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Hearts Ex-Coach Stendel: "Ich habe sogar meinen Nachfolger bezahlt"

Ex-Trainer über Abschied bei den Hearts

Stendel: "Ich habe sogar meinen Nachfolger bezahlt"

Daniel Stendel stand 17 Spiele lang an der Seitenlinie bei Heart of Midlothian.

Daniel Stendel stand 17 Spiele lang an der Seitenlinie bei Heart of Midlothian. imago images

In 17 Spielen unter dem früheren Trainer und Spieler von Hannover 96 verbuchten die Hearts seit Dezember fünf Siege, fünf Remis und sieben Niederlagen. Im Interview spricht Stendel über seinen Abschied, die Erfahrungen in Schottland und seine Zukunftspläne.

Herr Stendel, bei Klassenerhalt in der Scottish Premiership wäre Ihr Vertrag noch bis Sommer 2022 gelaufen. Wann stand für Sie fest, dass es nach dem Abstieg definitiv nicht weitergeht?

Als ich den Vertrag unterschrieben habe, hatte ich mich schon festgelegt, im Fall der Fälle nicht mit in die 2. Liga zu gehen. Da der Abstieg jetzt nicht unter regulären Bedingungen zustandekam und vor allem, weil ich die Hearts als wirklich tollen Klub kennengelernt habe, hatte ich dann doch angeboten: Ich könnte mir unter gewissen Voraussetzungen in puncto Personal und Philosophie vorstellen, trotzdem zu bleiben. Allerdings wurde das zuletzt immer unwahrscheinlicher, die genannten Dinge konnten nicht erfüllt werden, und es gibt einfach zu viele Fragezeichen. Keiner weiß, wann der Spielbetrieb überhaupt wieder laufen kann. Vielleicht im Oktober, aber man will auf keinen Fall ohne Zuschauer beginnen. Die Verpflichtung des neuen Trainers habe ich dann auch am Sonntagabend erfahren.

War das nicht trotz allem enttäuschend ?

Die Kommunikation lief in diesem Fall sicher nicht optimal, aber inzwischen haben sich auch mehrere Verantwortliche dafür entschuldigt Mein positives Bild vom Verein wird dadurch nicht beschädigt.

Sie übernahmen die Mannschaft als Drittletzter, waren vor der Corona-Pause Schlusslicht. Keine Erfolgsbilanz…

Im Dezember habe ich zu einem Zeitpunkt begonnen, der sicher nicht optimal war. Den vier Niederlagen aus den ersten fünf Spielen sind wir hinterhergelaufen. Aber wir haben den Stil verändert, den Punkteschnitt verbessert und eine positive Tendenz gesehen. Ich war vom Klassenerhalt überzeugt. Inklusive Abstiegsrunde waren noch 24 Punkte zu vergeben, und wir hatten vier Zähler Rückstand. Ich bin sicher, wir hätten das geschafft. Doch das bleibt letztlich leider Theorie.

Nicht auszuradieren sind dafür gleich zwei Siege gegen die Glasgow Rangers. Einmal in der Liga, einmal im Pokal. Wer ein solches Topteam zweimal schlägt, hat im Tabellenkeller doch eigentlich nichts verloren, oder?

Gute Frage (lacht). Wir haben leider in den direkten Duellen gegen kleinere Teams zu wenig gepunktet, um entscheidend voranzukommen. Die Erfolge gegen die Rangers mit Steven Gerrard waren natürlich trotzdem absolute Highlights. Genau wie das 3:1 im Stadtderby gegen Hibernian Anfang März. Die Atmosphäre war einfach genial. Es herrscht eine Rivalität wie zwischen Hannover und Braunschweig - aber rein aufs Sportliche bezogen, ohne Krawalle und Polizeieinsätze. Einfach ein großartiges Erlebnis. Überhaupt war ich vom schottischen Fußball sehr positiv überrascht. Nicht unbedingt vom Niveau, aber von der Mentalität, den Fans, dem ganzen Ambiente.

Sehen Sie, auch vor dem Hintergrund der erfolgreichen Zeit beim FC Barnsley in England, Ihre Zukunft weiterhin auf der Insel ?

Ich sehe mich bei einem Klub, der begeisterungsfähig ist, Fanpotenzial hat und sportliche Ambitionen. Davon gibt es auch in Deutschland genügend, aber ich bleibe für alles offen. Klar ist: Die bisherigen Auslandserfahrungen sind in vielerlei Hinsicht ein Gewinn für mich gewesen.

Im Januar folgte Ihnen Hannover-Idol Jörg Sievers als Co-Trainer zu den Hearts. Werden Sie auch künftig ein Gespann bilden?

Das ist zumindest der Plan. Aber es gibt da keine Verpflichtungen. Sollte Jörg vor mir ein reizvolles Angebot bekommen, dann ist er selbstverständlich frei in seiner Entscheidung.

Für Aufsehen sorgten Sie zu Beginn der Corona-Pause mit Ihrem kompletten Gehaltsverzicht. Für Neu-Trainer Neilson haben die Hearts jetzt laut Medienberichten aber sogar Ablöse an Dundee gezahlt. Fühlen Sie sich da nicht veräppelt ?

Dann habe ich also sogar noch meinen Nachfolger bezahlt (lacht). Im Ernst: Ich karte da nicht nach. Ich habe mit voller Überzeugung so entschieden, um meinen Verein zu unterstützen. Das bereue ich auf keinen Fall. Ich bin mit mir und dem Klub im Reinen.

Haben Sie Ihre Zelte in Edinburgh schon komplett abgebrochen ?

Nein. Ich bin am 19. März nach Deutschland geflogen mit der Vorstellung, Anfang April wieder zurückzukommen. Demzufolge habe ich kaum etwas mitgenommen. Inzwischen habe ich mein Appartement gekündigt und werde es demnächst ausräumen. Allerdings werde ich nach meiner Ankunft wegen der Corona-Vorschriften in Schottland erst mal zwei Wochen in Quarantäne bleiben müssen. Ich fliege also rüber, sitze 14 Tage in der Wohnung und fliege dann mit meinen Sachen zurück. Das Appartement habe ich dann fünf Monate bezahlt und einen Monat bewohnt. Auch mein Vermieter wird mich also in sehr angenehmer Erinnerung behalten…

Interview: Thiemo Müller