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"Alle Wege führen zu mir"- 'Faker'-Team wirft Turnierfavorit raus

Worlds 2023 - Weibo und T1 "durchbrechen die Meta"

"Alle Wege führen zu mir"- 'Faker'-Team wirft Turnierfavorit raus

'Faker' (mi.) wieder obenauf. Wer Weltmeister werden will, muss dieses Team schlagen.

'Faker' (mi.) wieder obenauf. Wer Weltmeister werden will, muss dieses Team schlagen. Colin Young-Wolff

"Alle Wege führen zu mir." Es sind markige Worte, mit denen Sang-hyeok 'Faker' Lee das Halbfinale einleitet und sie setzen den Ton. Seit über 10 Jahren dabei und auf dem Weg zum vierten Titel: League of Legends World Championships (Worlds) ohne 'Faker' - kaum noch vorstellbar.

Auch die Erzählung stimmt: Korea hat seinen Status als stärkste Region nun endgültig abgegeben, 'Faker' steht mit seinem Team T1 allein gegen drei chinesische Vertreter - Er wird erneut zum Endboss für die erstarkte LPL: Wer Weltmeister werden will, muss am "unsterblichen Dämonenkönig" vorbei.

Ende der Golden Road? JDG muss an 'Faker' vorbei

Im Halbfinale versuchte sich JD Gaming (JDG) an dieser Aufgabe. Der chinesische Meister ist auf der "Golden Road" - Einer Saison in der alle Titel gewonnen werden können. Fehlen tat JDG nur noch der WM-Sieg, MSI und beide Liga-Splits hatten sie schon in der Tasche. Gelungen ist das in der Geschichte von LoL noch niemandem. Es ist der Anlass für 'Fakers' Statement: "All Roads lead to me", egal wie golden oder steinig sie sein mögen.

Alle Wege führen zu 'Faker'. Der schulterts mit Gelassenheit. Colin Young-Wolff

Auf dem Papier war JDG der Favorit, dominante Spiele bei Worlds unterstrichen den Status zusätzlich. T1 auf der anderen Seite ist in der jetzigen Konstellation allerdings schon im vergangenen Jahr angetreten, viel besser aufeinander abgestimmt kann also kaum ein Team sein. "Jeder hat davon gesprochen, wie gut JDG ist, wir waren schon ein bisschen nervös", sagte T1s Jungler 'Oner' nach dem Match.

Spiel 1: Taktische Meisterleistung von T1

Dennoch sorgten die Koreaner vor Heimpublikum gleich im ersten Spiel des Best-of-Five für eine Überraschung. Auch hier taugten Favoritenstatus und vorherige Analysen wenig: Die Chinesen bekamen Rumble auf der Toplane, ein Pick, dem bislang noch kein Team bei Worlds wirklich beigekommen ist. T1 war allerdings vorbereitet.

Sie setzten Aatrox dagegen. Das reichte aus der Erfahrung allerdings nicht - es brauchte einen Plan. 'Oner' ging eine ungewöhnliche Route und vermied es clever, entdeckt zu werden. So tauchte er schon nach 2:30 Minuten auf der Toplane auf und zwang JDGs '369' zur ersten Pause. Mit dem frühen Triumpf im Vorteil, schaffte T1s 'Zeus' dann bei 6 Minuten einen Solokill und stellte Rumble kalt. Der Anfang vom Ende. Komplett knickte der chinesische Meister nicht ein, war aber nach 25 Minuten geschlagen - mit 22:7 Kills.

JDGs Comeback in Spiel 2: Eine Schlacht der Strategien

In Spiel 2 zog T1 die Doppel-AD-Botlane, bestehend diesmal aus Ashe und Caitlyn. Aber hier war JDG seinerseits vorbereitet: Senna und Kalista in Kombination mit Übertank K‘Sante auf der Toplane ließen den Koreanern wenig Chancen - Heilung und Rüstung waren zu stark. So deutlich wie in Spiel 1 wurde es nicht, es brauchte immerhin 38 Minuten für den Sieg.

'Oner' spielte seinerseits Maokai, eigentlich bisher ein vielumkämpfter Champion, und starb siebenmal. Bezeichnend, dass er nach dem Halbfinale sagte, er hoffe, dass er wieder mehr spielbestimmende Charaktere picken dürfe, und weniger Unterstützer. Spiel 2 zeigte eindrucksvoll, warum.

Die derzeit beste Botlane der Welt: T1s 'Gumayusi' (li.) und 'Keria'. Colin Young-Wolff

Schachspiel auf höchstem Niveau: T1 hat dank starkem Team die Nase vorn

Auch in den verbliebenen zwei Durchgängen zeigten beide Teams League of Legends auf höchstem Niveau. So gut wie immer hatten sie eine Antwort, wenn der Gegner irgendetwas auf der Karte tat. Das Spiel erinnerte an Schach: Für jeden Zug gibt es einen sinnvollen Gegenzug - Gewinnen würde der, der die besten Ideen und schlauesten Fallen auspackte.

T1 geriet dabei zum Wespenschwarm: Man konnte sich 'Faker' stöhnend vorstellen, wenn seine allesamt jugendlichen Teamkollegen wieder irgendwo einen Kampf anfingen und er schnell hinzuteleportieren musste. Geriet ein T1-Spieler in Not, war in Sekunden der Rest der Mannschaft da und räumte auf.

"Die Meta durchbrechen und definieren" - 'Keria' und 'Gumayusi' das Maß der Dinge

Zwei weitere Siege reichten T1 für den Finaleinzug. Einmal per Meta-Mannschaft und gegen die Doppel-AD-Botlane von JDG. Dann im vierten Durchgang mit dem ungewöhnlichen Yone auf Top und Bard als Supporter. Das Halbfinale zeigte T1s Stärke: In der Mannschaft kann jeder die Carry-Pants überstreifen. Supporter 'Keria' wurde von Riot zum Spieler der Begegnung gewählt, Toplaner 'Zeus' kann Games übernehmen, 'Oner' auf spielbestimmenden Junglern ebenfalls die Partie an sich reißen und AD-Carry 'Gumayusi' ist sowieso eine Klasse für sich. Zusammengehalten wird die Mannschaft vom besten Spieler aller Zeiten in LoL: 'Faker'.

Worlds 2023

"Bei diesen Worlds sind wir alle von einer Xayah- und Kai'Sa-Meta ausgegangen", sagte Supporter 'Keria' nach dem Spiel. "Hätten wir uns strikt daran gehalten, hätten wir wohl nicht um den Pokal kämpfen können. Ich glaube, weil wir darüber nachgedacht haben, wie wir die Meta durchbrechen und kontern können, können wir das jetzt. Wir sind auf dem richtigen Weg."

Zweites Halbfinale: Auch Weibo durchbricht die Meta

Die Meta durchbrechen war auch das Stichwort für das zweite Halbfinale. Weibo Gaming schickt sich an, den letztjährigen Lauf von DRX zu wiederholen. Zwar mussten sie als Vierter der chinesischen Liga nicht durch die Play-Ins, aber diese Regel ist 2023 neu - DRX war Vierter in Korea. In vielen Matches als Underdog gesetzt, triumphiert sich Weibo mit unerwarteten Picks und Taktiken von Sieg zu Sieg - Ganz so wie 'Keria' das für sein T1 beschreibt.

Das Rumble-Problem bei Worlds. Warum man einen Plan braucht und gewiss 'TheShy' den Champion nicht gibt, sieht man hier. Riot Games

Gegen BiliBili Gaming (BLG) ging es mit einer ungewöhnlichen Bel’veth im Jungle und eben jenem Rumble auf der Toplane los. 'TheShy', dem derzeit vermutlich besten Toplaner der Welt, sollte man solche Picks nicht geben. 24.000 Schaden mit dem Champion brachten den ersten Sieg. Die Partie blieb aber hart umkämpft: Über die volle Distanz mussten die beiden Teams antreten und zeigten das nach unserer Einschätzung mindestens zweitbeste Best-of-Five des Turniers.

Wo Weibo die Meta zu durchbrechen wagte, versuchte sich BLG mit dem, was in der Schweizer Runde als Standard etabliert wurde - Jeweils mit Erfolgen. Letztlich siegte das "Super-Team", das wohl speziell für große Erfolge zusammengestellt wurde, bisher aber noch nicht zündete. Die Chinesen räumten damit auch mit dem Narrativ auf, man sei nur durch Zufall bis an diese Stelle gekommen: Auf seinem Weg schlug Weibo bisher nur westliche Mannschaften - Damit war nun Schluss.

Stehen ebenfalls im Finale: Weibo Gaming um Top-Laner 'TheShy' (re.). Colin Young-Wolff

Führt wirklich alles zu 'Faker'? Finale am Sonntag

Am Sonntag erwartet uns nun ein spannendes Finale, auf dem Papier ist T1 der Favorit. Faker steht sieben Jahre nach seinem letzten Titel vor der Möglichkeit, den Summenors Cup das vierte Mal zu gewinnen. Interessant dürften die Spiele werden, da beide Mannschaften vermutlich ungewöhnliche Champions zeigen werden. 'Keria' und 'Gumayusi' gehen sowieso davon aus, die Meta derzeit zu definieren und 'Zeus' freut sich auf 'TheShy'. Dennoch ist es wieder eine Weltmeisterschaft, deren Fokuspunkt 'Faker' ist. Kann er den Titel holen? Alles dreht sich um ihn, einschließlich der Wege, die zu ihm führen. Gespielt wird am 19. November ab 9 Uhr deutscher Zeit.

Holm Kräusche