3. Liga

3. Liga, Rekordtrainer Pavel Dotchev (Viktoria Köln) im Interview

Interview mit dem Drittliga-Rekordtrainer

Dotchev: "Wie lange ich mir das noch gebe, weiß ich nicht"

Rekordmann in Liga 3: Pavel Dotchev, Trainer der Kölner Viktoria.

Rekordmann in Liga 3: Pavel Dotchev, Trainer der Kölner Viktoria. imago images

Pavel Dotchev (54) war nicht nur ein ausgezeichneter Spieler, er beweist seit 17 Jahren auch auf dem Trainerstuhl eine Menge Sachverstand. Beim nächsten Spiel wird er alleiniger Rekordmann der 3. Liga, könnte zudem den 100. Sieg in dieser Spielklasse holen. Der Deutsch-Bulgare spricht über seine ersten fußballerischen Gehversuche, die Weltmeisterschaft 1994 und seine spezielle Beziehung zum einstigen Paderborner Präsidenten Wilfried Finke.

Herr Dotchev, Sie hätten vor neun Tagen im Spiel bei Eintracht Braunschweig zum 238. Mal auf der Trainerbank sitzen sollen, damit wären Sie der Drittligatrainer mit den meisten Spielen geworden. Sind Sie enttäuscht ob des verpassten Jubiläums?
Ganz und gar nicht. Durch die Corona-Krise gibt es im Moment viel wichtigere Themen. Es geht um die Gesundheit der Menschen und wirtschaftliche Existenzen. Für mich war dieser Rekord nicht das übergeordnete Ziel. Aber wie heißt es so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Sie sind in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geboren und haben bei Lokomotive Sofia mit dem Fußballspielen begonnen. Welche Erinnerungen haben Sie?
Lok ist ein absoluter Traditionsverein in Bulgarien. Ich habe dort vor 45 Jahren mit dem aktiven Fußball angefangen und mit 18 in der ersten Mannschaft gespielt. Das war schon ein Privileg für mich.

Anschließend sind Sie zum Lokalrivalen ZSKA gewechselt. Welcher der beiden Klubs hat mehr Strahlkraft?
ZSKA ist vergleichbar mit Bayern München in Deutschland. Eine riesige Hausnummer. Wir sind Meister geworden, haben im UEFA-Pokal gespielt, zum Beispiel gegen den HSV.

"Eigentlich wollten die HSV-Scouts ja Letchkov"

Zu dem Sie 1992 gewechselt sind. Warum ausgerechnet zum Hamburger SV, und weshalb haben Sie es erst so spät im westlichen Europa versucht?
Im Zeitalter des Kommunismus durfte ein Fußballer erst mit 28 Jahren ins Ausland wechseln. So war das damals. Eigentlich wollten die Scouts ja auch gar nicht mich beobachten, sondern Yordan Letchkov, meinen Mannschaftskameraden. Aber zum Glück bin ich denen wohl auch ziemlich positiv aufgefallen. Dann bin ich mit Yordan zusammen gewechselt.

Trotzdem haben Sie nur ein Jahr dort verbringen dürfen. Warum konnten Sie in Hamburg nicht so richtig Fuß fassen?
Unter meinem ersten Trainer Egon Coordes lief es zunächst sehr gut für mich. Dann kam Benno Möhlmann mit einer neuen Philosophie. Plötzlich saß ich auf der Tribüne, das konnte ich überhaupt nicht verstehen. Ich war richtig enttäuscht und verstand die Welt nicht mehr. Schließlich war ich Nationalspieler.

Sie haben es immerhin auf 24 Einsätze für Ihr Heimatland gebracht ...
Das ist lange her, wobei mir ein Länderspiel in guter Erinnerung geblieben ist: die Qualifikation für die EM 1992, in Bukarest gegen Rumänien mit dem großen Gheorghe Hagi. Wir haben 3:0 gewonnen, von der Prämie habe ich mir auf der Stelle ein 100 Quadratmeter großes Appartement in Sofia gekauft. Ich glaube, es waren 5000 Dollar.

Als Bulgarien die deutsche Elf bei der WM 1994 in den USA im Viertelfinale aus dem Wettbewerb befördert hat, waren Sie allerdings nicht mit dabei.
Leider, zumal ich die Quali noch gespielt habe. Durch den Trainerwechsel in Hamburg war ich aber kein Stammspieler mehr und wurde deshalb auch nicht für die WM nominiert.

Irgendwann hat es Sie dann ins Idyll zum SC Paderborn verschlagen, für den Sie in acht Jahren 208 Partien absolviert haben. War es die schönste Zeit in Ihrer Karriere?
Paderborn war schon aus familiärer Sicht absolut überragend. Meine Frau und ich hatten zwei kleine Söhne, wir sind in den vier Jahren davor fast nur umgezogen und haben aus gepackten Koffern gelebt. Die Kinder und meine Frau sollten endlich ein Zuhause haben.

"Pavel, du musst jetzt den Spielertrainer machen"

Mitten in der Saison 2002/03 sind Sie vom Spielfeld auf den Trainerstuhl gewechselt. Das ist eher ungewöhnlich.
Da haben Sie recht. Ich war zwar schon 37, habe mich aber eigentlich noch ziemlich fit gefühlt und wollte weiter Fußball spielen. Im Laufe des Jahres wurde Uwe Erkenbrecher freigestellt, da hat Präsident Wilfried Finke (verstorben im Januar 2019, die Red.) zu mir gesagt: Pavel, du musst jetzt den Spielertrainer machen.

Wie haben Sie reagiert?
Natürlich war das eine riesige Chance. Für mich kam aber nur der Trainerposten infrage. Halbe Sachen wollte ich nicht machen.

Dotchev 2002

Am Ende seiner aktiven Laufbahn: Dotchev 2002 als Spielertrainer des SC Paderborn. imago images

Und Herr Finke hat Ihre Entscheidung ja offenbar auch akzeptiert ...
(lacht) An diesen Dialog kann ich mich tatsächlich gut erinnern. Herr Finke meinte, dass er nun einen guten Fußballer verlieren würde und mich bei einer möglichen Niederlagenserie auch rausschmeißen müsste.

Das war nicht der Fall. Gut zwei Jahre danach sind Sie als Coach mit Paderborn in die 2. Liga aufgestiegen.
Das war ein unbeschreibliches Gefühl, weil niemand damit rechnen konnte. Die Mannschaft hatte sich damals kontinuierlich weiterentwickelt. Wirklich toll!

Trotzdem wurde Ihr Vertrag 2005 nicht verlängert. Wie konnte das sein?
Finke kam auf mich zu und meinte, er brauche einen Trainer, der Erfahrung hat in dieser Liga. Dann hat er Jos Luhukay geholt, der damals aber eigentlich auch keine Erfahrung als Cheftrainer in der 2. Liga hatte.

Sie gingen zu Rot-Weiß Erfurt und wurden in Paderborn dennoch zum Trainer des Jahrhunderts gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Das ist eine unvergessliche Geschichte für mich. Als Spieler war ich Kapitän, Leistungsträger, anschließend noch Trainer. Ich habe die Entwicklung im Verein also schon ein Stück weit mit geprägt. Vielleicht waren mir die Fans dafür dankbar.

Im selben Jahr, also 2007, nahmen Sie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Fühlen Sie sich eher als Bulgare oder als Deutscher?
Damals hat mir der damalige Paderborner Bürgermeister angeboten, deutscher Staatsbürger zu werden. Ehrlich gesagt: Ich fühle mich inzwischen schon mehr als Deutscher. Meine beiden Söhne sind in Deutschland geboren, ich fühle mich wohl hier und habe mich den Gepflogenheiten des Landes gerne angepasst.

"Da hatte Finke mal wieder eine gute Idee"

Dotchev 2008 im Gespräch mit Wilfried Finke

Paderborner Weggefährten: Dotchev 2008 im Gespräch mit Wilfried Finke. imago images

Paderborn ließ Sie aber offenbar nicht los, denn Sie haben sich noch einmal von Finke breitschlagen lassen ...
Genau, da hatte Wilfried Finke mal wieder eine gute Idee (lacht). Aber Spaß beiseite: Paderborn stand auf einem Abstiegsplatz in der 2. Liga, ich war Coach in Erfurt, und Finke wollte mich zurückholen. Ich glaube, sie haben sogar eine Ablösesumme dafür gezahlt.

Sie wurden im Mai 2009 erneut von Ihren Aufgaben entbunden. Das klingt seltsam.
Zwei Spiele vor Schluss standen wir in der 3. Liga auf einem Aufstiegsplatz. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Dann wurde ich entlassen, der SCP ist ohne mich hochgegangen, aber ich fühlte mich trotzdem als Aufstiegstrainer.

Einige Jahre später sind Sie zumindest mit Erzgebirge Aue in die 2. Bundesliga wirklich aufgestiegen.
Das war unvorstellbar für alle, vor allem für meinen Freund, Aues Präsident Helge Leonhardt. Niemand besaß Drittligaverträge, ich hatte einen bunt zusammengewürfelten Haufen beisammen. Der Aufstieg kam unerwartet.

Seit Beginn der Saison sind Sie Trainer beim Drittliga-Aufsteiger FC Viktoria Köln. Was sind Ihre Ziele?
Ein absoluter Traum wäre es, mit diesem Verein noch einmal 2. Liga spielen zu dürfen. Ich bin immer noch sehr ambitioniert - wie lange ich mir das Trainergeschäft allerdings noch gebe, weiß ich nicht. Dem Fußball will ich aber auf jeden Fall verbunden bleiben, vielleicht irgendwann als Sportdirektor.

Dieses Interview erschien am 23. März 2020 in der Ausgabe 26 des kicker.

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