mehr. Auf der Website des Vereins wurde die Entlassung als Entscheidung aller drei Gremien verkündet. Doch so eindeutig wie das aussieht, ist es wohl nicht abgelaufen.

Panik-Reaktion schmerzt im Geldbeutel

Wieder einmal sind im Jenaer Paradies den Verantwortlichen die Pferde durchgegangen. Sicher war die Möglichkeit des direkten Aufstiegs in diesem Jahr mit dem gehaltenen Kader mitsamt der Leistungsträger und der guten Rückrunde der Vorsaison trotz der eigenen Vorgabe eines schrittweisen, nachhaltigen Aufbaus sehr verlockend. Doch das war mit 14 Punkten Rückstand auf die führenden Greifswalder jedoch schon vor der Trainerentlassung nicht mehr möglich. Die Lücke im Etat wird zudem nun zusätzlich sechsstellig größer. Die gewachsenen Zuschauereinnahmen durch das neue Stadion sind dabei keineswegs planbar.

Was den großen Verschleiß an Verantwortlichen auf der Trainerbank angeht, wäre das Festhalten am bisherigen Personal womöglich ein lohnender Ansatz gewesen. Wenn der eingeschlagene Weg nicht zum Erfolg führt, muss manchmal eben der Kurs gewechselt werden. Mit immer neuen Häuptlingen ist allerdings sicher keine kontinuierliche Entwicklung nach oben möglich, sondern stellt oftmals nur einen Schuss ins Blaue dar. Dem Erfolg hechelt man jedenfalls seit langem hinterher, obwohl bei der Vorstellung in den Verlautbarungen immer die jeweiligen Köpfe genau die Richtigen waren.

Ralph-Peter Palitzsch

Regionalliga Nordost: Alle Trainerwechsel der Saison 2023/24