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Kommentar: Die Serie A gibt ein peinliches Bild ab, Juventus aber auch

Kommentar zu den Szenen in Turin

Die Serie A gibt ein peinliches Bild ab, Juventus aber auch

Alle da, nur der Gegner nicht: Fotografen am Sonntagabend in der Turiner Arena.

Alle da, nur der Gegner nicht: Fotografen am Sonntagabend in der Turiner Arena. imago images

Auf Twitter war am Sonntag alles wie immer: Juventus Turin machte seine Fans heiß auf das abendliche Topspiel gegen die SSC Neapel, veröffentlichte erst den Kader, dann die Startelf und zeigte Bilder, wie die Profis im Stadion eintreffen. Dabei wusste jeder längst, was Juve mit keiner Silbe erwähnte: dass dieses Spiel gar nicht stattfinden würde.

Weil bei der SSC Neapel zwei Spieler und ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden waren, hatte die zuständige Gesundheitsbehörde am Samstag im letzten Moment die Anreise des Klubs nach Turin untersagt. Dass die Serie A die Partie trotzdem ansetzte, war ihr gutes Recht und für die Außenwirkung dennoch verheerend. Dass Juventus bei der peinlichen Aufführung auch noch half, allerdings nicht minder. Der Meister wartete scheinheilig auf einen Gegner, der ihn vergeblich um eine Verschiebung gebeten hatte. Schiedsrichter, Fans, Sanitäter, Fotografen - alle waren im verregneten Stadion, nur eben Neapel nicht.

Was ist das Protokoll wert, wenn es dann zwangsläufig solche Bilder produziert?

Natürlich kann die Liga argumentieren, dass Napoli ja ausreichend gesunde Profis zur Verfügung gehabt hätte und das Spiel damit laut Protokoll nicht abgesagt werden musste - erst recht nicht mitten im ohnehin steigenden Termindruck. Und natürlich kann Juve-Präsident Andrea Agnelli betonen, sich ja nur an die Vorschriften gehalten zu haben.

Doch es bleibt die Frage, was dieses Protokoll wert ist, wenn die Entscheidung eines örtlichen Gesundheitsamts dann zwangsläufig solche Bilder produziert. Wären die Folgen einer Absage für die Serie A wirklich schlimmer gewesen als sie? Und warum konnte Juve nicht einfach Genesungswünsche nach Neapel twittern, statt ein dermaßen absurdes Schauspiel aufzuführen?

Juves unterschwelliger Vorwurf - Napoli kündigt Klage an

Bei den Juve-Statements vom Sonntagabend schwang unterschwellig immer der Vorwurf mit, Napoli habe nach den Positivtests - anders als die Turiner nach ihren beiden unter der Woche - womöglich nicht alle nötigen Maßnahmen eingeleitet und damit die Gesundheitsbehörde erst zum Handeln gezwungen. Diese Frage wird die Serie A sicher noch einige Tage beschäftigen.

Aber erst mal dürfte Juventus wie geplant den Sieg am grünen Tisch bekommen, Napoli hat für diesen Fall bereits eine Klage angekündigt. Ein Gefühl wird man bei all dem nicht los: dass man die Energie, die diese Inszenierung auf allen Ebenen gekostet haben muss, auch anders hätte investieren können - angefangen mit einer offenen Kommunikation.

Jörn Petersen