Champions League

Champions-League-Finale: Das ist Schiedsrichter Turpin

Bemerkenswertes Wiedersehen mit Liverpool und Real

Wunderkind mit Karten-Faible: Das ist Final-Schiedsrichter Turpin

Leitet am Samstag sein erstes Champions-League-Finale: Clement Turpin.

Leitet am Samstag sein erstes Champions-League-Finale: Clement Turpin. IMAGO/Sportimage

Als er die Rote Karte zeigte, musste Clement Turpin lachen.

März 2013, Korsika-Derby zwischen Bastia und Ajaccio. In der Nachspielzeit fordern die Gäste Elfmeter, doch der junge Schiedsrichter stellt Stürmer Oliech stattdessen vom Platz, weil er Bastias Keeper bei der versuchten Schwalbe aufs Handgelenk tritt. Turpin entgleitet in diesem Moment zwar nicht das Spiel, sehr wohl aber die Karte, als er sie hochhält. Auch mit einem aufgebrachten Derby-Mob vor sich kann Turpin der Situationskomik nicht entfliehen, er lacht kurz auf. Dann wieder Ernst: Nach einer anschließenden Massenschlägerei zeigt er noch dreimal Rot, insgesamt verweist er in den letzten zehn Minuten der Partie fünf Spieler des Feldes.

CL-Finale in Paris

Ob Turpin beim Champions-League-Finale zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid am Samstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ähnlich hart durchgreifen muss? Eher unwahrscheinlich. Ob er es kann? Das hat er nicht nur auf Korsika gezeigt. Der 40-Jährige aus dem Burgund ist ein Mann von eher schmächtiger Statur. Aber einer, der durchgreifen und sich durchsetzen kann.

Turpin beendet eine 36 Jahre lange Wartezeit

Mit 15 Jahren fängt Turpin mit der Schiedsrichterei an, steigt dann rasant auf. Quasi im Einjahres-Takt werden Treppenstufen erklommen, für die andere Referees ein Vielfaches an Zeit investieren: 2008, mit 26 Jahren, pfeift er als damals jüngster Schiedsrichter der Liga-Geschichte in der Ligue 1, 2009 wird er schon zum Schiedsrichter des Jahres gewählt. Ab 2010 darf er international pfeifen, 2011 leitet er das französische Pokalfinale zwischen Lille und PSG - als erster und bislang einziger Referee unter 30. In der französischen Presse ist vom "Wunderkind" die Rede.

Am Samstag wird Turpin nun auch für das Ende einer langen Wartezeit für den französischen Verband sorgen. Als in Michel Vautrot letztmals ein Franzose das Endspiel des höchsten europäischen Klubwettbewerbs leitete, hieß der noch Europapokal der Landesmeister und der Sieger am Ende Steaua Bukarest. 1986 war das, Turpin damals drei Jahre alt. Dass am Samstag auch noch in Paris gespielt wird, macht die Partie endgültig zum vorläufigen Highlight seiner Karriere.

Wobei: Genau genommen ist es gar nicht Turpins erstes Champions-League-Finale. Noch nicht mal das erste zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool. 2018 fungierte Turpin als Vierter Offizieller beim 3:1-Sieg der Königlichen in Kiew. Pikant: Liverpools Co-Trainer Peter Krawietz hatte 2019 gegenüber "The Athletic" behauptet, das Gespann um Hauptschiedsrichter Milorad Mazic habe nach Abpfiff in der Kabine "mit einer Kiste Bier gesungen und gefeiert".

Seiner hohen Anerkennung auf internationaler Ebene tat das aber keinen Abbruch. Geschätzt wird sein kommunikatives und wenig theatralisches Auftreten, sein ehemaliger Kollege Stephane Bré bezeichnete ihn zuletzt als "Partner des Spiels", weil der Spielfluss für ihn an oberster Stelle stehe. Zwar steht Turpin generell für eine großzügige Linie und zeigt selten Gelb. Dafür wird es gerne schnell dunkler: 2020/21 zückte er in der Ligue 1 durchschnittlich in jedem zweiten Spiel glatt Rot, in drei der letzten vier Champions-League-Saisons war Turpin der Schiedsrichter mit den meisten direkt ausgesprochenen Platzverweisen. Eben einer, der durchgreift.

Ein Lied davon singen kann übrigens auch Thomas Müller. Der nicht gerade für seine überharte Gangart bekannte Bayern-Angreifer sah vom Franzosen 2018 beim Champions-League-Spiel gegen Ajax Amsterdam die einzige glatte Rote Karte seiner Karriere. Turpins kicker-Note damals übrigens: 1,0.

Michael Bächle

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