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Rubiales' Verhalten ist ein Skandal - Wird der Fußball lernen?

Kommentar

Rubiales' Verhalten ist ein Skandal - Was wird der Fußball daraus lernen?

Sich seiner Verfehlungen offenbar nicht bewusst: Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales.

Sich seiner Verfehlungen offenbar nicht bewusst: Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales. IMAGO/NurPhoto

Bei den Pferderennen im englischen York ist am Wochenende "Live In The Dream" erstmals in einem Gruppe-1-Rennen als Sieger ins Ziel eingelaufen. Gleich darauf hat Trainer Adam West in einem Live-Interview vor Freude geweint. Und Jolene de'Lemos, die Besitzerin des in Epsom gezogenen Galoppers, stürmte auf Jockey Sean Kirrane zu, küsste den Mann mitten auf den Mund.

Man könnte diese Episode auf sich beruhen lassen. Doch die überschwängliche Szene von einem Nebenschauplatz geht viral, weil sie missbraucht wird für eine allzu oberflächliche Sichtweise in einer wichtigen gesellschaftlichen Debatte: als Beleg dafür, das Verhalten des spanischen Fußballverbandspräsidenten Luis Rubiales im Allgemeinen und im Speziellen sein Kuss auf den Mund von Nationalspielerin Jennifer Hermoso bei der Ehrung der Weltmeisterinnen seien doch gar nicht verwerflich. Sind sie natürlich doch.

WM-Finale der Frauen

Rubiales' Macho-Gehabe war übergriffig, unverschämt, sexistisch. Sein Auftreten gehört sich nicht: für keinen Repräsentanten von welcher Organisation auch immer, für keinen Chef, für keinen Vorgesetzten. Rubiales musste nicht nur, wie in einem ersten Schritt der FIFA geschehen, gesperrt werden. Er muss aus seinen Positionen befördert werden, da er selbst weiter total versagt und von seinem Amt in Spanien nicht zurücktritt und somit auch von dem eines Vizepräsidenten der UEFA nicht.

Wohltuend haben die DFB-Frauen auf einen aktionistischen Schnellschuss verzichtet

Auf infame Weise versuchte Rubiales sich reinzuwaschen, indem er die Spielerin unter Druck setzte, sie gar der Lüge bezichtigte, und - offensichtlich vergeblich - den Verband hinter sich versammeln wollte. Doch die Reihen der Claqueure lichteten sich schnell. Wie stark sind im Gegensatz dazu die solidarische und stabile Haltung der spanischen Nationalspielerinnen und die Unterstützung für sie weltweit!

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Der Boss des Verbandes wird diesen Skandal nicht überstehen. Ob der Verband, in dem vor der WM schon das Vorgehen von Trainer Jorge Vilda kritisiert wurde, Benehmen und Haltung ändert, bleibt abzuwarten. Denn es geht eben nicht nur um einen Kuss oder den spontanen Jubel im Erfolg. Es geht um Systeme gerade im Sport, die - nicht nur in Spanien - Macht ausüben, indem sie die Persönlichkeitsrechte und Intimsphären von Frauen missachten. Die Zeichen der Zeit erkennt Rubiales nicht. Das erübrigt ihn als Leader im Jahr 2023 sowieso.

Doch was geschieht, wenn die aktuelle Aufregung verflogen ist, im Fußball allgemein? Mehr Frauen in Führungspositionen, den sportlichen und geschäftlichen, würden helfen, weibliche Sichtweisen und Kompetenzen einzubringen, was für Teamwork und lernende Organisationen von Vorteil ist. So zielführend wie wohltuend hat der Mannschaftsrat der DFB-Frauen auf einen aktionistischen Schnellschuss verzichtet und seine Stimme lieber ausgeruht, aber klar erhoben. Eine Botschaft lautet: Als Kleinigkeit sollte den Skandal um Rubiales niemand abtun.