Champions League

Der BVB und die bittere Erkenntnis nach dem 1:3 in Barcelona

Dortmund droht das Aus in der Champions League

Kein Schritt aus der Krise: Der BVB und die bittere Erkenntnis

Vielsagende Körpersprache des BVB in Barcelona: Marco Reus, Axel Witsel & Co.

Vielsagende Körpersprache des BVB in Barcelona: Marco Reus, Axel Witsel & Co. imago images

Ein Fußballspiel in Barcelona - davon träumten Fans, Verantwortliche und Spieler von Borussia Dortmund viele Jahre lang. Einmal gegen Lionel Messi spielen, ihn vielleicht sogar schlagen, zumindest aber mit offenem Visier gegen ihn und seine Co-Stars antreten, und das im Camp Nou, vor noch mehr Zuschauern als im heimischen Signal-Iduna-Park. Das klang einfach zu verlockend.

Doch ausgerechnet jetzt, als der Wunsch in den letzten Herbsttagen des Jahres 2019 endlich Realität wurde, da war von Lust und Leichtigkeit oder gar Mut so rein gar nichts zu spüren. Die Krise, in die der BVB nach dem heftigen 0:4 in München und dem fast ebenso schockierenden Heim-3:3 gegen Paderborn geschlittert war, warf ihre Schatten bis nach Katalonien und verdunkelte die milde November-Sonne Barcelonas. Zumindest für all jene, die am Mittwochabend in die mit über 90.000 Zuschauern gefüllte Betonschüssel namens Camp Nou gepilgert waren und es mit der Borussia hielten.

1:3 hieß es am Ende eines phasenweise äußerst einseitigen Spiels aus Sicht der Schwarz-Gelben. 25 ordentliche Minuten zu Beginn und 15 weitere am Ende - stark begünstigt durch das langsame Austrudeln der Barça-Stars -, mehr hatte der BVB seinen 4700 mitgereisten Fans nicht zu bieten. Aus dem Traum von Barcelona wurde zwar kein Albtraum, in wohliger Erinnerung aber wird kein Borusse diese 90 Champions-League-Minuten halten. Zu deutlich wurde den Gästen vor Augen geführt, wie weit der BVB aktuell von Europas Spitze entfernt ist und wie hilf-, ziel- und führungslos diese eigentlich doch so stark besetzte Mannschaft zuweilen auf dem Platz agiert.

Favres Ursprungsidee war nicht verkehrt, aber...

Ja, die Ursprungsidee von Trainer Lucien Favre, der nun dringend einen Sieg in Berlin benötigt, um sich seines Jobs sicher zu fühlen, war im Grundsatz nicht verkehrt. Mit vier gelernten Außenverteidigern auf den Flügeln wollte er für Stabilität in der Defensive sorgen, Ballgewinne erzwingen und dann auf schnelle Umschaltmomente hoffen. Und fast wäre dieses Rezept nach gerade einmal 66 Sekunden auch aufgegangen, als der vor Raphael Guerreiro aufgebotene Nico Schulz zum Abschluss kam. Doch der Ball landete nicht im Tor - und der Angriff blieb für lange, lange Zeit der letzte des BVB, der in einem potenziell gefährlichen Torschuss mündete.

Stattdessen reihten sich erneut Fehler an Fehler, besonders in jenen Umschaltmomenten, auf die Favre so gesetzt hatte. Mal versprang Schulz der Ball bei der Annahme, mal bekam er ihn in den Rücken, mal kam sein Pass nicht an den Mann. Die Leistung des formschwachen Nationalspielers stand symptomatisch für die mangelhaften Angriffsbemühungen der Borussia, die noch dazu gegen den Ball wieder einmal durch schlecht abgestimmtes und bestenfalls halbherziges Pressing sowie eine nahezu körperlose Zweikampfführung negativ auffiel.

Messi durfte schalten und walten, wie er wollte. Und er wollte.

Barcelona - in dieser Saison zuvor keineswegs brillant, sondern häufig eher bieder - bedankte sich herzlich für diese indirekte Aufbauhilfe. Je länger die erste Hälfte voranschritt, desto mehr verschob sich das Spiel in Dortmunds Hälfte - und damit in das Revier von Superstar Messi. Der Argentinier war in seinem 700. Spiel für Barça voll da und nutzte die individuellen Fehler, die der BVB in immer größerer Dosis hinzufügte, mit seiner Klasse eiskalt aus. Zwei Assists, ein Tor - Messi durfte schalten und walten, wie er wollte. Und er wollte.

Für die Dortmunder Abwehrspieler hieß das: Sie fuhren Karussell, bis der Schädel brummte, so sehr wurden sie von Barças Zehner an diesem Abend eingedreht. Ohne dass sie auch nur den Hauch einer Ahnung davon hatten, wie ihnen geschah und wie sie es hätten verhindern können. Das 0:3 in der 67. Minute war die bittere, aber logische Konsequenz. Erst danach, als Barcelona "ein paar Gänge zurückgeschaltet hatte", wie es BVB-Keeper Roman Bürki treffend formulierte, fand Dortmund offensiv etwas besser ins Spiel.

Es gab in Dortmund Zeiten, da waren mut- und kraftlose Auftritte wie jener in Barcelona undenkbar. Doch diese Zeiten sind passé. Diese einst so selbstbewusst agierende, durch ihren (Wage-)Mut klar identifizierbare Mannschaft hat national wie international ihren Schrecken verloren. Sinnbildlich hierfür steht Marco Reus, der auch am Mittwoch wieder nahezu unsichtbar blieb. Wenn dann auch noch der später mit Wut im Bauch auffällig aufspielende Jadon Sancho, der individuell wohl am stärksten gesegnete Spieler des BVB, zunächst auf der Bank Platz nehmen muss, geht dem Team auch das letzte Bisschen an Spielwitz ab, das nach den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Wochen noch übriggeblieben ist. Es ist eine bittere Erkenntnis. Doch eine, die nur schwer zu leugnen ist. Und die darüber hinaus daran zweifeln lässt, dass in der aktuellen Konstellation noch eine nachhaltige Wende herbeigeführt werden kann.

Das Überwintern in der Königsklasse hat der BVB nicht mehr in der eigenen Hand

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Das erste Saisonziel, das Überwintern in der Königsklasse, ist bereits in akuter Gefahr und aus eigener Kraft nicht mehr zu erreichen. Der BVB ist auf Schützenhilfe des FC Barcelona angewiesen. Verliert Barça gegen Inter Mailand, ist Dortmund in jedem Fall aus der Champions League ausgeschieden, unabhängig, wie der Klub sein Heimspiel gegen Prag bestreitet. Dann bliebe nur die Europa League als Trostpflaster.

Einen Trainerwechsel allerdings wollen sie bei den Schwarzgelben weiterhin mit aller Macht verhindern, auch wenn Sportdirektor Michael Zorc nach der Niederlage in Barcelona bilanzierte, das Spiel sei "kein Schritt aus der Krise" gewesen. Nun wolle man im Bundesliga-Spiel bei Hertha BSC am kommenden Samstag die "Trendwende" herbeiführen.

Berlin, auch das ist ja einer dieser Sehnsuchtsorte der Borussia. Der Pokalsieg 1989, das Double 2012 - viele wohlige Erinnerungen sind beim BVB mit dem Olympiastadion verknüpft. Nicht zufällig kommen regelmäßig mehr als 10.000 Dortmunder Fans mit zu den Auswärtsspielen bei Hertha BSC. Auch diesmal wieder. Mit einer Leistung allerdings wie in Barcelona zwischen der 25. und 75. Minute droht das nächste böse Erwachen. Auch wenn der Gegner dann nicht Lionel Messi heißt, sondern Marius Wolf, Javairo Dilrosun oder Dodi Lukebakio.

Matthias Dersch

Bilder zur Partie FC Barcelona - Borussia Dortmund