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BMW X6: Der schräge Riese

Neue Generation - Markteinführung im November - Preise ab 75.500 Euro

BMW X6: Der schräge Riese

Imposanter Anblick: Der neue BMW X6 ist im Vorgängervergleich um verhaltene 2,6 Zentimeter auf 4,94 Meter Länge gewachsen.

Imposanter Anblick: Der neue BMW X6 ist im Vorgängervergleich um verhaltene 2,6 Zentimeter auf 4,94 Meter Länge gewachsen. Hersteller

Als der X6 im Jahr 2008 auf den Markt kam, da hätten ihn viele einfach nicht verstanden, sagt Projektleiter Gerhard Thiel. Eine Runde Mitleid also? Eher nicht. Der X6 ist ein fast fünf Meter langes Trumm von einem Auto, mehr Selbstbewusstsein auf Rädern geht kaum. Nicht-Verstanden ist in diesem Fall eher die Umschreibung von Heftig-Kritisiert, denn auch wenn die Fridays-for-Future-Kids vor elf Jahren noch im Grundschulalter gewesen sind, so waren automobile Riesen wie der X6 schon damals nicht wirklich wohlgelitten.

Mitleid ist auch deshalb nicht angebracht, weil der X6 zum durchschlagenden Erfolg für BMW wurde. Die aufgescheuchte Konkurrenz hat längst nachgezogen - zuerst Mercedes mit dem GLE Coupé, später dann Audi mit dem Q8 oder Porsche mit dem Cayenne Coupé.

Nummer eins im Segment

Den Mitbewerbern trotzt der X6 erfolgreich, noch immer ist er die Nummer eins in seinem Segment, 450.000 Mal hat er sich weltweit verkauft. Ganz oben soll er auch in Zukunft bleiben, deshalb hat ihn BMW jetzt neu aufgelegt.

BMW X6

Lightshow: BMW X6 mit beleuchteter "Niere". Hersteller

Understatement ist nach wie vor nicht die Sache des X6, noch immer zeigen sich Kleinwagenfahrer leise erschüttert, wenn der Riese mit dem imposanten Hinterteil vor ihnen einschert. Der stattliche Auftritt gefällt vor allem Kunden in den USA, Russland und China. Letztere haben bekanntlich ein Faible für Buntes und für Glitzer, wohl auch deshalb hat BMW den X6 mit einer Lightshow ausgestattet, die dem eher technoid-orientierten deutschen Kunden zu viel des Guten sein könnte. Wer aber schon einmal in Shanghai an der Uferpromenade "Bund" gestanden hat und hinüber auf die kunterbunt funkelnde Skyline von Pudong geblickt hat, der weiß: Der X6 kann zum automobien Äquivalent werden. Dann nämlich, wenn der Kunde dem Ambientelicht all seine farbenprächtigen Möglichkeiten abverlangt oder das Panorama-Glasdach "Sky Lounge" ordert, bei dem über 15.000 beleuchtete Grafikpunkte einen Sternenhimmel erzeugen, in sechs unterschiedlichen Farben. Oder wenn die nunmehr vergrößerte BMW-Niere beleuchtet geordert wird. Ob das überhaupt mit der Straßenverkehrsordnung konform geht, wollen wir wissen. Ja, sagt Gerhard Thiel, denn je eine Hälfte der Niere gilt offiziell als Teil des rechten bzw. linken Scheinwerfers.

Topmodell mit acht Zylindern

Zwecks erstem Kennenlernen konfrontiert uns BMW mit dem X6-Topmodell M50i, der auch leistungstechnisch eine Provokation für jeden Klimaaktivisten sein muss: Acht Zylinder, 4,4 Liter Hubraum, 390 kW (530 PS), 750 Newtonmeter Drehmoment, Allradantrieb - das ist schon eine Ansage.

Von der mächtigen Power unter der Haube merken wir zunächst nicht viel, denn im dichten Stadtverkehr von München sind alle gleich. Vor den Stadttoren aber geht es auf die Autobahn, und dort legt der M50i gewaltig los. Trotz seiner 2,3 Tonnen Gewicht entfaltet er seine Kräfte erstaunlich mühelos, in 4,3 Sekunden erreicht er Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h. Solches Tun haben die Soundspezialisten mit einem imposanten Klangteppich unterlegt.

BMW nennt einen Verbrauchs-Mix von 10,7 - 10,4 l/100 km, uns informierte der Bordcomputer über einen Schnitt von 12,2 l. Wer "pedal to the metal" fährt, muss sich allerdings durchaus auf 18 l/100 km einstellen.

BMW X6

Handlich trotz schierer Größe: Fahrtechnisch ist der X6 kein grober Klotz. Hersteller

Der X6 M50i wäre freilich kein BMW, wenn er nur geradeaus bolzen könnte. Auch auf den gewundenen, wenig befahrenen Sträßchen im oberbayerischen Voralpenland fühlt er sich daheim, trotz der schieren Größe wedelt er bemerkenswert leichtfüßig von Kehre zu Kehre, die Impulse der Integral-Aktivlenkung werden zielgenau umgesetzt, die wohlsortierte Achtgangautomatik ist stets mit der adäquaten Fahrstufe zur Stelle und die Bremsanlage hat das Schwergewicht tadellos im Griff. Allradantrieb vermittelt die nötige Bodenhaftung, und dank Zwei-Achs-Luftfederung und dynamischer Dämpferkontrolle bügelt der X6 Asphaltflicken elegant und feinnervig aus - bei aller Leistungs-Schau darf man nicht vergessen, dass der große BMW auch ein exquisiter Reisewagen ist.

Persönlicher Assistent an Bord

Dazu passt auch der große Kofferraum (580 bis 1530 Liter), dazu passen die digitalen Umgangsformen: Das Cockpit bekommt die neu angeordneten und gestalteten Bedienelemente von X3, X5 oder X7, die Steuerung erfolgt über den vertrauten Dreh-Drück-Regler, aber auch über den "Intelligent Personal Assistent", der ähnlich wie Siri oder Alexa auf Zuruf aufhorcht und verbal formulierte Aufgaben erledigt.

Dass BMW ein umfangreiches Arsenal an Fahrassistenten zur Verfügung stellt, unter anderem einen Tempomaten, der die Geschwindigkeit automatisch an Tempolimits anpasst, oder den überaus praktischen Rückfahrassistenten, der das Auto exakt auf jenem Weg aus engen Zufahrten oder Parklücken hinauslaviert, die es zuvor vorwärts befahren hat, ist in dieser Fahrzeugklasse selbstverständlich.

BMW X6 Cockpit

Interieur: Bei der Bedienbarkeit ist BMW Benchmark, das gilt auch für den X6. Hersteller

Hiesigen SUV-Gegnern dürfte der X6 M50i nur selten unter die Augen kommen, als V8-Benziner passt er eher zu den erwähnten Märkten in Russland, China und den USA, wo er - im BMW-Werk Spartanburg/South Carolina - auch gebaut wird.

Schnell in der Sechsstelligkeit

99.000 Euro will BMW für das X6-Topmodell sehen, mindestens, denn nach Abschluss des Bestellvorgangs dürfte daraus in den allermeisten Fällen ein sechsstelliger Betrag werden. Etwas günstiger kommt davon, wer eine der motorseitigen Alternativen wählt: Den X6 xDrive 40i (3.0-l-R6-Benziner, 250 kW/340 PS, ab 77.000 Euro), den X6 M50d (3,0-l-R6-Diesel, 294 kW/400 PS, ab 96.600 Euro) oder das Basismodell X6 xDrive 30d (3,0-l-R6-Diesel, 195 kW/265 PS, ab 75.500 Euro). Ein Plug-in-Hybrid, wie ihn BMW von der technischen Basis des X6, dem X5, anbieten wird, ist nicht vorgesehen.

Ulla Ellmer

BMW X6 in Kürze:

Wann er kommt: Im November 2019

Wen er ins Visier nimmt: Mercedes GLE Coupé, Audi Q8, Porsche Cayenne Coupé, Maserati Levante

Was ihn antreibt: V8-Benziner mit 390 kW/530 PS, R6-Benziner mit 250 kW/340 PS, R6-Diesel mit 294 kW/400 PS und 195 kW/265 PS

Was er kostet: Ab 75.500 Euro

BMW X6: Unverstanden, aber erfolgreich