3. Liga

Der FCK und das Stadion: Ein Teufelskreis

Seit Jahren ringen Verein und Politik - Nun fordert die Stadt einen Wertausgleich

Der FCK und das Stadion: Ein Teufelskreis

Die Roten Teufel gehören zu Heimspielen des 1. FC Kaiserslautern im Fritz-Walter-Stadion.

Die Roten Teufel gehören zu Heimspielen des 1. FC Kaiserslautern im Fritz-Walter-Stadion. imago images

Australier, die mit aufblasbaren Kängurus ganz Kaiserslautern in eine einzige Partymeile verwandelten. Dazu der karibische Flair, den die tanzenden und singenden Anhänger aus Trinidad und Tobago verbreiteten. Was während der Weltmeisterschaft 2006 in der 100.000-Einwohner-Stadt Kaiserslautern los war, ist bis heute unvergessen. Die Vielfalt, die Stimmung in der mit Abstand kleinsten WM-Stadt des Landes war einzigartig. Rund eine Million Besucher bevölkerten die Stadt im Pfälzerwald, die das WM-Motto, "Die Welt zu Gast bei Freunden", auslebte, wie wohl kaum eine Zweite. Doch nach der WM folgte der große Kater - der eigentlich absehbar war.

Kurz gefasst: Der für die WM notwendige Ausbau endete in einem finanziellen Fiasko. Statt der ursprünglich veranschlagten Summe von rund 48 Millionen Euro - verteilt auf die Stadt, Land und Verein - stiegen die Kosten auf über 70 Millionen Euro. Lange war die Finanzierung unklar, doch Stadt und Land sprangen letztlich ein. Die drohende Insolvenz des sich auch abseits der Stadionthematik in Geldnot befundenen FCK konnte nur abgewendet werden, indem die Fritz-Walter-Stadion-Gesellschaft GmbH, deren einziger Gesellschafter die Stadt Kaiserslautern ist, das Stadion und das Nachwuchsleistungszentrum 2003 vom Verein erwarb. Der dafür nötige Kredit beläuft sich nach mehreren Umschuldungen auf rund 66 Millionen Euro und läuft bis ins Jahr 2036. Vorzeitige Tilgungen sind nicht vorgesehen, stattdessen hoffte man schon damals auf einen Investor - bis heute vergebens. Immerhin 14 Millionen Euro sind als Kapitalrücklage gebildet.

Mehrmals wurden die Pachtzinsen erlassen

Ursprünglich sollte der FCK jährlich 3,2 Millionen Euro Pacht zahlen. Doch nach dem Bundesligaabstieg 2006 sah sich der Verein nicht mehr in der Lage, den vollen Betrag zu begleichen. Mehrmals wurden Pachtzinsen erlassen. Der Klub zahlte seit 2014 in der 2. Liga noch 2,4 Millionen Euro, seit dem Abstieg in die 3. Liga 2018 noch 425.000 Euro. Das große Problem: Allein die Zinskosten für den Kredit betragen jährlich fast drei Millionen Euro. Für die Differenz kommt die Stadt auf. Dabei hat diese selbst kein Geld, nimmt sogar Platz drei im bundesweiten Ranking der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung ein. Das Land Rheinland-Pfalz sieht sich nicht mehr in der Verantwortung. Seit Jahren ringen Verein und Politik um eine für beide Seiten akzeptable Lösung.

Feiernde australische Fans

Feiernde australische Fans während der WM 2006 in Kaiserslautern. picture alliance

Es ist ein Teufelskreis. Auch wenn diese Bezeichnung in Anlehnung an die Roten Teufel abgedroschen klingen mag, trifft sie den Nagel auf den Kopf, wie an keiner anderen Stelle. Der FCK kann nicht ohne sein Stadion, die Stadt nicht ohne den FCK. Denn der Kollos über den Dächern Kaiserslautern ist wertlos ohne den Fußball. Am kommenden Montag steht das Thema mal wieder auf der Tagesordnung einer Stadtratssitzung. Jüngst hatte Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) einen Wertausgleich in Form von Aktien an der GmbH & Co. KGaA des Fußballklubs gefordert. Die Vereinsverantwortlichen um Beiratschef Markus Merk reagierten irritiert. Die Entscheidung über künftige Vertragsmodalitäten soll wohl erst in einer Sitzung am 3. Februar fallen.

Die Erfolge der 90er-Jahre haben den Blick getrübt

Ein Alleinschuldiger für die jetzige Situation lässt sich nicht ausmachen. Der damalige Ministerpräsident und bekennende FCK-Anhänger Kurt Beck (SPD) sowie der früherer Lauterer Oberbürgermeister Bernhard Deubig (CDU) waren treibende Kräfte bei der WM-Bewerbung. Die Weitsicht, dass ein Stadion für fast 50.000 Zuschauer im Alltag etwas überdimensioniert sein könnte, fehlte nicht nur diesen Handlungsträgern. Die Blicke wohl auch etwas getrübt von den erfolgreichen 90er-Jahren mit dem sensationellen Erfolg der deutschen Meisterschaft 1998 und den größenwahnsinnigen Plänen des Klubs, auf Dauer dem FC Bayern Paroli zu bieten und auch international mit den Spitzenmannschaften des Kontinents zu konkurrieren.

Kurt Beck

Kurt Beck (SPD), damaliger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, war eine treibende Kraft der WM-Bewerbung. picture alliance

Doch der FCK war seit jeher ein immenser Wirtschaftsfaktor für die strukturschwache Region. Die WM, betonte auch Beck, sei zudem ein "Riesenimpuls" gewesen. Vieles wäre in und rund um Kaiserslautern infrastrukturell heute anders, wäre das Großereignis an der Stadt vorbeigegangen. Erwin Saile, 2006 WM-Koordinator in Kaiserslautern und heute Geschäftsführer der Stadiongesellschaft, gab an, der Marketingwert der WM lag laut einer Schätzung bei 200 Millionen Euro. Alleine 150 Millionen Euro seien an Investitionen ausgelöst worden - abseits des teuren Stadions. Den Preis dafür müssen Verein und die derzeit politisch Verantwortlichen nun zahlen. Doch die Kritiker von Steuerverschwendung, die kaum eine Möglichkeit ungenutzt lassen, beim Thema FCK regelmäßig auf die Barrikaden zu gehen, sollten beide Seiten betrachten: Laut dem früheren Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz habe der Klub von 1992 bis 2008 176 Millionen Euro Steuergelder abgeführt - was die jahrelangen Subventionen alleine selbstverständlich nicht rechtfertigt.

Die Forderung der Stadt ist legitim

Die Zweckehe steht nun also erneut auf dem Prüfstand. Die Forderung nach einem Wertausgleich seitens der Stadt ist legitim. Doch das Problem wird dadurch nicht gelöst, sondern nur verschoben. Der Verkauf von Vereinsanteilen in Form von Aktien ist die wohl einzig realistische Möglichkeit für den FCK, sich wirtschaftlich zu rehabilitieren und aus der Versenkung der 3. Liga emporzuklettern. Der Vereinswert wurde jüngst auf 45 Millionen Euro taxiert. Wenn die durch die derzeitige Pachtzahlung vorhandene Lücke von rund 2,8 Millionen Euro durch die Abgabe von Aktien an die Stadt kompensiert wird, gehört dieser binnen drei Jahren fast 20 Prozent des gesamten Vereins - ohne das der FCK im Gegenzug notwendige monetäre Mittel erhält. Der Investment-Plan, der allerdings noch nicht funktioniert, wäre über den Haufen geworfen.

Umbau im Fritz-Walter-Stadion

Für die WM wurde das Fritz-Walter-Stadion ausgebaut - für viel Geld. imago images

Die Uhr tickt - ein gefährliches Spiel

Die Politik verweist darauf, dass der Verein durch ungeplante Transfererlöse und außerplanmäßige Einnahmen in der Lage wäre, auch in der 3. Liga zu existieren. Doch damit nimmt man dem Traditionsverein die Luft zu atmen. Es würde die Chancen auf die langfristig angepeilte Rückkehr in die Bundesliga drastisch schmälern. Und gelingt das nicht, sind die Aktien quasi wertlos.

Es ist ein gefährliches Spiel. Denn wenn das Feuer auf dem Betzenberg irgendwann erlischt, ist auch die Stadt alle 14 Tage um mehrere zehntausend Besucher leerer. Wohl nur ein zahlungskräftiger Investor, der Stadt und Verein gleichermaßen ins Boot holt, kann für die Lösung sorgen. Sonst darf sich der Finanzhaushalt der Kommune in 16 Jahren damit beschäftigen, wie die dann fehlenden über 50 Millionen Euro bereitgestellt werden. Doch noch ist es nicht zu spät, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Aber wie viel Zeit bleibt noch?

Moritz Kreilinger