Junioren

Artem Zaloha: Wie ein Flüchtling in Bielefeld zum U-17-Meister wurde

Über eine Million User lesen von seiner Geschichte auf Twitter

Wie ein ukrainischer Flüchtling deutscher U-17-Meister und Internet-Held wurde

Artem Zaloha gewann Mitte April mit der U 17 von Arminia Bielefeld die B-Junioren-Meisterschaft - vor gut einem Jahr war er als Flüchtling nach Deutschland gekommen.

Artem Zaloha gewann Mitte April mit der U 17 von Arminia Bielefeld die B-Junioren-Meisterschaft - vor gut einem Jahr war er als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Getty Images for DFB

Über eine Million User des Kurznachrichtendienstes Twitter kennen seit dem vergangen Wochenende die Geschichte von Artem Zaloha. Über 8000 Fans feuerten ihn und seine Teamkollegen im Finale der B-Junioren-Endrunde auf der Bielefelder Alm am Sonntag an. Doch der wohl wichtigste Fan des 15 Jahre alten Nachwuchskeepers saß mehrere Tausend Kilometer entfernt gebannt vor einem Bildschirm.

Ihn rief Zaloha als Erstes an, nachdem er gemeinsam mit seiner Mannschaft Historisches erreicht und erstmals eine Juniorenmannschaft von Arminia Bielefeld die deutsche Meisterschaft gewonnen hatte. "Ich habe ihn direkt gefragt, ob er das Spiel geguckt hat", erzählt Zaloha in einem Video-Interview auf der Website der Arminia.

Deutsche Meisterschaft B-Junioren

Die Stimme am anderen Ende der Leitung gehört seinem Vater, und natürlich hat er das Finale verfolgt - aus der Ukraine. Artem und seine Familie stammen aus Dnipro im Osten des Landes, wo seit über einem Jahr Krieg herrscht. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder floh Zaloha im März 2022 aus seiner Heimat. "Mein Vater konnte nicht mitkommen, weil Männer nur unter bestimmten Voraussetzungen die Ukraine verlassen können. Im Moment halten wir über tägliche Videoanrufe den Kontakt zu ihm."

Und so bekräftigte sein Vater auf diesem Wege, dass er fast vor Stolz platze. "Er sagte: 'Wie könnte ich dieses Spiel verpassen.' Er sagte, dass er stolz auf mich ist und weiter so", erzählt Artem.

Zaloha: "Das Wichtigste waren Torwarthandschuhe und Fußballschuhe"

Die Geschichte von Artem Zaloha ist in der Tat bemerkenswert. Als sein ehemaliger Jugendtrainer Paul Neu sie am Sonntag auf Twitter mit der Welt teilte, sammelten sich in kürzester Zeit über 15.000 Gefällt-mir-Angaben an, der Tweet wurde mittlerweile über eine Million Mal angezeigt. Es ist die Geschichte eines jungen Torhüters und eines rasanten Aufstiegs - und ein Musterbeispiel, wie Sport zur Integration für Flüchtlinge beitragen kann.

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Als Zaloha und seine Familie Deutschland erreichten, sprach er noch kein Wort der für ihn fremden Sprache. "Wir sind nach Bielefeld gekommen, auch weil eine Freundin von meiner Mutter hier lebt", erzählt er gut ein Jahr später - auf Deutsch. Schon nach zwei Wochen landete er in einem Fußballverein, in dem er schnell Anschluss fand.

"Meine wichtigsten Sachen, eine Tasche mit Torwarthandschuhen und Fußballschuhen, hatte ich schon in der Ukraine gepackt und mitgenommen", sagt Zaloha, denn: "Fußball ist mein Leben." Sein erstes Training beim VfL Schildesche lief gut, eigentlich zu gut. "Der Trainer sagte mir, dass ich zu gut für sie bin - das habe ich auch gemerkt", sagt Zaloha rückblickend.

Nachwuschkeeper Zaloha: "Ein Mentalitätsmonster"

Artem Zaloha

Artem Zaloha feierte den Gewinn der deutschen B-Junioren-Meisterschaft mit der ukrainischen Flagge um die Schultern. Getty Images

Anschließend kam über einen Bekannten der Kontakt zum VfL Theesen zustande und damit zu Trainer Neu, der einen Torwart sah, der "auf der Linie und im Eins-gegen-eins praktisch nicht zu bezwingen" sei, der "in jedem Spiel, in jedem Training 100 Prozent" gebe. Oder kurz: "Ein Mentalitätsmonster."

Zaloha begann in der Theesener U 15 und wurde zur Saison 2022/23 in der U 16 Stammtorwart. Es dauerte allerdings nicht lange, bis ihn die Trainer in die U 17 hochzogen und er schließlich die Aufmerksamkeit von Arminia Bielefeld auf sich zog. Bei einem ersten Probetraining wusste er direkt zu überzeugen, im Winter folgte der Wechsel in den Nachwuchs des Zweitligisten. Auch dort ging es für den 15-Jährigen auf Anhieb in die U 17.

Rasanter Aufstieg in Bielefeld

In der ukrainischen Heimat ist Zaloha fußballerisch ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt, dort stand er in der Jugend des Erstligisten SK Dnipro im Tor. "Das Trainingsgelände und das Stadion waren größer, aber hier in Bielefeld sind die Spieler besser", meint er. Zaloha setzte sich dennoch durch. Begünstigt durch eine Verletzung seines Konkurrenten Paul-Gabriel Fleseriu gab er im März sein Debüt in der U-17-Bundesliga, in der Endrunde lief er als Stammkeeper auf.

Als wir im Spielertunnel waren, habe ich eine extreme Gänsehaut bekommen.

Artem Zaloha

Nach einer 0:1-Niederlage im Halbfinal-Hinspiel gegen Schalke 04 setzte sich die Arminia im Rückspiel mit 3:1 durch. Im Finale wartete der favorisierte und mit einigen Juniorennationalspielern gespickte VfL Wolfsburg, vor über 8000 Zuschauern in der Schüco-Arena. "Den Tag vor dem Spiel war ich nicht nervös. Auch am Spieltag selbst nicht. Als wir aber im Spielertunnel waren, habe ich eine extreme Gänsehaut bekommen", erzählt Zaloha.

Während der Partie sei die Aufregung wieder von ihm abgefallen, "aber ich habe vorher noch nie vor so vielen Menschen gespielt. Zuvor waren 1500 Zuschauer das Maximum." Der Keeper, der seine Stärken dank schneller Reflexe vor allem auf der Linie hat, machte seine Sache aber ordentlich. Trotz Unterzahl gewann Bielefeld mit 2:1. Als Zaloha die Trophäe in die Höhe streckte, trug er die ukrainische Flagge über den Schultern.

Zaloha: Zukunft in Deutschland - und als Profi?

Seine Zukunft sieht er aber vorerst in Deutschland. Er spricht mittlerweile die Sprache, wurde von seinen Mitschülern gut aufgenommen, hat im Team neue Freundschaften geschlossen. "Für die nächsten fünf Jahre bleibe ich hier in Deutschland, das ist schon sicher", sagt Zaloha. "Sportlich möchte ich auf das höchste Level kommen, gut spielen und natürlich Profi werden. Ich möchte gerne noch eine Weile hier bleiben, weil ich auch glaube, dass ich hier bessere Chancen habe, meine Karriere aufzubauen."

Noch viel wichtiger ist ihm aber eine andere Sache: "Für mich und meine Familie wünsche ich mir, dass wir gesund bleiben, der Krieg, so schnell es geht, vorüber geht und dass mein Vater nach Deutschland kommen kann. Ich wünsche mir, dass wir schnellstmöglich als Familie wieder zusammenkommen."

Philipp Jakob

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