Europa League

Bayer 04 - Xabi Alonso: Das Eingeständnis eines Fehlers

Trainer verzichtet aufs Duo Wirtz/Xhaka - und korrigiert sich

Xabi Alonso: Ein Experiment, ein Eingeständnis eines Fehlers und eine große Chance

Seine Mannschaft ließ ihn nicht im Regen stehen: Leverkusen-Coach Xabi Alonso.

Seine Mannschaft ließ ihn nicht im Regen stehen: Leverkusen-Coach Xabi Alonso. Getty Images

Aus Baku (Aserbaidschan) berichtet Stephan von Nocks

Vor der Partie hatte Xabi Alonso noch gewarnt. Das erste Spiel einer K.-o.-Runde sei immer gefährlich, hatte der Leverkusener Trainer gesagt - und sollte Recht behalten. Allerdings sorgte der Baske selbst mit seinen Maßnahmen vor dem Spiel dafür, dass Bayer 04 in Baku gegen den Meister Aserbaidschans, der erstmals das Achtelfinale eines Europapokals erreicht hatte, zwischenzeitlich am vorzeitigen K.-o. schnupperte.

So bekamen Xabi Alonso und die komplette Bayer-Delegation in den ersten 45 Minuten demonstriert, was bei der Werkself auf keinen Fall passieren darf: der Ausfall der zentralen Kreativachse mit Sechser Granit Xhaka und Zehner Florian Wirtz.

Wir haben keine Struktur in unser Spiel gekriegt.

Simon Rolfes

In Baku ließ Leverkusens Trainer das Duo zu Beginn auf der Bank. Mit der Konsequenz, dass das Spiel des Bundesliga-Tabellenführers jegliche Abläufe in der Vorwärtsbewegung verlor. Vom Aufbau aus der Abwehrkette auf die Sechser sowie in der Fortsetzung in den Zehnerraum fehlten der diesmal im 4-2-3-1 beginnenden Werkself Ordnung und Ballsicherheit.

Dementsprechend deutlich fiel die Analyse von Simon Rolfes aus. "Wir haben keine Struktur in unser Spiel gekriegt und haben häufig zurück, zurück, zurück gespielt und Qarabag hat immer weiter gepresst und wir waren irgendwann beim Torwart", erklärte der Geschäftsführer, "wir sind nie in die Situation gekommen, Bälle zwei Linien nach vorne zu spielen und dort zu halten, um unser Spiel zu entwickeln."

Nicht nur Tella offenbart große Defensivprobleme

Vom typischen Xabi-Alonso-Fußball war bis zur Pause nicht ansatzweise etwas zu erkennen. Und da nicht nur Bundesliga-Neuling Nathan Tella, der als Rechtsaußen gegen Qarabags linken Offensivverteidiger Bayramov große Defensivprobleme offenbarte, sondern auch gestandene Akteure wie Rechtsverteidiger Odilon Kossounou, Abwehrchef Jonathan Tah, der bei beiden Gegentreffern schlecht aussah, oder Sechser Exequiel Palacios als gestandene Akteure einen gebrauchten Tag erwischten, führte das Fehlen der Fixpunkte Wirtz und Xhaka zur völligen Destabilisierung der Werkself, die mit dem 0:2 zur Pause noch gut bedient war.

Xabi Alonso wies nach der Partie seinen Anteil an diesem 45-minütigen Systemausfall nicht von sich, der zwischenzeitlich das Weiterkommen akut gefährdet hatte. "Ich weiß nicht, ob es die schlechtesten 45 Minuten waren, aber es war kein einfacher Moment in der Halbzeit. Wir mussten intelligent sein, um diese K.-o.-Runde mit einem 0:3 oder 0:4 nicht schon komplett zu verlieren", gab der 42-Jährige offen zu.

Seiner Elf mit Xhaka und Wirtz die beiden entscheidenden Korsettstangen zu nehmen, drohte mit dem vorzeitigen Aus im Achtelfinale bestraft zu werden. "Nach dem Ergebnis kann man vielleicht sagen, dass es ein Fehler war", gestand Xabi Alonso ein, "aber wir sind in drei Wettbewerben und können nicht immer mir der gleichen Aufstellung spielen." Doch offenbar auch nicht ohne Xhaka und gleichzeitig ohne Wirtz.

Fußball: Europa League, FK Karabach Agdam - Bayer Leverkusen, K.o.-Runde, Achtelfinale, Hinspiele, im Tofiq Bahramov-Stadion.Leverkusens Trainer Xabi Alonso vor dem Spiel.

Xabi Alonso einsichtig: "Das war mein Fehler"

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Noch deutlicher in der Selbstkritik wurde der Spanier, als es um Bayers Probleme beim Herausspielen von Torchancen ging. Ein Problem, das sich schon zuletzt gegen Mainz (2:1) und in Köln (2:0) angedeutet hatte. "Das ist richtig. Wir waren nicht in den richtigen Räumen, haben nicht die kurzen Pässe kontrolliert, hatten einige Fehler in der ersten Phase unseres Spiels. Und wir haben das letzte Drittel nicht gut erreicht", analysierte der Trainer.

Wobei besonders ins Auge fiel, dass es vor allem Xhaka-Vertreter Palacios nicht richtig positioniert war und es so nicht schaffte, aufzudrehen und das Spiel nach vorne zu verlagern. "Es ist ein Prozess und die erste Phase des Prozesses war nicht gut. Das war mein Fehler", urteilte Xabi Alonso selbstkritisch, "ich weiß, warum."

Auswechslung von Palacios gegen Xhaka zwingend erforderlich

So ist für Bayers Spielentwicklung die von Wirtz und Xhaka perfektioniere Kunst essentiell, sich im Rücken, aber doch extrem nah an der vor ihnen agierenden gegnerischen Verteidigungslinie frei zu schleichen. Dort gewinnt das Duo beim Aufdrehen dann den wertvollen Raum und die Zeit, dem Spiel im Mittel- bzw. Angriffsdrittel die entscheidenden Impulse zu geben.

Die Auswechslung von Palacios gegen Xhaka nach einer knappen Stunde war folglich genauso zwingend wie die Hereinnahme von Wirtz für Adam Hlozek. Letzterer agierte zwar fleißig, interpretierte seine Rolle als Zehner aber viel zu offensiv, quasi als zweite Spitze, so dass sich dem Leverkusener Aufbau im Zehnerraum keinerlei Anspielmöglichkeiten boten.

Dass ausgerechnet ein Ballverlust von Hlozek in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, als Bayer endlich mal offensiv zwischen den Linien kombinierte, zum 0:2 führte, dokumentierte Leverkusens Probleme ohne Kreativkünstler Wirtz. Zumal dessen bis Weihnachten kongenialer Nebenmann, Jonas Hofmann, im Formloch steckt und in Baku 90 Minuten auf der Bank blieb.

Xabi Alonso verhindert den GAU

Das Experiment, gleichzeitig auf Wirtz und Xhaka zu verzichten, misslang zwar. Doch Xabi Alonso zeichnet sich in dieser Saison auch dadurch aus, dass er mit messerscharfen Analysen und den passenden Maßnahmen solch komplizierte Situationen lösen kann. In Baku brachte er so mit der Korrektur seines Fehlers nach einer knappen Stunde eine völlig aus den Fugen geratenes Spiel zumindest wieder unter Kontrolle und verhinderte den GAU.

Dass Wirtz mit einem genialen Lupfer den wichtigen Anschlusstreffer erzielte, stand dabei genauso exemplarisch für das Spiel der Werkself wie die Tatsache, dass Qarabags Linksaußen Abdellah Zoubir mit einem tödlichen Pass von der Mittelinie Leverkusens Topstar freispielten musste - selbst schuf Bayer solche genialen Momente an diesem Abend nicht.

Doch trotz aller Defizite bewies die Werkself erneut Moral, blieb selbst nach dem ersten Zwei-Tore-Rückstand in dieser Saison in nun 35 Partien unbesiegt. So ist der lange ernüchternde Auftritt in Baku auch als Chance zu sehen, nicht nur wichtige Erkenntnisse für das letzte Saisondrittel gewonnen zu haben, sondern auch die entscheidenden Konsequenzen daraus zu ziehen. "Solche Phasen gibt es in einer Saison immer wieder, in denen es etwas schwieriger ist", betont Rolfes, räumt jedoch ein: "Aber wir müssen trotzdem gucken: Wieso sind in der ersten Hälfte die Situationen so entstanden? Wieso haben wir auch so viele Chancen zu gelassen." Damit sich bei Bayer aus den derzeit sichtbaren Unwuchten im Spiel keine weiterreichenden Probleme entwickeln.

Stephan von Nocks

Fußball, Europa League, FK Karabach Agdam - Bayer Leverkusen, K.o.-Runde, Achtelfinale, Hinspiele, Tofiq-Bahramov-Stadion. Leverkusens Jonathan Tah bedankt sich nach dem Spiel bei den Fans.

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