DFB-Pokal

Lieblingsspiel: Ekstase auf hessisch - Eintracht Frankfurts Pokalsieg 2018

DFB-Pokal-Finale, Bayern-Frankfurt, 19. Mai 2018

Lieblingsspiel: Ekstase auf hessisch

Vor der Frankfurter Kurve: Mijat Gacinovic schiebt den Ball nach seinem langen Lauf zum 3:1 für Frankfurt ein.

Vor der Frankfurter Kurve: Mijat Gacinovic schiebt den Ball nach seinem langen Lauf zum 3:1 für Frankfurt ein. imago images

Achtmal stand Eintracht Frankfurt im Endspiel des DFB-Pokals. Und siebenmal war ich live dabei. Nur 1964 beim 0:2 gegen 1860 München nicht. Da war ich als Zweitkläßler noch ein bisschen zu klein. Dafür gab es dann vier Siege in Folge. 1974, 1975, 1981 und 1988. Und danach lange Zeit wenig zu feiern. Die sicher geglaubte Meisterschaft wurde 1992 am letzten Spieltag verspielt. Und ich war auch dabei. 1996 folgte der erste Abstieg und natürlich war ich auch in Liga zwei dabei. Dabei konnte einem ziemlich schwindlig werden, denn es ging eine Zeitlang zu wie in einem Paternoster. Rauf und runter sozusagen in der Endlosschleife.

zum Spiel

Aber 2006 war es wieder so weit. Berlin, Berlin - wir waren in Berlin. Und da Finalgegner Bayern München bereits sicher für die Champions League qualifiziert war, durfte die Eintracht 2006/07 am UEFA-Pokal teilnehmen. Als Aufsteiger nach Europa - die Frankfurter Fangemeinde schwelgte in Glückseligkeit. Trotz des 0:1 war die Eintracht ein würdiger Finalist. Danach war wieder für längere Zeit Funkstille angesagt. Aber 2017, da war die Eintracht wieder da. Zwar langte es noch nicht ganz zum fünften Pokalerfolg, aber man hatte Appetit auf mehr bekommen. Nach dem 1:2 gegen Borussia Dortmund zeigte sich die Mannschaft kämpferisch. "Wir werden wiederkommen und vollenden!" Dass es bereits zwölf Monate später Wirklichkeit werden sollte, konnte niemand ahnen.

In keinem Pokal-Finale zuvor war die Eintracht krasserer Außenseiter

Dabei war die Hürde hoch. Denn im Finale wartete kein Geringerer als Meister Bayern München, gegen den man noch kein Endspiel hatte gewinnen können. 1932 hieß es im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 0:2. Und von 2006 haben wir ja schon gehört. In keinem der sieben Pokal-Endspiele zuvor war die Eintracht ein krasserer Außenseiter als diesmal. Was aber hatte man schon zu verlieren - außer den Trainer, dessen Wechsel zu Bayern München schon lange feststand? Das Motto hieß: die tolle Atmosphäre aufsaugen und auf ein Wunder hoffen.

"Der Pokal ist ein Berliner" titelte die "Berliner Zeitung" am Tag des Endspiels. Denn nicht nur für Niko Kovac war es eine Rückkehr in die Heimatstadt. Auch für Kevin-Prince Boateng, der wie sein Trainer aus dem Wedding kommt. "Als Niko als Trainer anfing, habe ich ihn angerufen und gesagt, dass ich irgendwann einmal unter ihm spielen werde." Nun standen sie gemeinsam im Endspiel, für das er seinen Teamkollegen riet: "Einfach keine Angst haben. Es ist nur Fußball. Geht einfach raus und spielt wie im Park. Es schauen nur ein paar Leute mehr zu."

Foto mit geheimer Botschaft: "TOR ANTE" (l.) sollte später eintreffen. kicker

Während der Prinz also ganz cool war, war bei den Fans die Anspannung doch riesengroß. Vor dem Spiel traf ich mich mit einigen Bekannten aus dem Hessenland in einer Pizzeria am Kudamm, wo dieses wegweisende Foto von "Doc" Hermann und mir entstand. "Entschlüsselt" hat es allerdings erst Tage später mein Arbeitskollege Conrad. Wer weiß, wie wir reagiert hätten, wenn wir es schon vor dem Spiel gewusst hätten?

"There's no goalkeeper! There's no goalkepper!"

Im Stadion war die Stimmung groß. Und eben jener Ante Rebic brachte die Eintracht zweimal in Führung. Bange Sekunden gab es in der Nachspielzeit, als Schiedsrichter Zwayer nach Studium der Videoaufnahmen nicht auf Elfmeter für die Bayern entschied. Stattdessen gab es eine Ecke, die geklärt werden konnte und bei Gacinovic landete, der zu einem Spurt über das halbe Feld aufs leere Bayerntor ansetzte. (In der TV-Übertragung des schottischen Fernsehens, hört man den Moderator nur rufen: "There's no goalkeeper! There's no goalkeeper!") Genau auf die Kurve mit den Eintracht-Fans zu.

Dort gab es schließlich kein Halten mehr, als der Ball zum 3:1 im Netz landete. Pokalsieger! Plötzlich stand Matze Thoma vom Eintracht-Museum neben mir. Hätten wir uns verabredet, hätten wir uns wahrscheinlich nie getroffen. So aber feierten wir zusammen diese Ekstase auf hessisch.

Nach dem Spiel bin ich oft gefragt worden, welches Tor schöner gewesen sei. Fjörtofts Übersteiger oder das 3:1 von Gacinovic. Der Übersteiger bewahrte die Eintracht 1999 vor dem Abstieg. Und 2018 hätte vermutlich auch das 2:1 zum Pokalsieg gelangt. Aber wenn ich dieses Video auch mit fast zwei Jahren Abstand sehe, läuft es mir jedesmal wieder eiskalt den Rücken runter. Pokalsieger wird man nicht alle Tage. Vor allem nicht gegen einen Gegner wie Bayern München.

Uli Matheja

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