3. Liga

Zwickaus Enochs im Interview: "Was heißt planen? Es gibt keinen Plan!"

Zwickau: Bei Geisterspielen drohe die Insolvenz

Enochs im Interview: "Was heißt planen? Es gibt keinen Plan!"

FSV Zwickaus Trainer Joe Enochs will nicht um jeden Preis auf den Rasen zurück.

FSV Zwickaus Trainer Joe Enochs will nicht um jeden Preis auf den Rasen zurück. imago images

Die Zwickauer zeigen seit Wochen eine klare Haltung: Eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga unter den aktuellen Gegebenheiten ist für sie nicht drin. Bei Geisterspielen drohe die Insolvenz und damit der komplette Kollaps. Es gibt aber auch noch andere Unwägbarkeiten, die nicht die Führungsetage, sondern Cheftrainer Joe Enochs umtreiben. Dabei geht es sogar bis ins Familiäre hinein.

Die Drittliga-Vereine haben sich am Montag in einer knappen Entscheidung für die Saison-Fortsetzung ausgesprochen. Ihr Arbeitgeber FSV Zwickau hatte sich dagegen ausgesprochen. Wie nehmen Sie die Situation wahr, Herr Enochs?

Die Abstimmung hat gezeigt, wie gespalten die 3. Liga bei dieser entscheidenden Frage ist, wobei ich zugebe, dass mich das Ergebnis nicht überrascht hat. Es war davon auszugehen, dass jene Vereine, die über finanzkräftige Sponsoren oder Mäzene verfügen oder sich mit einem Börsengang Kapital besorgt haben, an der Fortsetzung festhalten. Klubs wie der FSV Zwickau, die auf Zuschauereinnahmen angewiesen sind, haben mit ihren Argumenten leider keine Mehrheit bekommen. Ich hoffe bloß, dass wir uns alle im Nachgang nicht anschauen und fragen müssen, ob der Preis, den wir dafür zahlen, dass es Mitte oder Ende Mai weitergeht - das genaue Datum kennt ja auch noch niemand - nicht viel zu hoch gewesen ist.

Das müssen Sie bitte näher erklären.

Ich fürchte, dass nicht jeder Verein die Corona-Krise unbeschadet übersteht. Was nützt es, wenn wir die Saison auf Biegen und Brechen zu Ende bringen und danach ein Drittel Insolvenz anmeldet? Ich möchte das bitte nicht als Schwarzmalerei verstanden wissen, aber in meinen Augen überwiegen die Risiken. Dabei haben wir noch nicht mal über die Chancenungleichheiten gesprochen, die sich auch für den Wettkampf ergeben. Es gibt keine einheitliche Regelung, wer ab wann und wie trainieren darf, weil das Ländersache ist. In Sachsen dürfen bisher nur die Erst- und Zweitligisten trainieren - und das auch nur in Kleingruppen. (Anmerkung der Redaktion: Der Chemnitzer FC hat am Freitag "unter Einhaltung strikter Regeln des Sächsischen Staatsministeriums des Innern" und mit Zustimmung des lokalen Gesundheitsamts ein Kleingruppentraining aufgenommen). Ab wann ein Mannschaftstraining durchführbar ist, weiß niemand. Was bei uns in Zwickau erschwerend hinzukommt, ist der Umstand, dass wir uns momentan noch in Kurzarbeit befinden und unseren Spielern von daher keine Vorgaben machen können.

Kommunizieren ist aber noch erlaubt?

Zum Glück (lacht). Wobei die Corona-Einschränkungen hier auch klare Grenzen vorgeben. Jeglicher Kontakt findet per Telefon statt. Vor einer Woche habe ich zuletzt mit dem kompletten Mannschaftsrat telefoniert. Sonst sprechen wir uns zum Beispiel, wenn ich anrufe, um einem Spieler zum Geburtstag zu gratulieren.

Wie planen Sie den "Re-Start" nach der Corona-Krise?

Was heißt planen? Es gibt ja noch nirgends einen Plan. Steigen wir drei Wochen vor dem ersten Spiel wieder ins Training ein oder erst 14 Tage vorher? Danach stellt sich die Frage, ob wir zunächst nur individuell oder sofort als Mannschaft trainieren können. In Kleingruppen können wir vorrangig am Läuferischen und am Passspiel arbeiten, im Mannschaftstraining auch am Zweikampfverhalten und an Torabschlüssen. Bei Letzterem ist mehr Abwechslung gewährleistet, und der Wettkampf kann simuliert werden. Wir wissen, dass wir in jedem Spiel an unsere Leistungsgrenze zu gehen haben, um mit den qualitativ besser besetzten Teams mithalten zu können. Aber davor habe ich keine Angst. Wir wollen ja selbst gerne wieder auf den Platz, aber wie gesagt: nicht um jeden Preis.

Inwieweit müssen Sie selbst, Ihre Familie oder Ihre Spieler sich derzeit einschränken?

Meine 16-jährige Tochter Sophie hat einen angeborenen Herzfehler, sie wurde zweimal am offenen Herzen operiert. Sie gehört zur Risikogruppe und verlässt derzeit zum Selbstschutz auch nicht die Wohnung. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, was ich tun kann, um sie bestmöglich zu schützen, wenn es wieder losgeht und unweigerlich eine Ansteckungsgefahr besteht. So geht es aber jedem Familienvater. Wir haben einige Spieler, die junge Familienväter sind. Wenn es nötig ist, dann übernachte ich, um Sophie zu schützen, während der gesamten Zeit eben woanders. Die Gesundheit steht für mich über allem.

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