Nationalelf

Nagelsmann nach dem Österreich-Debakel: Der Worker muss es wuppen

Nagelsmanns schmerzhafte Eingeständnisse

Der Worker muss es wuppen

Banger Blick ins EM-Jahr: Julian Nagelsmann.

Banger Blick ins EM-Jahr: Julian Nagelsmann. IMAGO/Sven Simon

Bis zum März und damit noch vier Monate hat Julian Nagelsmann Zeit, um die vielen Fragen, die der Auftritt seiner Mannschaft in Österreich aufgeworfen hat, zu beantworten. Und wer dem Bundestrainer am Dienstagabend in Wien auf der Pressekonferenz zuhörte, spürte, dass er dabei auch dorthin zu gehen bereit ist, wo es wehtut, und zwar ihm selbst.

Weil die bisher einzige Konstante seiner bislang vier Länderspiele war, dass das nächste immer ein bisschen schlechter war als das zuvor, will Nagelsmann Grundsätzliches überdenken, auch wenn er weiß, dass das sieben Monate vor einer Heim-EM ziemlich ungünstig ist.

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Vielleicht, überlegte er also, müsse er doch damit beginnen, wie einst in Hoffenheim sich dem Gegner anzupassen und den auf der USA-Reise eingeschlagenen "Weg einer Spitzenmannschaft" wieder zu verlassen. Bislang versuchte Nagelsmann, die "besten Spieler, die wir haben, auf die beste Position zu packen". Inzwischen dämmert ihm aber, dass die Qualität in seinem Kader dafür womöglich zu ungleich verteilt ist ("fünf Sechser, fünf Zehner, eineinhalb zentrale Stürmer, eigentlich nur ein halber richtiger Linksverteidiger").

Sollte man den "Weg einer Spitzenmannschaft" lieber Spitzenmannschaften überlassen?

Die Ausrichtung am Gegner wäre nicht nur ein kultureller Rückschritt, der gleichzeitig Nagelsmanns bei Leipzig und Bayern geschärftem Naturell zuwiderlaufen würde. Es wäre auch das Eingeständnis, dass man den Weg einer Spitzenmannschaft lieber Spitzenmannschaften überlässt, dass die Zeit für Underdog-Fußball gekommen ist, der in diesem Jahr einmal schon erfolgreich erprobt wurde: beim 2:1 gegen Frankreich, dem Spiel vor Nagelsmanns Anstellung.

"Es geht um die richtige Auswahl der passenden Spieler, die vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt weniger gut passen würden, aber in dem Status, in dem sich die deutsche Nationalmannschaft aktuell befindet, vielleicht einen Tick besser passen", drückte es Nagelsmann am Dienstagabend bewusst "sehr kryptisch" aus, wobei die Stoßrichtung sehr eindeutig war: Nach vielen Jahren, in denen sich kaum jemand für ihn interessierte, könnte nun der einfache Arbeiter wieder gefragt sein. Der "Worker", wie Nagelsmann ihn nennt. Der mit den "deutschen Tugenden", wie Rudi Völler, der Trainer beim Frankreich-Spiel, sagt.

"Es brennt natürlich unter den Nägeln, wenn du die ganzen Talente siehst, die wir haben. Als Trainer hast du erst mal die Hoffnung, wenn du fünf Zauberer hast: Die wuppen dir das vielleicht. Und die wuppen es auch normalerweise, wenn wir das Vertrauen haben. Wenn wir in den letzten zwei Jahren mehr Spiele gewonnen als verloren hätten, dann würden die wuppen, dass mehr Wuppen gar nicht geht. Doch vielleicht", grübelte Nagelsmann, "müssen wir auf zwei Prozentpunkte Talent verzichten und zwei Prozentpunkte mehr Worker reintun. Das werden wir jetzt alles analysieren."

Nagelsmann schwärmt von Bankdrücker Groß

Doch gibt es diese "Worker" in seinem Kader überhaupt? Ja, betonte der Bundestrainer und zählte auf: Leon Goretzka und Debütant Robert Andrich hätten sich gegen Österreich "voll reingeworfen", Joshua Kimmich tue das auch. Der erstmals nominierte Grischa Prömel "ist nur deswegen Profi geworden, hat sich im Training super eingefügt". Und "Pascal Groß ist eh ein Parademensch. Wenn du mit ihm sprichst, wie er Dinge wahrnimmt auf dem Feld - ich habe selten einen Profi gesehen, der sich selbst so unwichtig nimmt und sich gar nicht so bewusst ist, wie wichtig er eigentlich ist".

Gegen die Türkei und Österreich war er zwar so "wichtig", dass er trotz der guten Eindrücke in den USA nicht eine Minute spielte, doch es ist wie so oft in den letzten Jahren mit dieser Mannschaft: Die großen Gewinner sind die, die nur zugeschaut haben.

jpe

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