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Kommentar zur Jagd beim DFB: Waidmannsheil, Waidmannsdank!

Kommentar

Waidmannsheil, Waidmannsdank!

Vizepräsident Rainer Koch und Präsident Fritz Keller

Vizepräsident Rainer Koch und Präsident Fritz Keller imago images

Bundesinnenminister Horst Seehofer ruft die Verbände zur Räson, einer seiner Amtsvorgänger, der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, sagt gegenüber dem "Spiegel" zum skandalösen Nazi-Vergleich von Fritz Keller: "Ich kenne den Fritz Keller ziemlich gut, ich weiß, dass er ein anständiger Mensch ist. Manchmal denke ich, er hat sich da in ein Wespennest begeben." Die Vertreter der DFB-Landesverbände fordern eine Vorstandstagung mit dem Ziel, den DFB-Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Vizepräsident Rainer Koch geht voll in die Offensive, sieht eine Verschwörung gegen seine Person und wird am Samstagabend im ZDF-Sportstudio (23 Uhr) aufschlagen. Am Freitag erreichte der Machtkampf beim DFB einen nicht mehr für möglich gehaltenen neuen Höhepunkt.

Jetzt geht es den Jägern auch darum, die eigene Haut zu retten

Die Landesfürsten blasen zur Jagd auf den DFB-Präsidenten. Sie wollen nicht einmal mehr das Ergebnis der Verhandlung gegen Fritz Keller vor dem Sportgericht abwarten. Wohl auch aus einem guten Grund: Jeden weiteren Tag, den der im Herbst 2019 gewählte Keller noch im Amt ist nach seinem unsäglichen Nazi-Vergleich in Richtung Vizepräsident Rainer Koch, müssen sie weitere Enthüllungen fürchten. Zum Beispiel über fürstliche Honorare an Führungskräfte der Landesverbände, die als Ersatz für "besonderen Verdienstausfall" deklariert worden sind. Oder wegen exklusiver Einladungen zu Welt- und Europameisterschaften mit Übernachtungen in Luxushotels für 500 Euro pro Nacht.

Die Gemeinnützigkeit des DFB steht schon seit Jahren auf dem Spiel, darüber entscheiden Gerichte und dazu laufen weiterhin Ermittlungsverfahren. Jetzt geht es den Jägern auch darum, die eigene Haut zu retten. Nachdem die Präsidenten der Regional- und Landesverbände beim Potsdamer Gipfel am vergangenen Wochenende noch einstimmig die Einberufung eines Außerordentlichen Bundestages abgelehnt hatten, forderten sie am Freitagabend das DFB-Präsidium zur Einberufung einer Krisensitzung des Vorstands auf. Mit dem einzigen Ziel: Keller zu beurlauben. Stunden vor diesem Aufruf schaltete sich bereits der auch für den Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer ein.

Nach dem lieben Theo (Dr. Zwanziger), dem lieben Wolfgang (Niersbach), dem lieben Reinhard (Grindel) soll jetzt auch dem lieben Fritz (Keller) der Garaus bereitet werden, nicht mehr per Schreiben "Lieber XY", sondern per Vorstandsbeschluss - das gab es noch nie in der 121-jährigen Geschichte des skandalös geführten Verbandes.

kicker-Leser zwischen Wut und Ohnmacht

Seit der Veröffentlichung "Dieser DFB ist nicht zu retten" in kicker-Print und -Online am Donnerstag wird unsere Redaktion mit Leserschreiben wie seit 2014 nicht mehr erlebt überflutet. Damals jubelten die Leser darin über den Gewinn der Weltmeisterschaft. Heute kochen sie vor Wut oder äußern sich fast ohnmächtig. Und noch öfter als Keller wird in diesen Schreiben Koch zum Rücktritt aufgefordert, der für die Belange der Amateure zuständige 1. Vizepräsident, der seit dem Jahr 2007 dem DFB-Präsidium angehört.

Während Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Keller bei seiner Entschuldigungstour Rückendeckung gab ("Dass er mit seiner unbedachten Aussage einen Fehler gemacht hat, steht außer Frage. Ein einziger verbaler Fehlgriff macht aber Kellers langjähriges Engagement nicht ungeschehen, und er ändert auch nichts an der Person Fritz Keller, die ich kenne und unverändert schätze") nahm Koch - ebenfalls in einem persönlichen Gespräch - die Entschuldigung des "lieben Fritz" entgegen, aber eben nicht an, verwies an die Gerichtsbarkeit des DFB.

Seehofer: "Ein jämmerliches Schauspiel"

Die Jagd auf Keller, der als "Reformer" Transparenz im DFB schaffen wollte, währt im DFB-Präsidialausschuss schon seit Monaten und mag ihn wohl zuletzt zu dem skandalösen Vergleich des früheren Richters am Oberlandesgericht München, Koch, mit dem Nazi-Richter Freisler getrieben haben. Nun blasen die Präsidenten der Länder zur Jagd. "Es wird Zeit, dass die Sportverbände dieses jämmerliche Schauspiel beenden. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Sportfreunde", rief Seehofer den DFB zur Räson. Ob am Ende der Jagd der Gruß "Waidmannsheil" auch mit "Waidmannsdank" erwidert wird? Das hängt, um im Bild zu bleiben, wohl von der Zahl der "erlegten" Funktionäre ab.

Bernd Neuendorf ist die Nummer 14: Die bisherigen DFB-Präsidenten