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Märchenhafter Lauf: DRX ist LoL-Weltmeister

Europa besiegt, Weltmeister geschlagen, 'Faker' entthront

Märchenhafter Lauf: DRX ist LoL-Weltmeister

'Deft' macht seinen Traum wahr - DRX gewinnt die LoL-WM.

'Deft' macht seinen Traum wahr - DRX gewinnt die LoL-WM. Colin Young-Wolff/Riot Games

"Wenn dir diese Serie nicht gefällt, dann magst du auch kein League of Legends. Wenn du nicht begeistert bist, was ist dann mit dir?" Es ist 'CaptainFlowers', Kommentator der WM-Serie, dem die ersten Worte dieses Textes gehören.

DRX hat das Unfassliche wahr gemacht. Noch nie hat es eine Mannschaft von den Play-Ins ins Finale geschafft, geschweige denn den Titel geholt. Als Underdog in fast alle Spiele gegangen, hat das koreanische Team Samstagnacht den Weltmeistertitel errungen. Und wie. Über fünf Runden ging das Finale gegen T1 um den "unsterblichen Dämonenkönig" 'Faker', der bei so gut wie allen als haushoher Favorit galt.

Bis zum Ende war es ein atemberaubendes Hin und Her, jedes Mal konnte zunächst das Team auf der blauen Seite gewinnen. In der letzten Runde holte "DragonX" dann auf der roten Seite die Asse aus dem Ärmel, überraschte und besiegte den eigentlich überlegenen Gegner.

Stadion Lol WM Finals

Das Chase Center in San Francisco, Kalifornien. Colin Young-Wolff/Riot Games

T1 deklassiert DRX zunächst in Spiel eins

Samstagabend in Los Angeles, Riot Games hatte die Bühne der Halbfinals mitgebracht und das Stadion bis unter die Decke gefüllt. Im eigenen Land bot der Spielepublisher sein bestes Team auf, sowohl am Analystdesk, als auch bei den Castern. Keiner rechnete mit der Serie, die die beiden Mannschaften boten. 3:0 oder 3:1 für T1 oder DRX waren vorhergesagt.

Caster Kobe

"T1, überlegen im Draft, in der Technik", analysierte 'Kobe' (li.) im ersten Spiel und 'CaptainFlowers' fragte: "Are you not entertained?" Bruno Alvares/Riot Games

Begonnen hat alles wie erwartet: "T1, überlegen im Draft, in der Technik, auf der Bühne, und mit Druck auf den Objectives, bei jeder Gelegenheit", fasste Sam 'Kobe' Hartman-Kenzler Spiel eins zusammen. T1 dominierte, ja deklassierte DRX. "Sauber, ruhig und gelassen", spielte der Favorit auf. Das lag auch daran, dass die Gegner zu fast jedem wichtigen Kampf um ein neutrales Ziel, wie Drache, Baron, oder Herald, zu spät kamen. Keinen Plan hatte das Team parat, um auf der anderen Seite der Karte solche Siege auszugleichen.

Es dauerte bis zu Minute 15 in Spiel zwei (!) bis DRX überhaupt einmal Zugriff bekam und den ersten Rift Herald für sich beanspruchte. T1 fiel danach in ein Loch, aber nur ein kleines. Schon vorher besser, kämpfte sich 'Faker's Mannschaft zurück. Dann kam DRX wieder an den Drücker: 'CaptainFlowers' Zitat hätte schon hier gegolten.

Auch das Ende des Spiels blieb denkwürdig: T1 gewann die Drachenseele, wollte im Anschluss direkt den Baron holen, wurde dabei von DRX aufgepickt. Mit Mut eilte das Team anschließend bis zum Nexus durch und gewann so mit einer entschlossenen Entscheidung.

Keine Tanks bis zu Spiel drei - Die Serie hielt, was sie versprach

Die Serie hielt, was sie versprochen hatte. Es dauerte bis zum dritten Spiel, bevor die Mannschaften überhaupt Tanks in die Kluft brachten. Hauptsache Teamkämpfe, Hauptsache viel Schaden, Hauptsache viel Potenzial, die Gegner vom Feld zu nehmen. Auf diesem immens hohen Niveau eines WM-Finals waren es besonders Einzelleistungen, die den Unterschied machten.

DRXs Jungler 'Pyosik' und AD-Carry 'Deft' schafften es in Durchgang drei mehrmals nicht, trotz Kalista und Smite die neutralen Ziele zu sichern. Eigentlich peinlich, gab es aber keinen Spieler auf beiden Seiten, der sich nicht mindestens einen Bock leistete. Beide koreanischen Mannschaften waren dann stets in der Lage, davon zu profitieren.

Trauriger Faker

Konnte seinen vierten Titel trotz Favoritenrolle nicht holen: Sang-hyeok 'Faker' Lee. Colin Young-Wolff/Riot Games

Im positiven Sinne dasselbe: Mutmaßlich MVP-AD-Carry des Turniers, schaffte es 'Gumayusi' von T1, Baron mit einem Schuss seines Varus zu stehlen. Auf Basis dieser einen, perfekt genutzten Fertigkeit konnte T1 Spiel drei für sich entscheiden. Es war letztlich erneut DRX, die gegen SKT unterlegen "in der Technik und auf der Bühne" waren.

Dass Kallista aktuell kein guter Pick ist, lernte auch T1 in Spiel vier, diesmal wieder auf der roten Seite und damit als Zweiter dran, in der Pick- und Bannphase. Ein Nachteil in der aktuellen Meta, da die ersten drei Bans per Seitenwahl schon festgelegt sind, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. T1 ließ Aatrox zu, der einzige Champion bei Worlds 2022, der immer entweder gebannt oder gespielt wurde. Eine schlechte Idee: 25k Schaden von DRX-Toplaner 'Kingen' brachten T1 von einem Matchpoint ins entscheidende Spiel fünf.

Aatrox 25 K Schaden

Die Erinnerung für T1 daran, warum Aatrox immer gebannt oder gepickt wird: Spiel vier. kicker eSport/Riot Games

Zwei Asse im Ärmel

Damit waren alle vorherigen Ergebnisse egalisiert. Wer das letzte Spiel gewinnen würde, würde sich zum Weltmeister krönen. Da war auch T1s Dominanz über die komplette Saison nichts mehr wert. Der Favorit wählte seine Champions konservativ und DRX tat das genaue Gegenteil. Auf der roten Seite spielend, ließen sie überraschen Caitlyn offen und nahmen stattdessen Lux aus dem Spiel.

Hierzu müssen wir etwas tiefer schauen: Caitlyn ist einer der vorher angesprochenen obligatorischen Bans. T1 hielt stattdessen den Supporter für den entscheidenden Faktor in dem übermäßig starken Botlane-Pick und schnappte sich Karma in der ersten Runde. Ob DRX darauf gesetzt hatte? Denn eigentlich, so die Analyse zuvor, braucht Caitlyn einen speziellen Partner: Beispielsweise Lux oder Karma. Beide nun raus, fühlte sich T1 sicher. Aber DRX hatte Asse im Ärmel.

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Supporter 'BeryL' pickte Bard, völlig überraschend und ungesehen im Turnier. Dazu holte sich das Team wieder Aatrox, den Königsmacher aus Spiel vier. Für den Jungle gab es ebenfalls äußerst unerwartet Hecarim. T1 wollte in der Toplane mit Gwen kontern, das hatte schon zuvor gut funktioniert.

Das Spiel auf Messers Schneide

Nicht so überrumpelt, wie sie schienen, versuchten T1 zunächst Hecarim anzugreifen: Die korrekte Taktik, die zunächst auch fruchtete. Das Spiel blieb 40 Minuten lang auf Messers Schneide und extrem spannend. Zwei Mal konnte T1 erneut besseres Verständnis beweisen und einen Inhibitor zerstören. Aber DRX blieb dran, gab niemals auf.

Mit der Drachenseele und dann dem Ahnendrachen im Gepäck, alles bis aufs Blut umkämpft, schaffte es das Team, beim Stand von 17:10 Kills durchzupreschen. Das Gold blieb auch zu diesem Zeitpunkt gleich verteilt. Aber mit Caitlyn, Aatrox, Azir und dem Ahnendrachen als Unterstützung, hatte DRX alles was sie brauchten. Mit immer noch einem zerstörten Inhibitor, zerschlug das Underdog-Team die letzten Verteidigungen und krönte den noch nie da gewesenen Lauf in der Geschichte von League of Legends.

Deft Am Ziel Seiner Reise

"Jede einzelne Nacht habe ich davon geträumt, die Weltmeisterschaft zu gewinnen." 'Deft' nach dem Spiel. Colin Young-Wolff/Riot Games

Als Vierter der eigenen Liga gekommen, eine schlechte Saison gespielt, gegen spätere Gegner immens hohe Niederlagen-Serien eingefahren, marschierte DRX durch das Turnier.

Nach den Play-ins bekam erst Rogue den späteren Weltmeister zu spüren, obwohl eigentlich favorisiert. Im Viertelfinale wurde der amtierende Champion auf die Plätze verwiesen, DRX wieder deutlicher Underdog. Im Halbfinale dann der Meister der eigenen Liga: 3:1 vom Platz gefegt. Und auch 'Faker', der angetreten war, seinen vierten Titel zu holen: Letztlich unterlegen gegen die junge Zusammenstellung um Veteran 'Deft'.

"Jede einzelne Nacht habe ich davon geträumt, die Weltmeisterschaft zu gewinnen", sagte er unter Tränen nach dem Spiel, aber auch: "Das Team steht im Mittelpunkt." Toplaner 'Kingen' ähnlich: "Unabhängig von der Bühne wollen wir den Moment genießen. Jeder Schritt, den wir gemacht haben, war es wert", sagte er, bezogen auf die schwierige Saison.

DRX Glucklich Nach WM Titel

Glückliche Gewinner: 'Kingen', 'Pyosik', 'Zeka', 'Deft' und 'BeryL' (von links). Colin Young-Wolff/Riot Games

DRX gewinnt nebst Pokal und Ringen ein Preisgeld von mindestens 489.500 US-Dollar, was 22 Prozent des Pools sind. Obendrauf dürften noch das von den Fans über Ingame-Käufe gesponsorte Preisgeld kommen. In der Geschichte des Sports hat sich das Team nun auf immer verewigt. Noch nie hat es eine Mannschaft geschafft, einen solchen Lauf hinzulegen. Und das wird vermutlich noch lange so bleiben.

Holm Kräusche

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