Basketball

Wenn Basketball zur Nebensache wird: Bayern-Gedanken bei Zipser

Trinchieri berichtet von "rationaler Traurigkeit"

Wenn Basketball zur Nebensache wird: Bayern-Gedanken bei Zipser

Andrea Trinchieri musste die ganze Finalserie auf Paul Zipser (re.) verzichten.

Andrea Trinchieri musste die ganze Finalserie auf Paul Zipser (re.) verzichten. imago images

Normalerweise wäre Andrea Trinchieri vielleicht sauer gewesen nach dem Finale um die Basketball-Meisterschaft. Für den Italiener aber war die 79:86-Niederlage gegen Alba Berlin ebenso nebensächlich wie umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, Fehler im eigenen Team oder das verpasste Happy End nach einer mal wieder wilden Aufholjagd. Nein, solche negativen Gefühle ließ Trinchieri nicht zu, als er sich am Sonntagabend in die Pressekonferenz setzte. Er trug ein Trikot seinen Spielers Paul Zipser, der die gesamte Finalserie gefehlt hatte - und dem die Gedanken Trinchieris galten.

"Nichts ist jetzt wichtiger, als dass Pauli wieder gesund wird und in sein normales Leben zurückkommen kann", sagte der Trainer. Seine Stimme zitterte leicht. Zipser war wegen einer Blutung im Gehirn notoperiert worden, just am Mittwochmorgen, nur Stunden bevor die Bayern in Berlin das erste Finalspiel der Bundesliga absolvierten. Erst am Sonntag wurde die Nachricht über den Notfall bekannt. Der 27-Jährige hat den Eingriff dem Vernehmen nach gut überstanden.

Nichts ist jetzt wichtiger, als dass Pauli wieder gesund wird und in sein normales Leben zurück kommen kann.

Andrea Trinchieri

"Es ist unglaublich, wie wir die Situation gemeistert haben. Ich weiß gar nicht, wie wir das geschafft haben", sagte Trinchieri. Die Verantwortlichen um Geschäftsführer Marko Pesic, Sportdirektor Daniele Baiesi und Coach Trinchieri hatten das Team über den Zustand von Nationalspieler Zipser stetig informiert. Dass die Mannschaft unter den Umständen so einen Finalkampf ablieferte und sogar am Sonntag kurz vor Schluss noch die Chance auf ein wildes Comeback nach zwischenzeitlichem 16-Punkte-Rückstand hatte, das erfüllt den Trainer mit Stolz. "Alle waren unglaublich, wir haben Herz gezeigt."

Schon während der Partie trugen die Ersatzspieler neben dem Parkett Zipser-Trikots mit der Nummer 16, die 1300 zugelassenen Fans skandierten immer wieder den Namen des beliebten Flügelspielers. Auch Berlin-Kapitän und Auswahl-Kollege Niels Giffey war betroffen. "Liebe Grüße an Paul, das tut mir leid, was da passiert ist", sagte er bei Magentasport. "Ich habe ihm geschrieben, wir sind in Gedanken bei ihm und hoffen, dass es ihm bald gut geht und alles gut verläuft."

Giffey konnte nach dem dritten Alba-Sieg in der Best-of-Five-Serie den silbernen Meisterpokal im Audi Dome in die Höhe recken - die Münchner verfolgten den Moment mit hängenden Köpfen an die Banden gelehnt. "Wir haben alles gegeben, aber es hat nicht gereicht, und wir können stolz auf uns sein", sagte Kapitän Nihad Djedovic. So sah das auch Trinchieri. Er fühle "keine überwältigende Enttäuschung, sondern eher eine rationale Traurigkeit", schilderte der Italiener.

Trophäen setzen Staub an, aber Erinnerungen leben für immer.

Andrea Trinchieri

"Niemand kann uns diese unglaubliche Saison wegnehmen", sagte er zu den überwältigenden Erfolgen in der Euroleague bis ins Viertelfinale, den atemberaubenden Aufholjagden selbst gegen europäische Topteams, dem Pokalsieg vor wenigen Wochen gegen Alba. "Trophäen setzen Staub an, aber Erinnerungen leben für immer", sagte der Trainer, dessen Vertragsverlängerung nur "eine Frage der Zeit" ist, wie er meinte.

Von außen könne man nicht begreifen, was für enge Bindungen die Spieler untereinander hatten, erzählte Manager Baiesi - nicht erst, aber vor allem seit dem Zipser-Schock. "In den letzten sieben Tagen wurde aus einer großartigen eine unvergessliche Saison", sagte er.

Der Coach wurde dann noch gefragt, welcher Moment ihm am meisten in Erinnerung bleiben wird von dieser XXL-Saison mit wahnwitzigen 90 Spielen: Er wählte den Alley-Oop-Dunking von Vladimir Lucic im vierten Viertelfinale der Euroleague gegen Olimpia Mailand kurz vor Schluss - eine atemberaubende Aktion, mit der das vorzeitige Aus verhindert wurde. Den Pass dazu lieferte übrigens Paul Zipser; und damit war Trinchieri wieder bei dem Spieler, dessen Schicksal den Basketball selbst in einer Finalserie in den Hintergrund rückt.

dpa