Europa League

Frankfurt: Wie im Camp Nou elf Helden geboren wurden

Nach Eintracht Frankfurts Jahrhundertspiel

Wie im Camp Nou elf Helden geboren wurden

Das Team von Eintracht Frankfurt nach dem Jahrhundertspiel.

Das Team von Eintracht Frankfurt nach dem Jahrhundertspiel. IMAGO/Revierfoto

Der Geschichtenschreiber

Für Kevin Trapp war es eine stockfinstere Nacht, als er vor fünf Jahren mit Paris St. Germain nach einem 4:0-Hinspielerfolg gegen Barcelona im Camp Nou mit 1:6 unter die Räder kam und im Champions-League-Achtelfinale ausschied. Nicht immer bekommt man im Leben die Gelegenheit, Geschichte neu zu schreiben. Doch für den deutschen Nationalkeeper ergab sich bei der Auslosung nach dem Weiterkommen gegen Betis Sevilla die glückliche Schicksalsfügung.

Als er am Donnerstagabend um 20.09 Uhr unter dem tosenden Jubel der Eintracht-Fans zum Warmmachen in die Manege einlief und den Anhängern zuwinkte, war das Selbstvertrauen des 31-Jährigen bis hoch unters Tribünendach zu spüren. Während der gesamten Partie strahlte Trapp eine ungeheure Ruhe und Souveränität aus. Den größten Moment erlebte er in der 55. Minute, als er mit einer fantastischen Fußabwehr gegen Pierre-Emerick Aubameyang das 1:2 verhinderte - ein Schlüsselmoment.

Der Phoenix 

Almamy Toure erlebte eine Auferstehung wie Phoenix aus der Asche. In seinem alten, früheren Leben galt er als "Bruder Leichtfuß", der zu Unkonzentriertheiten und einfachen Fehlern neigt. Doch im Camp Nou verteidigte er auf höchstem Niveau und hatte nur in wenigen Szenen das Nachsehen. Das ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil Toure seit dem 19. Spieltag nicht mehr in der Startelf gestanden hatte und ohne Spielrhythmus ins kalte Wasser geworfen wurde. Doch am Vortag des Spiels hatte Trainer Oliver Glasner keinen Zweifel daran gelassen, dass der 25-Jährige der Aufgabe gewachsen ist: "Ich muss ihn nicht zehn Stunden lang volllabern, dass er morgen bitte seine Leistung bringt. Almamy hat die ganze Zeit super trainiert und war immer da."

Der Mount Everest aus Kärnten

Die Geschichte von Martin Hinteregger ist schnell erzählt: Der Österreicher räumte wie bereits im Hinspiel nahezu alles ab, was seine beiden Nebenleute nicht verteidigen konnten und war viel mehr als nur der Fels in der Brandung. Da es den Mount Everest schon woanders gibt, wird es Zeit, dass in seiner Heimat irgendwo ein Berg zumindest in "Mount Hinti" umgetauft wird. Die Fans feierten ihn nach dem Schlusspfiff wie einen Weltmeister.

Der gefallene Held

Wirbelwind Ousmane Dembelé verlangte Evan Ndicka alles ab, solange er über rechts kam, doch der Franzose schlug sich wacker, verteidigte mit Herz und Hirn. Bis sich in der langen Nachspielzeit die Ereignisse überschlugen. Erst sah der 22-Jährige für ein Ballwegschlagen die Gelbe Karte, bevor er in der neunten Minute der Nachspielzeit Luuk de Jong im Sechzehner zu Boden drückte. Der Strafstoß war unstrittig, die Gelb-Rote-Karte jedoch eine zu harte Entscheidung - Schiedsrichter Artur Soares Dias zeigte wenig Fingerspitzengefühl. Dadurch verpasst Ndicka das Halbfinalhinspiel in London gegen West Ham am 28. April.

Der Plagegeist

Kristijan Jakic spielte im zentralen Mittelfeld mit so viel Herzblut und Adrenalin, dass es eine wahre Freude war. Der 24-Jährige verkörperte all das, was Barcelona über weite Strecken fehlte: unbändiger Wille. Zudem gefiel der Kroate immer wieder mit cleveren Pässen und spielerischen Lösungen - es war seine bis dato beste Leistung im Eintracht-Trikot.

Der Kaiser

Vielleicht war es das beste Spiel seines Lebens. Sebastian Rode spielte, kämpfte und führte wie ein wahrer Kapitän, er war der Kaiser im Mittelfeld. Dabei erlebte der 31-Jährige in dieser Saison immer wieder körperliche Rückschläge, wurde nie richtig fit und ist deshalb auch kein Stammspieler mehr. Doch irgendwo in Barcelona muss Rode einen Jungbrunnen gefunden und ausgetrunken haben. Hoffentlich hat er sich für das Halbfinale noch ein paar Flaschen abgefüllt.

Franzke 0

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Der junge Robben

Ansgar Knauff war erwartungsgemäß viel in der Defensive gebunden, denn im Spiel gegen den Ball bildete sich meist rasch eine Fünferkette, in der die Dortmund-Leihgabe den rechten Part erfüllte. Doch wenn es in schnellen Umschaltmomenten nach vorne ging, war der 20-jährige Tempodribbler kaum zu stoppen. Die schönste Szene: Als er in der 35. Minute vom Flügel in die Mitte zog, vernaschte er Jordi Alba und Ferran Torres, als wären es zwei Pappkameraden. Lediglich der Abschluss geriet noch nicht ganz so gut wie beim großen Arjen.

Der Vollstrecker

Wer auch immer das Trikot von Filip Kostic gefangen hat, sollte sich überlegen, es im Louvre ausstellen. Der 29-Jährige spielte wie ein Meister seines Fachs und schoss Barca eiskalt ab. Nervenstark beim Elfmeter und mit chirurgischer Präzision beim 3:0 - so brachte er die Menge auf den Rängen gleich zweimal zum Toben. Dass Dembelé nicht immer zu stoppen war, schmälert seinen großen Auftritt nicht. Kostic selbst sprach hinterher vom besten Spiel seiner Karriere.

Der Raketenmann

Mit seinem wahnwitzigen Tempo sorgte Jesper Lindström immer wieder für wichtige Entlastung, obendrein holte er den Elfmeter zum 1:0 heraus. In seinem ersten Bundesligajahr steht der 22-jährige Däne noch am Anfang seiner Entwicklung, umso beachtlicher ist es, dass er schon jetzt auf der großen Bühne Akzente setzen kann. An dem Mann mit dem Raketenabtrieb werden die Fans noch viel Freude haben.

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Uwes Auge

Ja, an Daichi Kamada scheiden sich oft genug die Geister, da ihm bei aller fußballerischen Brillanz die Konstanz fehlt. Doch am Donnerstagabend dürfte nicht nur dem bekennenden Kamada-Fan Uwe Bein, Frankfurts legendärer Spielmacher der 90er Jahre, ein Herz aufgegangen sein. Die genialen Pässe und filigranen Bewegungen des Japaners muteten majestätisch an, er spielte wie ein Königlicher - und das im Camp Nou!

Der große Knaller

Wie der letzte Pinselstrich bei der Anfertigung eines berühmten Gemäldes passte auch der Auftritt von Rafael Borré perfekt in das Gesamtbild. In den vergangenen Wochen mühte und rackerte sich der kolumbianische Nationalstürmer vorne als Alleinunterhalter ab, gab aber immer wieder eine unglückliche Figur ab. Entscheidendes wollte dem Kämpferherz einfach nicht gelingen, es war beinahe wie verhext. Bis zur 36. Spielminute. Gegenspieler Ronald Araujo ahnte offenbar nicht, welches Unheil sich anbahnte, sonst hätte er energischer nach vorne verteidigt. Doch so hatte Borré plötzlich genügend Raum, um den Ball aus rund 25 Metern unhaltbar in den Winkel zu feuern. Dieser Knaller geht in die Geschichtsbücher ein.

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