Eishockey

DEL-Check, Gruppe Süd: München, Mannheim - und dann?

Die Süd-Gruppe der DEL im Check

München, Mannheim - und dann?

Geht einmal mehr als Favorit an den Start: Der EHC München.

Geht einmal mehr als Favorit an den Start: Der EHC München. imago images

Die Favoriten

EHC Red Bull München: Ewig dominant

Die Oberbayern sind in den letzten fünf Jahren das Maß der Dinge in der DEL gewesen - trotz des kleinen "Ausrutschers" 2019 mit der Finalniederlage gegen Mannheim. Drei Meistertitel in Folge davor sowie der inoffizielle Meistertitel 2019/20 nach der abgebrochenen Hauptrunde sprechen aber eine deutliche Sprache für die Dominanz der Münchner.

Personal: Der Kader von Titelsammler Don Jackson hat noch immer höchstes DEL-Niveau, dennoch ist hier und da im Vergleich zur Vorsaison ein wenig Substanzverlust zu erkennen. Mit Bobby Sanguinetti blieb einer der besten Offensivverteidiger der Liga trotz Vertrag aufgrund der Pandemie lieber in der Heimat, auch Andrew Bodnarchuk (Nürnberg), Blake Parlett (Tampere) und Emil Quaas (Ingolstadt) gingen, mit Andrew MacWilliam und den Eigengewächsen Nicolas Appendino und Luca Zitterbart sollen weniger erfahrene Akteure nachrücken.
Im Sturm schmerzt der wahrscheinliche Abgang von John-Jason Peterka in die NHL-Organisation der Buffalo Sabres. Justin Schütz spielt bei Leih- und Schwesterteam Salzburg eine prominentere Rolle als er es in München zuletzt tat und wird daher womöglich, um seine individuelle Entwicklung zu fördern, erst einmal auch weiter in Österreich bleiben. Dennoch: Auch wenn zum Ligastart einige Akteure (u.a. Abeltshauser, Roy, Hager) verletzungsbedingt fehlen, ist der Kader weiter prominent besetzt. Die besten neun Scorer des Vorjahres blieben allesamt. Zuletzt wurde zudem mit dem hochveranlagten Finnen Kalle Kossila (Leihgabe aus Toronto) aufgrund der Ausfälle auf der Centerposition noch einmal nachgebessert.

kicker-Tipp: Der Magenta Sport Cup bewies einmal mehr, was die große Stärke der Münchner ausmacht. Obwohl keineswegs alles rund lief, verstand es der Serienmeister dennoch, immer wenn es darauf ankommt da zu sein und auch diesen - vergleichsweise unwichtigen - Titel mitzunehmen. Selbstverständlich ist der EHC daher einer der beiden heißesten Titelanwärter 2020/21.

Adler Mannheim: Fragezeichen im Sturm

Mit den Adlern in die Erfolgsspur? Jason Bast, Brendan Shinnimin und Markus Eisenschmid (v.l.). imago images

Pavel Gross kam, sah und gewann seinen ersten deutschen Meistertitel mit den Adlern als Coach in der Saison 2018/19 - direkt nach seinem Wechsel aus Wolfsburg. Im vergangenen Jahr gehörten die Kurpfälzer als Hauptrundenzweiter hinter München erneut zum kleinen Kreis der Topfavoriten auf den Titel.

Personal: In der Defensive steht Gross nahezu der identische Kader der Vorsaison zur Verfügung. Einzig im Tor kehrte Felix Brückmann nach langer Verletzungspause in Wolfsburg zu den Adlern zurück, Johan Gustafsson ging in seine schwedische Heimat zurück. In der Offensive dagegen haben die Adler einige schmerzhafte Abgänge - und Verletzungen - zu verkraften. Topscorer Borna Rendulic wollte nicht auf die verspätete DEL-Rückkehr warten und ging nach Schweden. Mit Jan-Mikael Järvinen ging ein weiterer Top-fünf-Scorer. Und Supertalent Tim Stützle steht zwar noch in Mannheim unter Vertrag, dürfte aber schon nach der U-20-WM in Edmonton Ende Dezember Richtung Ottawa in die NHL abwandern. Obendrein fällt Top-Center Andrew Desjardins die komplette Saison aus. Auch Neuzugang und Nationalspieler Stefan Loibl (Straubing) fehlt noch bis in den Januar. Nach Brendan Shinnimin und dem deutsch-kanadischen Zwei-Wege-Stürmer Jason Bast kam mit Felix Schütz zuletzt immerhin ein weiterer erfahrener deutscher Nationalspieler.

kicker-Tipp: Ein Substanzverlust in der Offensive ist nicht von der Hand zu weisen, doch die im Kader verbliebene Qualität ist weiterhin hoch, zumal auch noch mit der einen oder anderen Nachverpflichtung zu rechnen ist, da die Adler - ohne Desjardins - gerade einmal sechs Importstellen besetzt haben. Gross und dem starken Mannheimer Kollektiv ist ohne weiteres zuzutrauen, die Abgänge und Ausfälle im Angriff zu kompensieren und dennoch ein ganz heißer Titelkandidat zu bleiben.

Play-off-Kandidaten

Straubing Tigers: Wiederholung möglich

Nach Ice Tigers nun Tigers: Stürmer Andreas Eder. imago images

Die Straubing Tigers waren in der DEL moralisch vielleicht der größte Verlierer der Pandemie. Denn der Underdog aus dem kleinsten Ligastandort beendete die Hauptrunde hochverdient auf dem dritten Platz, hegte für die Play-offs nicht unberechtigte gewisse Titelchancen und verdiente sich die Teilnahme an der Champions Hockey League redlich - die jedoch 2020/21 nun gar nicht stattfinden wird.

Personal: Es mag ein schwacher Trost für Team, Verantwortliche und Fans der Niederbayern sein, doch immerhin gelang es, den Erfolgskader aus dem Vorjahr fast komplett beisammen zu halten. Fast, denn mit Loibl und Schütz (beide Mannheim) sowie Travis Turnbull (Schwenningen) verließen drei etablierte Stürmer mit deutschem Pass den Klub. Auch die Nummer eins der Vorsaison, Jeff Zatkoff, entschied sich in der Pandemie in Übersee zu bleiben. Im Gegenzug verpflichteten die Niederbayern mit Mat Robson einen Europa-Neuling auf der Torhüterposition aus dem AHL-Farmteam von NHL-Klub Minnesota Wild. Der mit 24 Jahren gleichaltrige Andreas Eder, zuletzt mit einigen positiven Auftritten im Nationaltrikot, kam aus Nürnberg und ist bereits der prominenteste Neuzugang im nur wenig veränderten Kader von Cheftrainer Tom Pokel.

kicker-Tipp: Die Eingespieltheit könnte in einer verkürzten Saison und einigen neu zusammengewürfelten Konkurrenten in der Südgruppe zu einem Trumpf der Straubinger werden. Die wichtigsten Akteure um Torjäger Jeremy Williams blieben und könnten somit erneut im Play-off-Kampf zum Zünglein an der Waage zugunsten der Tigers werden.

ERC Ingolstadt: Die Krisenprofiteure

Gilt als spielstark: Der Finne Petrus Palmu. imago images

Der wohl größte Profiteur der Pandemie, zumindest auf dem Spielermarkt, war der ERC Ingolstadt. Auch, weil bei den Schanzern im Frühjahr finanzielle Fragezeichen auftauchten, hatte Sportdirektor Larry Mitchell im Herbst plötzlich viele freie Plätze offen, als zahlreiche Spieler einfach nur nach einem Job lechzten.

Personal: Ein runderneuerter Kader mit einigen prominenten Neuzugängen ist das Ergebnis auf dem Personalsektor. Im Tor beendete Jochen Reimer letztlich auch aufgrund der Pandemie-Umstände seine Karriere. Im Fall von Timo Pielmeier könnte es auf dasselbe hinauslaufen, denn der Ingolstädter Meisterkeeper weigerte sich gänzlich, einen Gehaltsverzicht mitzutragen und wird zwar nun weiter bezahlt, ist aber kein Mitglied der Mannschaft mehr. Das neue Gespann besteht nun aus dem Kanadier Michael Garteig, hinter dem ein starkes Jahr in Tampere liegt, sowie dem gebürtigen Münchner Nico Daws, der im Herbst im NHL Draft in der dritten Runde von New Jersey ausgewählt worden war. In der Abwehr sollen drei gutklassige Neuzugänge (Morgan Ellis, Ben Marshall, Mathew Bodie) nicht nur den Abgang von Topverteidiger Maury Edwards (Köln) vergessen machen, sondern der viertschwächsten Defensive 2019/20 mehr Stabilität verleihen.
Noch prominenter lesen sich die Verstärkungen im Angriff, allen voran Daniel Pietta, der nach einer "Affen-Geste" in einem Testspiel zunächst aber gesperrt fehlen wird. Mit dem dänischen Nationalspieler Frederik Storm, dem Ex-Eisbär Louis-Marc Aubry, Routinier Brandon DeFazio oder dem Deutsch-Kanadier Justin Feser ist der Angriff trotz des Abgangs von vier der besten Scorer des Vorjahres nominell stark besetzt. Erst recht, da als Sahnehäubchen mit Filigrantechniker Petrus Palmu (Leihe von den Vancouver Canucks) ein potenzieller DEL-Star zum ERCI kam.

kicker-Tipp: Gelingt es Coach Doug Shedden, den in wichtigen Teilen neu zusammengestellten Kader, der finanziell unter normalen Umständen so kaum zu finanzieren gewesen wäre, zu einer Einheit zusammenzuschweißen, kann Ingolstadt im Bestfall vielleicht sogar zum Favoritenschreck erwachsen.

Die Außenseiter

Nürnberg Ice Tigers: Die große Unbekannte

Kapitän und Neulinge: Patrick Reimer mit Eric Cornel und Brett Pollock (v.l.). imago images

Nach über einem Jahrzehnt kehrten die Nürnberg Ice Tigers im Frühjahr wieder zu ihrem Originalnamen zurück. Daneben gab es auch einen gewaltigen sportlichen Umbruch - mit dem bisherigen Mannheimer Nachwuchstrainer Frank Fischöder sowie gleich 16 Neuzugängen soll ein Neustart mit mehr Blick auf junge deutsche Spieler erfolgen.

Personal: Im Tor steht mit Niklas Treutle weiter ein verlässlicher Rückhalt zur Verfügung. In der Defensive gingen mit Chris Summers und Brett Festerling zwei robuste und gerade im defensiven Kerngeschäft starke Akteure. Allerdings wurden beide in Andrew Bodnarchuk (kam aus München) sowie zuletzt dem langjährigen KHL-Spieler Arturs Kulda durchaus prominent ersetzt. Vom College aus Alaska wechselte zudem David Trinkberger nach Deutschland zurück. Im Angriff indes kehrten von den etablierten Kräften aus der Vorsaison einzig Kapitän und DEL-Legende Patrick Reimer und Chris Brown zurück. Gerade die Abgänge der Deutschen Daniel Fischbuch (Düsseldorf) - im letzten Jahr völlig überraschend Topscorer und Neu-Nationalspieler - Eder (Straubing) und Eugen Alanov (ebenfalls DEG) schmerzen. Quasi im Gegenzug kam mit Luke Adam ein erprobter Scorer aus Düsseldorf. Die DEL-Neulinge Eric Cornel, Brett Pollock und Tyson McLellan (alle 24) müssen derweil in die Fußstapfen der bekannten Größen Brandon Buck, Will Acton und Philippe Dupuis treten, die ebenfalls gingen.

kicker-Tipp: Ein neu formierter Kader mit einem neuen, im Profi-Bereich noch unerfahrenen Coach, die kürzeste Vorbereitung aller 14 Klubs nach mehreren Covid-19-Infektionen - die Ice Tigers 2020/21 sind eine Wundertüte, die, wenn sich das Team trotz der Umstände schnell findet, dennoch Platz vier einnehmen könnte.

Augsburger Panther: Abgespeckt erfolgreich?

Neu im Panther-Dress: Verteidiger Wade Bergman. imago images

Was Straubing 2019/20 war, waren die bayerischen Schwaben in der Saison 2018/19. Mit der Zusatzbelastung CHL folgte im vergangenen Jahr ein Absturz auf Rang zehn, der aber immerhin noch die Play-off-Qualifikationsrunde bedeutet hätte.

Personal: Wie im Vorjahr gelang es den Panthern, die Schlüsselspieler um Topscorer Drew LeBlanc und Nationalspieler Simon Sezemsky im Team zu halten. Ein gewisser Substanzverlust ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, da man in Augsburg nicht zuletzt aus finanziellen Gründen in der Pandemie erst einmal lediglich auf fünf Importspieler setzen will. So bleibt beispielsweise Verteidiger Patrick McNeill mindestens vorerst in der nordamerikanischen Heimat, auch wenn mit Wade Bergman ein etablierter Ersatz mit deutschem Pass geholt wurde. Im Sturm gingen Daniel Schmölz (Nürnberg) und Matt Fraser. Dafür gelangen mit den Verpflichtungen des Deutsch-Kanadiers Michael Clarke (Iserlohn) und des erst 20-jährigen Deutsch-Schwedens Magnus Eisenmenger (Frankfurt/DEL2) Verpflichtungen mit Perspektive.

kicker-Tipp: In der Breite hat der Kader definitiv an Qualität verloren, solange die Importstellen nicht neu besetzt werden. Nur, wenn die jungen Spieler im Kader von Coach Tray Tuomie die Abgänge und fehlenden Neuzugänge ansatzweise ersetzen können, ist Platz vier möglich.

Schwenninger Wild Wings: Neue Routine

Hatten im Magenta Sport Cup viel Grund zum Jubeln: Die Wild-Wings-Spieler. imago images

Am Neckarursprung ist man des Verlierens überdrüssig, nachdem die Wild Wings im vergangenen Jahr einmal mehr - und diesmal besonders früh - im Rennen um die Play-off-Plätze die Segel streichen musste. Hoffnung schöpft man bei den Wild Wings nicht zuletzt aus einem gelungenen Magenta Sport Cup.

Personal: Auf vielen Schlüsselpositionen sieht der Schwenninger Kader im Vergleich zum Vorjahr anders aus. Mit dem international etablierten Schweden Joacim Ericsson und dem deutsch-tschechischen Keeper Patrik Cerveny beginnen die Umstellungen auf der Goalie-Position. In der Abwehr konnte die letztjährige Nachverpflichtung Colby Robak gehalten werden, mit Will Weber kam einer der gefürchtetsten Checker der Liga aus Bremerhaven, in Emil Kristensen ein dänischer Nationalspieler. Mit den beiden Routiniers Darin Olver (Ingolstadt) und Travis Turnbull (Straubing), der von Coach Niklas Sundblad prompt zum neuen Kapitän ernannt wurde, erhielt auch der Angriff ein Facelifting. Dies gilt umso dank der kanadischen Zwillinge Tylor und Tyson Spink, die zuletzt in Finnland auf sich aufmerksam machen konnten.

kicker-Tipp: In der Tat wirkt der Wild-Wings-Kader 2020/21 homogener als seine Vorgänger der letzten Jahre - auch wenn viele wichtige Spieler bereits deutlich jenseits der 30 Jahre alt sind. Kann Schwenningen die Form aus dem Vorbereitungsturnier konservieren, in dem das Ende nur aufgrund von Coronavirus-Infektionen abrupt kam, könnte das Überraschungsteam vielleicht diesmal Schwenningen heißen.

Joachim Meyer

Von Titelsammler Jackson bis Neuling Svarinskis