Nationalelf

Georgia Stanway: "Zu laut zum Denken" im Old Trafford

Bayern-Neuzugang Stanway zeigt ihr Können

"Zu laut zum Denken" im Old Trafford - und ein Hauch von Wembley

Englands Georgia Stanway (3. v. li.) merkte offenbar erst nach Abpfiff, dass sie ein starkes Spiel abgeliefert hatte.

Englands Georgia Stanway (3. v. li.) merkte offenbar erst nach Abpfiff, dass sie ein starkes Spiel abgeliefert hatte. IMAGO/Eibner

Aus Manchester berichtet Paul Bartmuß

War er drin? Oder nicht? Zunächst herrschte Verwirrung. Es waren nur Sekundenbruchteile, doch sie wirkten viel länger, bis Marta Huerta de Aza pfiff und zum Mittelpunkt deutete. Die Uhr der Schiedsrichtern hatte vibriert, Beth Mead soeben das erste Tor dieser EM geschossen, nein, gelupft.

Wenige Zentimeter hinter der Linie hatte die Österreicherin Carina Wenninger geklärt - zu spät. Dann setzte der Jubel ein. Ein Hauch Wembley, ein Hauch 1966 lag in der Luft des Old Trafford. Er wurde aber rasch verweht von den Windböen, die vor und nach Anpfiff um das ehrwürdige Stadion zogen.

Gewissermaßen passend dazu hatte sich Englands Trainerin Sarina Wiegman für eine sehr angriffslustige Ausrichtung entschieden und fünf offensiv denkende Spielerinnen in die Startelf gestellt. Vielleicht waren es auch nur viereinhalb. Georgia Stanway, später von der UEFA zu Recht zur "Spielerin des Spiels" gekürt, tauchte als Verbindungsspielerin zwischen den Strafräumen überall auf. Sechser? Zehner? Irgendwie war sie beides.

Erst dann habe ich begriffen: Offenbar war ich ganz gut.

Georgia Stanway

"Ich sollte heute im Mittelfeld die Fiese sein", sagte Stanway, "also im positiven Sinne." Den Einsatz der Österreicherinnen nannte sie "unglaublich", aber diese Art, Zweikämpfe zu führen, sei ohnehin ein Teil von ihr. Der FC Bayern, der sie zur neuen Saison unter Vertrag genommen hat, darf sich auf eine umtriebige Verstärkung freuen.

Frauen EM, 1. Spieltag

Dass sie einen guten Tag hatte, habe die 23-Jährige allerdings noch nicht während der Partie gemerkt. "Die Ersatzspielerinnen kamen zu mir, haben mir gratuliert. Erst dann habe ich begriffen: Offenbar war ich ganz gut."

Was aber das Beste an dem verdienten 1:0-Eröffnungssieg gewesen sei? "Der Lärm", antwortete Stanway rasch. "Du hast dich nicht mal selbst denken gehört. Geschweige denn die Anweisungen deiner Nebenfrau." 68.871 Zuschauerinnen und Zuschauer waren gekommen, neuer Rekord für ein Spiel einer Frauen-EM. Frenetisch, wie auf einer riesigen Fan-Party, feierten die Tribünen sich selbst und das Geschehen auf dem Platz.

Erst zu schlampig mit Ball, dann reifer

Dass es am Ende nur 1:0 ausging - und damit genauso wie im bislang letzten direkten Duell mit Österreich in der WM-Qualifikation -, gefiel nicht jedem. "Es ist ein guter Tag, hätte aber definitiv besser sein können", urteilte Kapitänin Leah Williamson, und ihre Trainerin präzisierte das. "Wir haben zu schnell die Bälle verloren", kritisierte Coach Wiegman und sprach von "einigen harten Momenten" im Spiel.

Ihre Spielerinnen seien zu schlampig mit dem Ball umgegangen, anstatt ihn einfach einmal zu halten. Erst in der Schlussphase sei das besser gelungen und habe "reifer" ausgesehen. Wenn die Österreicherinnen nicht angreifen würden, müsse man ihnen auch keine Gelegenheiten für Konter geben, sagte Wiegman sinngemäß.

Wiegman will offenbar keine eingespielte Stammelf

Defensiv glänzten vor allem Millie Bright mit unzähligen Klärungsaktionen und die frühere Weltfußballerin Lucy Bronze mit einem omnipräsenten Auftritt auf der rechten Außenbahn. Unzufrieden schien Wiegman dagegen mit dem Flügelspiel nach vorne zu sein, denn zur Halbzeit tauschte sie die Positionen von Torschützin Mead und Shootingstar Lauren Hemp. Dabei ging die meiste Gefahr eigentlich genau von den Außenpositionen aus. Nach einer guten Stunde wechselte sie dann gar dreifach in der Offensive.

Randnotiz: Alle Einwechselspielerinnen verdienen ihr Geld in Manchester - zwei bei United, eine bei City - ein besonderer Moment für die drei und das Publikum. Die Niederländerin hält den Konkurrenzkampf also vom ersten Spiel an hoch und will keine klassische Stammelf entstehen lassen. "Ich glaube, die Wechsel hatten einen Einfluss", verteidigte sie ihre Entscheidung.

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