Basketball

Bastian Doreth: "Bayern München und Alba Berlin brauchen die BBL"

90-maliger Nationalspieler im Gespräch mit dem kicker

Doreth im Interview: "Bayern und Berlin brauchen die BBL"

Bastian Doreth gehört zu den bekanntesten Profis in der BBL und spielt seit 2015 für medi Bayreuth.

Bastian Doreth gehört zu den bekanntesten Profis in der BBL und spielt seit 2015 für medi Bayreuth. imago images

Herr Doreth, die Basketball-Welt wurde vor wenigen Tagen erschüttert: Kobe Bryant ist bei einem Helikopter-Absturz ums Leben gekommen. Was verbinden Sie mit ihm?

Mit Kobe ist der beste Basketballer unserer Generation von uns gegangen. Er war wie für viele von uns ein Idol, ein Vorbild. Dass er so von uns gegangen ist, ist tragisch. Gerade als Familienvater schockiert natürlich auch die Tatsache, dass seine Tochter an Bord war. Man muss wirklich jede Sekunde dankbar sein, die man auf der Welt sein darf.

Lassen Sie uns trotz dieses Ereignisses auf die Bundesliga schauen. Die Bayern haben kürzlich das erste Mal in der BBL bei Verfolger Ludwigsburg verloren - die Münchner dürften im Kampf um die Meisterschaft aber trotzdem kaum zu schlagen sein - oder doch?

Das Titelrennen nur auf die Bayern zu reduzieren, wäre Alba Berlin gegenüber etwas unfair. An den beiden wird kein Weg vorbeiführen, dafür sind sie zu stark besetzt und zu erfahren. Mich wundert es aber nicht, dass Bayern auch mal in der Liga verloren hat. Das Euroleague-Pensum ist unglaublich.

Wie schätzen Sie das Niveau neben den Big Playern Bayern und Alba in der BBL ein?

Nach den Euroleague-Mannschaften kommt aus finanzieller Sicht ein großer Bruch. Leistungstechnisch gesehen ist da aber momentan gar kein so großer Sprung. Ludwigsburg und Oldenburg spielen oben mit. Grundsätzlich gibt es jede Saison zwei bis drei Mannschaften, die sich oben absetzen. Und dann hat man ein richtig enges Rennen um die Plätze vier bis acht. Da ist immer eine Überraschungsmannschaft dabei. Dieses Jahr ist es Crailsheim, letztes Jahr war es Vechta, davor waren wir es mit Bayreuth. Ab Platz neun bis fast nach unten ist auch wieder alles total eng.

Bastian Doreth

Zu Gast beim kicker: Bastian Doreth. kicker

Mit Bonn steckt ein Team im Abstiegskampf, das man dort nicht unbedingt erwartet hat. Wie bewerten Sie ganz allgemein die Situation im Tabellenkeller?

Dieses Jahr geht es da schon sehr ausgeglichen zu und ich glaube, dass sich gerade unten noch viel tun wird. Bonn wird noch mehr Spiele gewinnen, der MBC hat super nachverpflichtet. Die Mannschaften können sich glücklich schätzen, dass dieses Jahr nur einer absteigt.

Wie konkurrenzfähig sind Ihrer Meinung nach die deutschen Teams auf europäischer Ebene?

Man muss sagen, dass für die Bayern die Saison enttäuschend ist. Sie hatten drei große Ziele mit der Meisterschaft, dem Pokalsieg und den Play-offs in der Euroleague. So wie es aussieht, wird es mit den Play-offs eine sehr enge Geschichte. Und im Pokal sind sie auch raus (1. Runde gegen Bonn, Anm. d. Red.).

Und die übrigen Teams?

Es gab mal die Vision der BBL, bis 2020 die stärkste Liga Europas sein zu wollen. Das Ziel ist nicht erreicht worden. Aus meiner Sicht hat das mehrere Gründe. Man muss in Deutschland bei den Budgets einrechnen, dass zum Beispiel höhere Steuern gezahlt werden, als im Vergleich zu anderen Klubs und Ländern.

Ich weiß nicht, ob der Titel ohne Bayern und Alba irgendwie den gleichen Stellenwert hätte.

Bedroht die Euroleague die nationalen Ligen, weil sich Klubs womöglich teilweise oder ganz aus den nationalen Ligen zurückziehen könnten? Spekulationen dazu gibt es schließlich immer wieder.

Es kann sicherlich gefährlich für die BBL werden, weil die Euroleague aus finanzieller Sicht das attraktivere Produkt ist. Ich finde allerdings, dass sich Mannschaften wie Bayern und Alba Berlin verpflichtet fühlen sollten, auch mit ihren besten Spielern in der BBL anzutreten. Um Basketball in Deutschland weiter voranzutreiben, sind die beiden sehr wichtig. Und beide Teams wollen Titel gewinnen - auf europäischer Ebene ist das aber noch in weiter Ferne, also brauchen sie die nationale Liga.

Bastian Doreth

Bastian Doreth in der Bayreuther Oberfrankenhalle. imago images

Könnte sich ein Rückzug der Euroleague-Teams nicht auch positiv auf die Liga auswirken, weil es plötzlich sehr viel spannender zugehen würde?

Vielleicht, aber als Sportler hast du doch auch den Wettbewerbsgedanken. Ich weiß nicht, ob der Titel ohne Bayern und Alba irgendwie den gleichen Stellenwert hätte.

Kürzlich gab es eine Diskussion, Auf- und Abstieg in dieser Saison noch auszusetzen. Was sagen Sie dazu?

Eine Liga hat zwei Highlights-Zonen, den Kampf um die Meisterschaft und den Kampf gegen den Abstieg. Beides hat seinen Reiz, der dann komplett verloren gehen würde.

Kommen wir zur Nationalmannschaft: Die WM 2019 war aus deutscher Sicht eine große Enttäuschung. Wie bewerten Sie die Aufarbeitung?

Ich denke schon, dass verbandsintern das eine oder andere Meeting stattfand. Ein klares öffentliches Statement gab es allerdings nicht. Man hätte sich das gewünscht. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, auch was das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele angeht (im Juni 2020, Anm. d. Red.) und wer da für Deutschland antreten darf.

Sie zum Beispiel? Ausreichend Erfahrung haben Sie mit 90 Länderspielen ja.

Auf die bin ich unheimlich stolz. Aber ich weiß nicht, ob und wie viele noch dazu kommen werden. Es ist einfach so, dass ich nicht mehr zu den besten 14 oder 16 Spielern gehöre. Ich glaube allerdings, dass ich trotzdem Qualitäten habe, wenn es darum geht, eine Mannschaft auf ein Turnier richtig und auf den Punkt vorzubereiten.

Es gibt im aktuellen Kader auch andere Spieler, die Anführer sein können. Für mich ist das zum Beispiel Danilo Barthel.

Haben Sie denn noch Kontakt zu Nationaltrainer Henrik Rödl?

Persönlichen ja. Aber wenn's um das Sportliche geht, eher nein. Ich weiß nicht, woran das liegt. Das ist etwas schade. Wahrscheinlich hat keiner so viele Qualifikationsspiele bestritten wie ich. Ich wünsche mir, dass man da mal anruft und die Dinge offen bespricht.

Henrik Rödl, Bastian Doreth

Bundestrainer Henrik Rödl und Bastian Doreth bei einem WM-Qualifikationsspiel in Frankfurt. imago images

Sie rechnen also mit keiner erneuten Nominierung?

Ich habe den Eindruck, dass der DBB es etwas anders sieht und eher nur die qualitativ besten Spieler beruft. Das ist auch in Ordnung so, Leistung nominiert letztlich. Es gibt im aktuellen Kader auch andere Spieler, die Anführer sein können. Für mich ist das zum Beispiel Danilo Barthel (Bayern München, Anm. d. Red.), weil er Erfahrung, Reife und die soziale Kompetenz hat.

Von den Führungspersönlichkeiten musste sich vor allem Dennis Schröder nach der WM viel Kritik anhören.

Man hat Dennis das große Vertrauen gegeben, der Anführer bei der WM zu sein. Im Endeffekt hat es nicht gut funktioniert. Es ist aber nicht fair, alles auf seinen Schultern abzuladen. Am Ende, vor allem beim zweiten Gruppenspiel gegen die Dominikanische Republik, war die deutsche Mannschaft zu berechenbar. Das muss sich verändern.

Müssten sich dafür die anderen Spieler nicht selbst mal positionieren und eine Führungsrolle beanspruchen?

Es wäre wichtig, dass es insgesamt eine bessere Zusammenarbeit zwischen Trainer, Mannschaft und Verband gibt. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, dass Spieler wieder gerne zum Nationalteam kommen. Das war nicht immer so. Man hört jetzt, dass der Spaß bei der WM verloren gegangen ist. Es wäre sehr schade, denn so viel Qualität wie Deutschland momentan hat, gab es schon lange nicht mehr.

Es ist das grundsätzliche Übel mit diesen Fenstern, dass manche Profis nicht an den Länderspielen teilnehmen können und andere nominiert werden, die später letztlich nicht berücksichtigt werden.

Sie haben viele Qualifikationsspiele absolviert, letztlich aber nur ein großes Turnier, nämlich die EM 2013, bestritten. Hintergrund sind unter anderem die Länderspielfenster, bei denen die NBA-Spieler nicht abgestellt werden - die dann aber für die großen Turniere berufen werden. Wie geht man damit um?

Es gab für mich eigentlich nur ein Turnier, bei dem ich wirklich sauer und traurig war, nicht dabei gewesen zu sein. Das war die EM 2017. Da habe ich eine gute Vorbereitung gespielt und viele Minuten bekommen. Nach dem letzten Test in Berlin gegen Frankreich stand am nächsten Tag der Abflug zur Endrunde an. Chris Fleming hat mir aber nach dem Spiel mitgeteilt, dass ich nicht mehr dabei bin. Damals hatte ich meiner Meinung nach gegenüber Ismet Akpinar, der natürlich auch ein super Spieler ist, die Nase vorne. Da musste ich schon schlucken.

Abgesehen von der EM 2017 ist es Ihnen aber nicht schwergefallen, anderen Spielern nach getaner Qualifikation den Vortritt zu lassen?

Ich habe immer eine gute Selbsteinschätzung gehabt. So konnte ich sachlich damit umgehen. Es ist das grundsätzliche Übel mit diesen Fenstern, dass manche Profis nicht an den Länderspielen teilnehmen können und andere nominiert werden, die später letztlich nicht berücksichtigt werden. Die Leidtragenden des Streits zwischen NBA, Euroleague und FIBA sind die Spieler. Ich finde allerdings trotzdem, dass man auch stolz sein kann, Qualifikationsspiele bestritten zu haben.

Ihre Karriere nahm in Ihrer Heimatstadt Nürnberg den Anfang. 2010 gingen Sie zu Bayern München, das damals noch in der zweitklassigen Pro A gespielt hat. War das eine große Herausforderung?

Bastian Doreth

90 Länderspiele für Deutschland: Bastian Doreth. imago images

Es war ein extrem anspruchsvolles Projekt. Ich musste mir das gut überlegen, denn als Dirk Bauermann (damals Trainer des FC Bayern Basketball, Anm. d. Red.) angerufen hat, war ich kurz davor, bei einem Erstligisten zu unterschreiben.

Am Ende fiel Ihre Wahl aber doch auf die Bayern.

Man muss sagen, dass ich unfassbares Glück hatte, allerdings wegen des Leids anderer. Mit Steffen Hamann und Demond Greene haben sich zwei Spieler verletzt. So bekam ich viel Spielzeit. Das Jahr war so ziemlich das spaßigste, was man sich als Profi vorstellen kann. Wir waren überlegen, im Grunde eine Art Superteam für die Pro A. Wir hatten eine geile Zeit, ich war ein junger Spieler in München - und wir haben ständig gewonnen. Es gibt Schlimmeres (lacht).

Bastian Doreth, Dirk Bauermann

Bastian Doreth (li.) und Trainer-Legende Dirk Bauermann stiegen 2011 mit Bayern München in die BBL auf. imago images

2011 gelang mit den Bayern der Aufstieg - wie ging es danach weiter?

In der Vorbereitung auf die erste Bundesliga-Saison habe ich mich verletzt. Auch wenn der Kader verbessert wurde, hätte ich wahrscheinlich ein paar Minuten bekommen. Doch ich wurde erstmal zurückgeworfen. Marko Pesic, mein ehemaliger Berater, wurde in der Zwischenzeit bei den Bayern angestellt. Der Verein fing an, sich zu verändern. Man zog in den Audi-Dome und durfte gleich (durch eine Wildcard, Anm. d. Red. ) im Eurocup antreten. Es wurde mehr Geld investiert, Coach Bauermann ausgetauscht. Mein Vertrag wurde verlängert, aber ich habe dann keine Spielzeit mehr bekommen.

Ich rate jungen Spielern, die verliehen werden, immer: Lasst euch auf den Standort voll ein und spielt so, als wäre das euer Verein für die nächsten zehn Jahre.

Sie wurden nach Trier ausgeliehen. Wie erging es Ihnen dort?

Ich kam von München, einem glamourösen, sehr professionellen Verein nach Trier, einem zwar traditionsreichen Standort, an dem die Uhren aber trotzdem etwas anders tickten. Ich habe den Fehler gemacht, mich nie richtig einzuleben.

Konnten Sie daraus für die Zukunft lernen?

Ich rate jungen Spielern, die verliehen werden, immer: Lasst euch auf den Standort voll ein und spielt so, als wäre das euer Verein für die nächsten zehn Jahre. Trotzdem habe ich auch in Trier viel mitgenommen, seitdem kreuzen sich die Wege mit Andi Seiferth ständig, auch mit Nate Linhart konnte ich damals schon zusammenspielen. Und Henrik (Rödl, Anm. d. Red.) war für so eine Truppe ohnehin ein geiler Trainer.

Sie wurden ein zweites Jahr verliehen, diesmal zu den Artland Dagons.

Da habe ich es anders gemacht, mich komplett auf den Standort eingelassen. Ich wäre wohl länger in Quakenbrück geblieben, wenn nicht der Hauptsponsor abgesprungen wäre. Das war keine schöne Erfahrung, die Leute haben richtig getrauert.

Im Anschluss gingen Sie nach Bayreuth und sind dort heimisch geworden. Seit 2015 spielen Sie im Oberfränkischen und sind die Identifikationsfigur.

Richtig überzeugt war ich zunächst nicht. Doch dann ging ich nach Bayreuth, auch weil es in der Nähe zu meiner Heimat Nürnberg liegt - und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich hoffe, dass ich in Bayreuth meine Karriere beenden kann. Der Verein hat mir viel gegeben und ich ihm hoffentlich auch.

Man merkt einfach, dass bei vielen Vereinen Leute arbeiten, die nicht aus dem Sport kommen und finanzielle Mittel nicht so einsetzen, wie man es im Basketball besser sollte.

Sie sind nun 30 Jahre alt - machen Sie sich Gedanken, was nach Ihrer Karriere mal kommen soll?

Definitiv werde ich im Basketball bleiben, Trainer ist aber eher weiter unten in der Liste. Ich finde es einen sehr spannenden Job, aber ich habe wenig Lust, den Lifestyle als Spieler in noch krasserer Form zu erleben. Du hast womöglich alle zwei Jahre Standortwechsel. Ich kann mir vorstellen, Spielerberater zu werden oder einen Job im Verein in der Sportlichen Leitung oder im Nachwuchsbereich anzunehmen. Grundsätzlich glaube ich, dass der Basketball noch mehr ehemalige Spieler braucht.

Wie meinen Sie das?

Man muss schon an der Basis das Niveau anheben und aufbauen. Man merkt einfach, dass bei vielen Vereinen Leute arbeiten, die nicht aus dem Sport kommen und finanzielle Mittel nicht so einsetzen, wie man es im Basketball besser sollte.

Interview: Daniel Klee/Frederik Paulus