Europa League

Hellmann: "Ein Ansturm, den Sevilla noch nicht erlebt hat"

Über 100.000 Fans - Die große Völkerwanderung zum Europa-League-Finale

Riesige Vorfreude bei Hellmann: "Ein Ansturm, den Sevilla noch nicht erlebt hat"

Freut sich ungemein auf Sevilla: Axel Hellmann.

Freut sich ungemein auf Sevilla: Axel Hellmann. IMAGO/HJS

Eintracht-Vorstand Axel Hellmann spricht von einem "ewigen Traum", gegen die Rangers zu spielen, "weil 1960 über allem schwebt". Damals schlugen die Feierabendfußballer vom Riederwald die Profis aus Glasgow mit 6:1 und 6:3 im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister. Das später zum Jahrhundertspiel gewählte Finale gegen Real Madrid (3:7) fand schließlich vor 127.000 Zuschauern im Glasgower Hampden Park statt.

Was viele nicht wissen: Die Verbindung zwischen Frankfurt und den Rangers war so eng, dass die Hessen 1961 auf Einladung der Schotten erneut im Hampden Park spielten. Anlass war die Einweihung einer neuen Flutlichtanlage, 104.000 Fans kamen zu diesem Freundschaftsspiel.

Diese historische Verbindung sorgt hoffentlich dafür, dass die Fans eine große gemeinsame Party feiern werden und es nicht wie gegen West Ham United zu Ausschreitungen kommt. Mit "Zwischenfällen" rechnet Hellmann allerdings nicht: "Beide Vereine fühlen sich freundschaftlich verbunden."

Sie haben nahezu sämtliche Fähren gekapert. So etwas beeindruckt mich, die haben richtig Bock drauf.

Axel Hellmann

Aus dem Weg gehen können sich die Fanlager bei kuscheligen 34 Grad im Schatten, die für Sevilla vorhergesagt sind, jedenfalls kaum. Hellmann berichtet, dass mindestens 70.000 bis 80.000 Anhänger der Rangers in Andalusien erwartet werden. Dabei handelt es sich um eine konservative Schätzung, es könnten auch über 100.000 fußballverrückte Schotten anreisen: "Sie haben nahezu sämtliche Fähren gekapert. So etwas beeindruckt mich, die haben richtig Bock drauf."

Das gilt selbstredend auch für die Anhänger der Eintracht, die in der Stadt allerdings in Unterzahl sein werden. "Wir rechnen mit 40.000 bis 50.000 Fans, auch das ist eine gewaltige Zahl", sagt der Vorstandssprecher. Über 20 Flieger wurden allein über den Fanklubverband organisiert, was den Bedarf nicht annähernd deckt. Tausende Anhänger werden über alle nur erdenklichen Umwege nach Sevilla kommen.

Exemplarisch nennt Hellmann die Route des Fanklubs "Hausbergadler" aus der Wetterau: Per Flugzeug geht es erst nach Venedig, dann weiter nach Malaga und von dort schließlich mit dem Bus nach Sevilla - eine 16- bis 17-stündige Tour, einfache Strecke. Hellmanns Fazit: "In Sevilla erwarten sie einen Ansturm, den diese Stadt noch nicht erlebt hat. Das wird ein einzigartiges Zusammentreffen der sangeskräftigsten und begeisterungsfähigsten Fans Europas."

Kapazitäten werden ausgebaut

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Klub und Fans haben den gleichen Wunsch: Die Eintracht soll die Europa League gewinnen. IMAGO/Hartenfelser

Deshalb wird seitens der UEFA nun sogar daran gearbeitet, das Spiel in Sevilla auf zwei großen Plätzen für jeweils bis zu 50.000 Fans zu übertragen. Denn offiziell bekam jeder Klub nur 10.000 Tickets für seine Anhänger, dabei hätte allein die SGE über 100.000 Karten verkaufen können. Selbst für das Public Viewing im Waldstadion hätte der Klub eine sechsstellige Anzahl an Tickets absetzen können.

"Ich bin schon ein paar Jahre dabei, aber das habe ich in der Form noch nicht erlebt", staunt Hellmann. Vor der Arena wird nun noch eine weitere Leinwand installiert, das schafft weitere 5000 bis 6000 Plätze. "Damit werden über 50.000 Menschen in und um das Stadion herum sein", sagt Hellmann.

Trauungen sicherheitshalber abgesagt

Sollte die Eintracht den Pokal tatsächlich nach Frankfurt holen, werden am kommenden Donnerstag Hunderttausende auf den Beinen sein. Nach der Landung am späten Nachmittag würde die Mannschaft wie schon nach dem DFB-Pokalsieg 2018 in Cabrios vom Flughafen zum Römer fahren und sich feiern lassen. Da sind wir wieder beim Thema fehlende Superlative - was dann in Frankfurt los wäre, übersteigt jede Vorstellungskraft.

Sicherheitshalber wurden bereits neun Trauungen, die am 19. Mai im Römer stattfinden sollten, verlegt. Die betroffenen Paare will Hellmann zu einem Heimspiel in der kommenden Saison einladen. Es ist beileibe nicht so, dass sich die Eintracht wie der sichere Sieger fühlt, doch es wäre unprofessionell, nicht für alle Eventualitäten zu planen.

Ich spüre Enttäuschung und Wut.

Axel Hellmann

Der einzige Wermutstropfen ist die Enttäuschung der Fans, die keine Karte fürs Finale bekamen. "Das Thema liegt mir schwer im Magen. Ich spüre Enttäuschung und Wut. Auch aus meinem Freundeskreis bekam ich eine ganze Reihe enttäuschter Mails", erzählt Hellmann. Bei der Verteilung und Verlosung der Tickets seien verschiedene "Cluster" gebildet worden, was dazu geführt hätte, dass selbst einige "Vielfahrer und Allesfahrer" leer ausgegangen seien: "Ich kann total verstehen, dass viele Menschen, die seit Jahrzehnten die Eintracht besuchen, die in Gütersloh, Meppen, Babelsberg und Oldenburg dabei waren, fragen: Wieso kriegt der ein Ticket und ich nicht?"

Hellmann macht keinen Hehl daraus, dass die aktive Fanszene bevorzugt wurde - aus nachvollziehbaren Gründen. "Die Wucht von der Kurve ist zentral. Unsere Mannschaft braucht den kompletten und organisierten Support. Wir sind pragmatisch, wir wollen den Furor von den Rängen auf den Patz bringen", betont der 50-Jährige. Gelingt das, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Eintracht nach dem UEFA-Cup-Sieg vor 42 Jahren den zweiten internationalen Titel nach Frankfurt holt. Vielleicht entstünde im Siegesrausch dann auch ein neues, passender Superlativ für eine Stadt und einen Verein im Ausnahmezustand.

Julian Franzke

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