Tennis

Wahnsinnsjahr 2021: Alexander Zverev gewinnt mehr als Titel

Deutsche Nummer eins hat zwei klare Ziele vor Augen

Wahnsinnsjahr 2021: Zverev gewinnt mehr als Titel

Stolzer Goldmedaillen-Gewinner: Alexander Zverev.

Stolzer Goldmedaillen-Gewinner: Alexander Zverev. imago images/Sven Simon

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, ein guter Grund, um mal auf die vergangenen zwölf Monate des Alexander Zverev zurückzublicken. Und die waren unglaublich gut. Zweifelsfrei die beste Saison des Hamburgers. "Das Wichtigste war die innerliche Ruhe, die ich dieses Jahr bekommen habe. Ich bin älter geworden", erklärte Zverev sein starkes Jahr jüngst im "Aktuellen Sportstudio". 

Dass der 24-Jährige die Anlagen zu einem der besten Spieler der Welt hat, ja sogar zur Nummer eins, war schon lange klar. Oft stand sich Zverev allerdings selbst im Weg, spielte nicht das Tennis, das er sich vorgestellt hatte. Die Außendarstellung war auch nicht immer die beste, was dazu führte, dass es der Junge aus Hamburg bei manchen deutschen Fans schwer hatte und immer noch hat. Kein Vergleich zu Boris Becker in den 80er Jahren, als gefühlt ganz Deutschland vor den Fernsehgeräten klebte und dem Mann aus Leimen die Daumen drückte. Der Rotschopf entfachte einen wahren Tennishype, zu dem dann auch Michael Stich beitrug. 

Seit dieser Ära musste Deutschland lange warten, ehe es wieder einen konstanten Spitzenspieler gab, der ganz vorne mitmischen konnte. Die besten Anlagen hatte sicher Tommy Haas, der allerdings zu viel Verletzungspech hatte. Auch Nicolas Kiefer oder Rainer Schüttler zeigten ihre Qualität, konstant auf Weltklasse-Niveau war es allerdings selten. Als nun der junge Alexander Zverev kam, den eigentlich alle nur Sascha rufen, schien der Weg für einen neuen Publikumsliebling geebnet. 

Zverev wurde zu viel fremdgesteuert

Doch daraus wurde zunächst nichts. Zverev hatte natürlich seinen Anteil an dem Bild, das er nach außen verkaufte. Oft schien ihn das allerdings nicht besonders zu interessieren, er zog eben sein Ding durch. Was allerdings auch zur Wahrheit gehört, ist, dass Manager Patricio Apey vielleicht nicht die beste Wahl war - erst kürzlich wurde durch einen außergerichtlichen Vergleich ein endgültiger Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen.

Apey hatte Zverev seit seinem 15. Lebensjahr betreute, ehe der Deutsche 2019 die Zusammenarbeit beendete. Apey wollte, so erzählt man, den jungen Hamburger direkt zu einem Weltstar vermarkten. "Das war ein Fehler, denke ich. Sascha liebt Deutschland, er spielt sehr gerne für Deutschland. Deutschland ist für ihn sehr wichtig. Wir wollen das alles ein bisschen anders gestalten - und sind mit der Goldmedaille auf einem guten Weg", sagt Mischa Zverev, der sich mittlerweile um das Management seines Bruders kümmert, aber die Bezeichnung Manager nicht so gerne mag. "Ich bin Bruder!"

Ein Bruder, der seinen jüngeren Bruder zusammen mit Sergej Bubka nun besser beraten will als sein Vorgänger. "Ich hatte nicht den Einfluss auf mein eigenes Management. Nicht darauf, wie ich dargestellt wurde. Ich habe quasi alles gemacht, was mir gesagt wurde. Mit meinem neuen Management kommt jetzt jede Entscheidung, die ich treffe, von mir selbst", unterstreicht Sascha Zverev. 

Gold für Deutschland - "Es gibt nichts Größeres"

Und das tut der deutschen Nummer eins sichtlich gut - und da wären wir wieder beim Wahnsinnsjahr 2021. Natürlich ist es für den besten Tennisspieler eines Landes auch wichtig, bei den heimischen Fans gut dazustehen. Und dafür machte Zverev in dieser Saison den besten Schritt, den man tun kann: Er gewann für Deutschland die Goldmedaille bei Olympia - als erster deutscher Mann überhaupt, vor 33 Jahren war das Steffi Graf gelungen.

"Da überhaupt dabei zu sein, ist für jeden Sportler ein Traum, es gibt nichts Größeres. Die Goldmedaille zu Hause zu haben ist ein Gefühl, das kann man nicht beschreiben. Diese Goldmedaille hat mir den Glauben gegeben, dass ich weitere Ziele erreichen kann", strahlt Zverev, der bei den Olympischen Spielen gebetsmühlenartig in seinen Interviews wiederholt hatte, dass er für Deutschland spielt und diese Medaille für sein Land holen will. 

Der Mensch Zverev rückt dem Fan näher

Es war ein wichtiger Schritt für Zverev und der bisher größte Erfolg seiner Karriere. Die Klamotten von Olympia trägt er immer noch so oft, es geht. "Erstens, weil es die schönste Erinnerung meines Lebens ist, und zweitens, weil Deutschland überall draufsteht. Besser geht's nicht", erklärt Zverev mit einem Lachen.

Dem 24-Jährigen ist anzumerken, dass er gereift ist. Er hat begriffen, dass er früher nicht alles richtig gemacht hat - aber, und das ist das Wichtigste, er hat daraus gelernt. Und das zeigt auch folgende Aussage über seine Außendarstellung, die Zverev vielleicht so vor einigen Jahren anders formuliert hätte: "Normalerweise ist mir sowas nicht wichtig, aber in Deutschland schon. Ich bin hier aufgewachsen und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Ich möchte der Grund sein seit Boris Becker, warum ein Fünfjähriger zum Tennis geht und nicht zum Fußball." 

Um das zu schaffen, ist der Hamburger aktuell auf dem besten Weg. Die Außenwirkung des Alexander Zverev hat sich in diesem Jahr verändert, das kann zweifelsfrei gesagt werden. Dass der Deutsche ein außergewöhnlicher Tennisspieler ist, war auch vorher klar. Nun hat man jedoch das Gefühl, auch näher am Menschen Sascha Zverev dran zu sein. Da kommt wieder Bruder Mischa ins Spiel, der als Experte beim Sender Eurosport arbeitet und daher auch einige private Einblicke in die Familie Zverev gewährt. Zudem gibt Sascha das eine oder andere Interview mehr als zuvor. 

Traumhaftes Jahr - und zwei Ziele vor Augen

Alexander Zverev

Zum zweiten Mal holte sich Alexander Zverev den Titel bei den ATP Finals. imago images/PanoramiC

Sportlich gesehen lief es für den Fan des Hamburger SV, der aber auch mit den Bayern mitfiebert, herausragend. Er holte wie erwähnt Gold bei Olympia und schloss das Jahr mit dem Sieg der ATP Finals (nach 2018 gewann er zum zweiten Mal das Turnier) ab. Insgesamt holte Zverev sechs Titel auf der ATP-Tour - so viele wie sonst keiner im Einzel. 59 Spiele gewann er, nur Medvedev war noch einen Tick besser mit 63 Erfolgen. Seit Wimbledon gewann die Nummer drei der Welt vier Titel - und verlor nur vier Matches.

Wenn man das Haar in der Suppe suchen will, dann ist dieses beim Thema Zverev sicherlich bei den Grand-Slam-Turnieren zu finden. Ein solches hat der Deutsche noch nie gewonnen. Bei den Australian Open war im Viertelfinale Schluss, bei den French Open sowie den US Open im Halbfinale, während in Wimbledon das Achtelfinale bereits Endstation war.

"Es gibt zwei Ziele, die ich noch nicht erreicht habe: Ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen und die Nummer eins der Welt zu werden", sagte Zverev unlängst und legt seine Hoffnung auf seinen ersten Sieg bei einem Major auf Down Under. "Ich hoffe, dass ich das vielleicht in Australien erreichen kann", so der Olympiasieger, der auch im Privatleben mit seiner neuen Freundin Sophia Thomalla sein Glück gefunden hat. 

Die Kirsche auf der Torte in 2021 gab es für Zverev vor Kurzem, als er in Deutschland zum Sportler des Jahres ausgezeichnet wurde. Eine Wahl, die sportlich einfach nur logisch ist. Als erster deutscher Tennisspieler seit 30 Jahren kam ihm diese Auszeichnung zuteil. Und die Wahl der Mitglieder des Verbandes Deutscher Sportjournalisten ist dann auch irgendwie sinnbildlich für das Jahr des Alexander Zverev: Er scheint sportlich endlich angekommen zu sein in seinem Heimatland. 

Mirko Strässer