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"Wir tragen den Namen Südtirol in die Welt hinaus"

Aktueller Serie-B-Klub hat 32 Miteigentümer und einen klaren Plan

"Wir tragen den Namen Südtirol in die Welt hinaus"

Kapazität von 5500 Sitzplätzen: Das Druso-Stadion des FC Südtirol.

Kapazität von 5500 Sitzplätzen: Das Druso-Stadion des FC Südtirol. Getty Images

Der Klub spricht oft vom besonderen Flair. Was ist denn das Spezielle am FC Südtirol?

Die Symbiose von Mentalitäten, zum Beispiel. Italienisches Flair gepaart mit seriöser, deutscher Qualität - Alpin-mediterran. Die enge Verbindung zum Territorium ist ebenfalls etwas ganz Besonderes. Wir heißen FC Südtirol - normalerweise ist ein Klub an eine Stadt, wir sind an eine Region gebunden. Wir tragen den Namen Südtirol in die Welt hinaus.

Das klingt nach einer ambitionierten Vision.

Das Ziel ist, in machbaren Schritten ein Projekt aufzubauen, das irgendwann als Sport-Institution national und international zum Begriff wird, und das Land Südtirol als Botschafter vertritt.

Welche Botschaft wäre das?

Die Region selbst ist ja schon ein bisschen anders, geographisch relativ mittig in Europa situiert mit der sprachlichen Vielfalt deutsch, italienisch, ladinisch - da sind wir ein Integrationsmodell für alle drei Gruppen im Stadion. Hervorragende Einzelsportler kommen bereits aus Südtirol und wir dachten uns, warum soll das im Fußball nicht auch funktionieren.

Und das war wann?

1995 war der Ursprungsgedanke, dass hier irgendwann einmal Profi-Fußball gespielt werden soll. Dass es nun schon 2022 in die Serie B ging und im letzten Jahr sogar mit der Serie A geflirtet wurde, das hatte in dieser Form damals sicher niemand erwartet.

Wie sieht die Struktur im Klub aus?

Die Besitzverhältnisse liegen im Land bei 32 Gesellschaftern, über 90 Prozent sitzen auch in Südtirol, ein paar kleine haben aber immerhin einen Bezug zur Region. In Italien, wie auch in anderen Standorten, drängen ja immer mehr Investment-Firmen oder Fonds in den Fußball - das ist nicht unsere Philosophie, wir möchten den Regions-Bezug nicht aufgeben.

Da schwimmt der Verein etwas gegen den modernen Strom.

Schon in der Serie B gibt es eine Reihe ausländischer Besitzer, die mit sehr viel Geld um sich werfen. Das gehört nicht zu uns. Wir halten die Identifikation in der Infrastruktur als hohes Gut. Natürlich ist die Profimannschaft der Kernpunkt, doch wir investieren in soziale Projekte, Sommercamps mit 1400 Kindern, Jugend- und Damenfußball. Mit den 300 Sponsoren organisieren wir Events, damit sie auch untereinander ein Netzwerk aufbauen und zusammenarbeiten. Am FC Südtirol hängt mehr als nur die erste Mannschaft. Mein Ziel war es immer, etwas Großes aus dem Klub zu machen, aber Liga-unabhängig. Ein Klub muss wie ein Unternehmen geführt werden, und das kann nicht ausschließlich vom sportlichen Resultat der Profi-Mannschaft abhängig sein.

Und wie funktioniert das Tagesgeschäft mit solch einer Zahl von Miteigentümern?

Die 32 Miteigentümer wählen einen Verwaltungsrat, dort sitzen aktuell acht Personen. Und der Verwaltungsrat gibt einem Mitglied die Vollmacht, den Klub zu führen. Das bin ich. Freilich funktioniert es in einem Miteinander rund einmal im Monat mit ständigem Austausch - in puncto wichtiger Strategien, nicht Trikotfarbe der nächsten Saison. Wenn wir Ideen zu einer Investition haben, werden die 32 Gesellschafter zusammengerufen und mit dem Projekt konfrontiert. Sind wir dazu bereit, gut, wenn nicht, dann wird es eben archiviert. Allerdings nicht im Transferbereich. Da existiert zu Saisonbeginn eine Summe x, über die nicht mehr diskutiert wird.

Es wird oft von einem Salary-Cap gesprochen…

…doch den gibt es bei uns nicht. Das gesetzte Budget setzt von ganz alleine ein Limit, das bei uns nicht überschritten wird. Die Balance im Gehaltsgefüge ist wichtig, Spieler X kann nicht 1 verdienen und der andere 100.

Wie kamen Sie denn zu diesem Job?

Ich bin gelernter Versicherungs- und Anlageberater und war eigentlich im Tennis-Management tätig. Mit Fußball hatte ich nichts am Hut. Dann rief 2006 einer der Miteigentümer an und fragte, ob ich Interesse hätte. Ich wollte die Fußballwelt nur ein Jahr lang kennenlernen, daraus sind nun lange 18 geworden. Ich bin selbst aus Südtirol, und habe deshalb enormes Interesse, dass der Klub funktioniert.

Man besitzt in der Region allerdings auch harte Konkurrenz.

In Südtirol gab es immer mehr Fußballer als Ski- oder Eishockeyspieler. In jedem Dorf wird Fußball mit exzellenten Strukturen gespielt, was fehlte war ein Profiklub in der Mitte, ein Magnet. Das Stadion ist mit 5500 Sitzplätzen relativ klein, doch das passt, der Schnitt liegt bei rund 4000. Es gibt also Luft nach oben. Südtirol ist weitläufig und führt keine Millionenstadt, in der Tausende ins Stadion strömen. Von einem Tal nach Bozen sind es schonmal 90 Minuten oder zwei Stunden, solch weiten Wege und das andere Freizeitangebot überhaupt machen es freilich schwieriger. Aber Schnitt und Interesse steigen merklich und kontinuierlich.

Es gibt aber auch reichlich Sympathien für andere Verein, oder?

Als unser Projekt noch jung war, fuhren viele nach München, Verona oder Mailand, denn es gab in Südtirol keinen Profiverein. Doch das Interesse an uns wächst. Natürlich werden die Leute weiterhin in die Allianz Arena fahren - der FC Bayern ist schließlich eine andere Liga als wir, genauso wie Inter, Milan oder Juve. Doch wenn ich in den letzten zwei Jahren die Kids in den Sommercamps nach dem Lieblingsverein frage, sagen viele FC Südtirol. Vor gewisser Zeit hieß es Bayern oder Juve - wir kamen an zweiter Stelle. Diese Tendenz verschiebt sich allmählich.

Gibt es von anderen Südtiroler Vereinen keine Konkurrenz-Gedanken?

Wir werben deren Talente ja nicht ab, dementsprechend haben wir mit den Amateurklubs Abkommen geschlossen. Es muss ein gemeinsames Interesse bestehen, den jungen Spieler zu fördern. Dazu existiert eine Partnerschaft mit 85 Klubs aus Südtirol. Für die organisieren wir Trainerfortbildungen und bieten Talenten ein Sprungbrett. Falls sie es schaffen, erhalten die Vereine einen finanziellen Ausgleich, falls nicht, kommt ein gut ausgebildeter Spieler kostenfrei wieder zurück.

Im Stadion versammeln sich mit deutsch, italienisch und ladinisch alle drei Sprachgruppen, dennoch gab es am Namen Kritik von der italienischen Fraktion. Wie geht der Klub damit um?

Der FC Südtirol ist damals so getauft und beim Verband eingeschrieben worden. Ich heiße schließlich auch Dietmar bei der deutschen und italienischen Bevölkerung. Die Medien schreiben ebenfalls FC Südtirol, obschon es den Umlaut im Italienischen nicht gibt. Wir lassen uns auf politische Instrumentalisierung nicht ein. Es gab auch andere Fälle, da beschwerten sich Leute, dass Interviews auf unserer Homepage auf Italienisch geführt wurden. Der Trainer sprach italienisch, also gab es das Interview auf Italienisch, das ist doch klar. Leider werden oftmals Dinge aufgebauscht, die für die Mehrheit überhaupt kein Problem bedeuten.

Wir sind und werden schuldenfrei bleiben.

Dietmar Pfeifer unterstreicht das Credo des FC Südtirol

Mit dem Profi-Geschäft kam nicht mal die Versuchung, finanziell mehr zu wagen?

Wir sind und werden schuldenfrei bleiben. Bei Verschuldung gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du verkaufst an einen Investor, dann fällt unsere Idee über Bord. Oder du machst den Laden dicht. Manchmal habe ich große Probleme mit einem Fußball, in dem manche Klubs jahrelang mit Geldern spielen, die sie nicht haben, und dann womöglich in Konkurs gehen. Das sind irgendwo verzerrte Meisterschaften, und darüber ärgere ich mich am meisten.

Und wenn ein großer Investor käme?

Dieser Klub steht nicht zum Verkauf. Wir hatten in den letzten 18 Monaten einige interessierte Fonds, die die Mehrheit übernehmen wollten. Da lehnten wir ab. Und so wie ich die 32 Gesellschafter kenne, wird es auch künftig kein Thema sein. Ein anderer Diskurs wäre ein strategischer Partner, der gemeinsam mit uns das Projekt fördern möchte. Ein Mehrheitsrecht wird ein Investor mit Exit-Gedanken nicht erhalten, das passt nicht zu uns. Beim Beispiel Bayern bedeuten Allianz oder Audi strategische Partner. Käme nun BMW, würden die Bayern nicht Audi hinausbugsieren, man würde eine gemeinsame Partnerschaftslösung suchen.

Und wenn der Erfolg ausbleibt?

Wir besitzen ein enormes Gleichgewicht - in Sieg und Niederlage. Es gibt keinen klassischen Besitzer und die Menschen im Büro haben alle Zeiten miterlebt. Viele begehen den Fehler und lassen sich von Emotionen leiten. Nehmen wir die letzte Saison, als der Aufstieg in die Serie A möglich war. Dieser Hype war für uns ungewohnt und schwierig zu stemmen. Leute riefen an, das Internet würde nicht funktionieren, und wir sagten: Es funktioniert, aber es ist alles ausverkauft. Das war in den Köpfen der Leute neu, ebenso wie das internationale Medien-Interesse. Wir blieben nüchtern, so wie wir Südtiroler eben sind, wohlwissend, dass wieder andere Zeiten kommen.

Und hätte der Aufstieg geklappt?

Wir sagten: Wenn es gelingt, ziehen wir es voll durch. Du darfst dann einfach keine Schulden anhäufen. Dann ist eine knallharte Rechnung erforderlich: Okay, ich gebe nicht alle Mehreinnahmen für die Spieler aus, sondern investiere in einen neuen Trainingsplatz oder Jugendförderung. Im schlimmsten Fall steigst du ab, besitzt aber etwas, das dir erhalten bleibt. Das wäre unser Plan gewesen.

Im Moment wäre es vermessen, von der Serie A zu sprechen.

Dietmar Pfeifer

Aktuell liegen Play-off und Play-out eng beieinander.

Wir funktionieren nur, ohne Überheblichkeit auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein - Serie A oder Serie C. Wie gesagt, dieses Modell muss Kategorie-unabhängig existieren. Wir können ja nicht sagen: Wir sind jetzt wieder Drittligist, also müssen alle Kooperationen eingestellt werden. Das wäre fatal. Im Sport muss man imstande sein, die Emotionen so weit wie möglich auszuschalten, und so unternehmerisch wie möglich zu denken.

Eine Wiederholung des letzten Jahres scheint momentan unwahrscheinlich.

Aktuell führen wir das 18. Budget von 20 Teams, eine riesige Herausforderung, konkurrenzfähig zu bleiben. Man muss sich seiner eigenen Dimension bewusst sein. Im Moment wäre es vermessen, von der Serie A zu sprechen. Deshalb ist es den Leuten schwierig zu vermitteln, die laufende Saison ist die Normalität, nicht die letzte.

Und wenn die Eigentümer Erstligafußball fordern würden?

Dann würde ich ihnen eine Rechnung präsentieren und die Forderung wäre wohl vom Tisch (schmunzelt).

Eine Hintergrundstory zum FC Südtirol können Sie auch in der Montagsausgabe des kicker vom 18. März oder im eMagazine lesen.

Interview: Oliver Birkner