3. Liga

1860: Zehn wichtige Fragen vor der Mitgliederversammlung

München: Welche Rolle spielen Ismaik, Reisinger und die Ultras?

1860: Zehn wichtige Fragen vor der Mitgliederversammlung

Wird er am Sonntag wiedergewählt? 1860-Präsident Robert Reisinger.

Wird er am Sonntag wiedergewählt? 1860-Präsident Robert Reisinger. imago images

Warum ist Reisinger der einzige Kandidat?

Die Satzung besagt, dass Job-Interessenten eine Bewerbung beim Verwaltungsrat einreichen müssen und das Gremium dann - in einer Art Casting - entscheiden darf, welcher Kandidat den Mitgliedern zur Wahl präsentiert wird. Dabei stößt die Demokratie an ihre Grenzen. Wenn nämlich das eigentlich höchste Organ des Vereins, die Mitgliederversammlung, mit Nein stimmen sollte, kann der Verwaltungsrat den nächsten Kandidaten nach seinem Geschmack aussuchen. Solange, bis 50 Prozent der an der Wahl teilnehmenden Mitglieder mit Ja votieren. Dem Verwaltungsrat kommt diese Regelung natürlich zu Gute, weil er seine Interessen so leichter durchsetzen kann. Trotzdem sagte Sebastian Seeböck, der Vorsitzende dieses Gremiums: "Verbesserungspotenzial gibt es mit Sicherheit."

Was passiert, wenn Reisinger von den Mitgliedern abgelehnt wird?

Dann muss der Verwaltungsrat einen neuen Kandidaten präsentieren. In der Satzung heißt es: "Wird ein vom Verwaltungsrat für das Präsidium vorgeschlagener Kandidat von der Mitgliederversammlung nicht gewählt, so schlägt der Verwaltungsrat einen anderen Kandidaten vor, der sich in derselben beziehungsweise in der darauffolgenden (gegebenenfalls außerordentlichen) Mitgliederversammlung zur Wahl stellt." Saki Stimoniaris, der aktuelle Chef des Aufsichtsrates, hatte sich im Frühjahr um die Stelle ebenfalls beworben, wurde aber abgelehnt. Die Gründe möchte der dafür verantwortliche Verwaltungsrat bei der Mitgliederversammlung erläutern.

Ismaik hätte die Namensrechte gekauft - und zurückgeschenkt

Welchen Kurs will Reisinger fahren?

Der 55-Jährige kümmert sich zwar ausgiebig um den Breitensport, dafür schätzen ihn einige Mitglieder sehr. Geht es aber um den Profifußball, steht er nach wie vor zu seinem im Winter eingeschlagenen Konsolidierungskurs: Es sollen keine zusätzlichen Schulden gemacht werden. Was zunächst charmant klingt, heißt aber auch: Für 1860 wird das Überleben selbst in der 3. Liga unheimlich schwer - ein Aufstieg, den alle im Verein gerne hätten, rückt in weite Ferne. Weil allein die Mittel für die Wettbewerbsfähigkeit fehlen. Der nach außen gepredigte Konsolidierungskurs hat also wenig Bestand. Sechzig macht aller Voraussicht nach auch in diesem Jahr Verlust. Und Ismaiks Geld wird nur dann gerne genommen, wenn es nicht in Darlehen ankommt. Kann Konsolidierung ohne Investitionen funktionieren?

Was bedeutet die Finanzspritze von Hauptsponsor "Die Bayerische", die für 500.000 Euro die Namensrechte am Nachwuchsleistungszentrum erworben hat?

Hier wird es pikant. Mit den 500.000 Euro können die Löwen zwar mit unheimlich viel Kreativität und Geschick einen Kader für die 3. Liga basteln, aber auch dieses Budget wird schnell aufgebraucht sein. Nach kicker-Informationen gab es intern Überlegungen, die Namensrechte an Hasan Ismaik (Angebot über ein 500.000-Euro-Darlehen mit 0,01 Prozent Verzinsung) zu übertragen. Der Investor hätte die Namensrechte dem Verein zurückgeschenkt: Um ein klares Zeichen gegen Namens-Kommerz zu setzen. Aber: Präsident Reisinger, der nach DFL-Statuten - Stichpunkt 50+1 - die Entscheidung für solche Angelegenheiten treffen darf, erteilte seinen Geschäftsführern Günther Gorenzel und Michael Scharold einen Dienstauftrag, sie müssten bis vorige Woche Donnerstag den Vertrag mit dem Hauptsponsor unterschreiben und damit verabschieden. Hinter dem Rücken Ismaiks, der als Mehrheitsgesellschafter wenig erfreut war.

Die Ultras kosteten dem Klub mehr als 40.000 Euro - Geld, das 1860 nicht hat

Welche Rolle spielen das Grünwalder Stadion und die Ultras?

Die Ultras lieben es. Und weil Präsident Reisinger die Stimmen der aktiven Fanszene - inklusive der immer kritischer beäugten Fanorganisation Pro1860, wie die Süddeutsche in einem Artikel detailliert beschreibt - benötigt, wird er die alte, nicht mehr für den Profifußball geeignete Spielstätte verteidigen. Wohlwissend, dass enorm viel Geld verloren geht, weil es dem stets mit 15000 Zuschauern ausverkauften Haus allein an Vermarktungsmöglichkeiten mangelt. Das Stadion in Giesing ist also eher ein Politikum. Genau deshalb kritisiert der Vereinsvorsitzende auch kaum die Ultras, die sich häufig danebenbenehmen und dem Klub in der abgelaufenen Saison mehr als 40.000 Euro an Strafen einbrachten. Geld, das die Sechziger nicht haben. Das Skurrile daran: Unter den Mitgliedern stellt die aktive Fanszene prinzipiell eine Minderheit dar, aufgrund der geringen Teilnahme an Mitgliederversammlungen, bei denen im Verhältnis zum Rest die Ultras stark vertreten sind, aber bilden sie oft die Mehrheit.

Welche Fragen müssen sich die anwesenden Mitglieder stellen?

Was will 1860? Ist übertriebener Traditionalismus noch zeitgemäßer Realismus? Welche konkreten Pläne gibt es für das Aushängeschild Profifußball? Kann Konsolidierung ohne Investition funktionieren? Was braucht es, um unter den aktuellen Voraussetzungen ein Miteinander der Gesellschafter zu erreichen? Wie kann man die beiden Gruppen im Verein - die KGaA und den e.V. - zum Wohle des Klubs zusammenführen?

Welchen Einfluss hat die Abstimmung auf das Sportliche und auf Trainer Daniel Bierofka?

Dass der Coach noch nicht hingeschmissen hat, verdanken die Löwen einerseits seiner Verbundenheit mit dem Verein und andererseits der Überzeugungsarbeit von Geschäftsführer Günther Gorenzel und Investor Ismaik. Das Verhältnis zwischen Bierofka und Präsident Reisinger ist arg zerrüttet, sie kommunizieren kaum miteinander. Selbst in diesem Sommer hatte der Trainer über einen Rücktritt nachgedacht und konnte nur unmittelbar vor dem Trainingsauftakt nochmals von einer Fortsetzung seiner Arbeit überzeugt werden.

Danke für das Angebot, aber ich verzichte.

Präsident Robert Reisinger auf kicker-Nachfrage, ob er sich äußern möchte

Was bedeutet das kicker-Interview von Hasan Ismaik?

Der Investor hat medial lange geschwiegen, sich wenn überhaupt via Facebook zu Wort gemeldet. Nun bezog er Stellung, um seine Sicht der Dinge zu formulieren und sich gegen die Anfeindungen - intern wie extern - zu wehren. Dass auch der Jordanier in der Vergangenheit Fehler gemacht hat - wie in der Abstiegssaison, als viel Geld verbrannt wurde - ist unumstritten. Der Investor braucht Fußball-Fachmänner an seiner Seite, das weiß er.

Was sagt Reisinger zum Interview?

Ein Gespräch vor der Mitgliederversammlung vermeidet der Präsident. Auf eine schriftliche kicker-Nachfrage, ob er sich äußern möchte, schreibt er: "Danke für das Angebot, aber ich verzichte. Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Gesellschafter über die Presse austauschen sollten, und unsere Mitglieder werden wir am Sonntag auf der Mitgliederversammlung dezidiert informieren. Das ist für mich der richtige Ort und Zeitpunkt." Schon im Winter hatte sich der kicker mit Reisinger zum Gespräch getroffen, das bereits von ihm autorisierte Interview zog der 55-Jährige aber vor der Veröffentlichung zurück.

Worauf kommt es am Sonntag an?

Vor allem darauf, wie viele Mitglieder zur Versammlung erscheinen werden. Vor zwei Jahren, im Juli 2017, nahmen 1.351 stimmberechtigte Löwenanhänger und 173 nicht-stimmberechtigte Gäste teil. Reisinger wurde damals mit 69,8 Prozent der Stimmen (844-mal Ja, 365-mal Nein) als Präsident bestätigt.

"Das war mein größter Fehler - das muss ich mir eingestehen": Lesen Sie hier den zweiten Teil des kicker-Interviews mit 1860-Investor Hasan Ismaik

Georg Holzner

Kirchhoff, Kobylanski & Co.: Neuzugänge der 3. Liga